Polizeiverordnung (Multiple-Choice)

21. November 2024

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Polizeianwärter P ist sich nicht sicher, wie er in einem Fall vorgehen soll. Er weiß, dass als Handlungsform im Polizeirecht auch die Verordnung zur Gefahrenabwehr in Betracht kommt, aber er hat keine Ahnung, wofür die gut ist.

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Einordnung des Falls

Polizeiverordnung (Multiple-Choice)

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Rechtsverordnungen sind abstrakt-generelle Regelungen der Exekutive.

Ja!

Unter einer Rechtsverordnung versteht man Rechtssätze als abstrakt-generelle Regelungen der Exekutive. Sie sind Gesetze im materiellen Sinn und damit Teil der Rechtsordnung. Von Gesetzen im formellen Sinn unterscheiden sie sich dadurch, dass sie nicht von der Legislative erlassen werden, sondern von der Exekutive. Die Befugnis zum Erlass einer Verordnung bedarf einer entsprechenden Verordnungsermächtigung. Diese muss den Anforderungen des Art. 80 Abs. 1 GG bzw. entsprechenden landesrechtlichen Regelungen genügen. Sie müssen insbesondere hinreichend bestimmt sein, was in Bezug auf die polizeilichen Ermächtigungsgrundlagen aufgrund der hinreichenden Konkretisierung durch Rechtsprechung und Lehre nach Inhalt, Zweck und Ausmaß bejaht wird.
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2. Die Rechtmäßigkeit einer Polizeiverordnung kann im Wege des Normenkontrollverfahrens gemäß § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO überprüft werden.

Genau, so ist das!

Gemäß § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO entscheidet das OVG auf Antrag über die Gültigkeit von im Rang unter dem Landesgesetz stehenden Rechtsvorschriften, sofern das Landesrecht dies bestimmt. Die Verordnung als abstrakt-generelle Rechtsvorschrift ist zwar eine im Rang unter dem Landesgesetz stehende Rechtsvorschrift. Das Statthaftigkeit des Verfahrens nach § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO hängt jedoch von den entsprechenden Ausführungsgesetzen zur VwGO der Länder ab. Größtenteils wird im Sinne der Vorschrift bestimmt, dass den Bürgern das Verfahren zur Verfügung steht. Ein Normenkontrollverfahren gemäß § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO ist in Hamburg nicht vorgesehen. Berlin hat mittlerweile den § 62a JustG Bln hinzugefügt, der eine solche Möglichkeit vorsieht.

3. Soweit das jeweilige Landesrecht das Verfahren nach § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO nicht vorsieht, scheidet die Möglichkeit, die Gültigkeit einer Verordnung gerichtlich zu überprüfen lassen, aus.

Nein, das trifft nicht zu!

Auch wenn ein Normenkontrollverfahren gemäß § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO aufgrund landesrechtlicher Bestimmungen nicht möglich ist, kann die gerichtliche Überprüfung der Rechtmäßigkeit einer Verordnung dennoch begehrt werden. Relevant sind insbesondere zwei Konstellationen: Zum einen kann im Rahmen einer Anfechtungklage (§ 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO) gegen einen auf Grundlage der Verordnung erlassenen Verwaltungsakt die Rechtmäßigkeit der Verordnung überprüft, zum anderen kann vorbeugender Rechtsschutz gegen einen drohenden Vollzugsakt begehrt werden, wenn das Abwarten des Vollzugsaktes - etwa aufgrund eines drohenden Bußgeldes (§ 1 Abs. 2 SOG) - unzumutbar ist. Die statthafte vorbeugende Rechtsschutzform ist umstritten. Nach einer Ansicht ist die vorbeugende Unterlassungsklage (§ 43 Abs. 2 VwGO), nach anderer Ansicht (insbesondere der Rechtsprechung) ist die Feststellungsklage (§ 43 Abs. 1 Alt. 1 VwGO) statthaft.

4. Ermächtigungsgrundlage für den Erlass einer Verordnung zur Gefahrenabwehr ist die polizeirechtliche Generalklausel.

Nein!

Der Rückgriff auf die polizeiliche Generalklausel ist nach dem Grundsatz der Spezialität verwehrt, soweit eine speziellere Ermächtigungsgrundlage vorliegt. Für die Handlungsform der Rechtsverordnung sehen die Polizeigesetze der Länder eine spezielle Ermächtigungsgrundlage vor (z.B. § 55 Abs. 1 NPOG, § 27 Abs. 1 OBG Thür, § 17 Abs. 1 PolG BW). Landesrechtlich wird meistens bestimmt, dass die Verordnungen zur Gefahrenabwehr auch Bußgeldvorschriften für die enthaltenen Ge- oder Verbote enthalten können (z.B. § 59 Abs. 2 NPOG, § 77 Abs. 2 S. 1 HSOG, § 27 Abs. 3 OBG Thür).

5. Der Erlass einer Verordnung zur Gefahrenabwehr setzt das Vorliegen einer konkreten Gefahr voraus, ein materieller Unterschied zum Gefahrenbegriff der polizeilichen Generalklauseln besteht nicht.

Nein, das ist nicht der Fall!

Die Generalklauseln setzen das Vorliegen einer konkreten Gefahr voraus. Aus dem Charakter der Rechtsverordnung als abstrakt-generelle Regelung folgt, dass die Wahl dieser Handlungsform wenig sinnhaft wäre, um einer konkreten Gefahr zu begegnen. Hierfür wäre der Verwaltungsakt als konkret-individuelle bzw. in Form der Allgemeinverfügung (§ 35 S. 1 VwVfG) konkret-generelle Regelung besser geeignet. Voraussetzung für den Erlass einer Rechtsverordnung ist daher eine abstrakte Gefahr. Anders als das Erfordernis einer konkreten Gefahr im Rahmen der polizeilichen Generalklauseln bedürfen die Polizeiverordnungen einer abstrakten Gefahr. Zum Teil statuieren die Vorschriften zu den Polizeiverordnungen dieses Erfordernis auch explizit (z.B. § 55 Abs. 1 NPOG).
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Helena

Helena

10.2.2022, 12:46:19

In NRW wird das Normenkontrolleverfahren übrigens immer in Verbindung mit §109a JustGNRW Geprüft.

ER

Eric

21.11.2022, 09:40:40

In Sachsen iVm § 24 SächsJG.

EL

Elias

27.1.2024, 11:16:19

In Hessen iVm. § 15 HessAGVwGO

VALA

Vanilla Latte

12.2.2024, 01:46:45

Ich erinnere mich an einen Fall, bei der die Trinkwassernutzung wegen Dürre eingeschränkt wurde in einer Gemeinde. Als

Ermächtigungsgrundlage

haben wir dort die Generalklausel aus dem OBG genommen. Meine Frage: wieso hätte man hierbei nicht auf eine Gefahrenabwehrverordnung durch die Ordnungs

behörde

n stützen können? Das habe ich leider nicht verstanden. Kann mir einer von den Füchsen den Unterschied/Abgrenzung erklären? Die Wassereinschränkung war durch Aufruf und Niederschrift an der Gemeindetafel, sowie Verkündunh im Amtsblatt bekannt gegeben. 🦊

Vermieterpfandrechtbelastetes Anwartschaftsrecht

Vermieterpfandrechtbelastetes Anwartschaftsrecht

3.6.2024, 14:52:29

Man könnte einen Hinweis ergänzen, dass die genannte (inzidente) Überprüfung einer Rechtsverordnung als Gegenstand der gerichtlichen Überprüfung eines auf deren Grundlage erlassenen Verwaltungsaktes auch "Inzident-Kontrolle" genannt wird. Dadurch würde die Stoßrichtung klarer. Insofern greift man mit der Kontrolle des Verwaltungsaktes die Rechtsverordnung nicht direkt an, sondern vielmehr den Verwaltungsakt. Dass im Rahmen der gerichtlichen Kontrolle dann aber auch inzident die Rechtsverordnung als

Ermächtigungsgrundlage

geprüft wird, macht den Unterschied zu einem direkten Angriff auf die Rechtsverordnung durch die Prinzipalkontrolle in § 47 I VwGO klar.


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