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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

A kauft bei Schmuckhändlerin S einen Verlobungsring für ihre Freundin F. A und S vereinbaren, dass A den Ring unter Eigentumsvorbehalt am 01.07. mitnehmen darf. Am 01.08. übereignet S den Ring unbedingt an As Rivalin R. Am 01.09. bezahlt A die letzte Rate.

Einordnung des Falls

Grundfall: Anwartschaftsrecht

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. A ist am 01.07. Eigentümerin des Verlobungsrings geworden.

Nein!

Zur Übertragung des Eigentums an beweglichen Sachen ist nach § 929 S. 1 BGB erforderlich: (1) Einigung, (2) Übergabe, (3) Einigsein bei Übergabe und (4) Verfügungsberechtigung des Veräußerers.S hat A den Ring bereits übergeben. S ist als Eigentümerin auch verfügungsberechtigt. Allerdings hat S der A den Ring nur unter der aufschiebenden Bedingung (§ 158 Abs. 1 BGB) der vollständigen Kaufpreiszahlung übereignet. A wird damit erst Eigentümerin, wenn sie die letzte Rate des Kaufpreises bezahlt.

2. S hat den Verlobungsring an R am 01.08. nach § 929 S. 1 BGB übereignen können?

Nein, das ist nicht der Fall!

Zur Übertragung des Eigentums an beweglichen Sachen ist nach § 929 S. 1 BGB erforderlich: (1) Einigung, (2) Übergabe, (3) Einigsein bei Übergabe und (4) Verfügungsberechtigung des Veräußerers. Zur Übergabe iSd § 929 S. 1 BGB muss der Veräußerer den Besitz vollständig aufgeben und dem Erwerber muss irgendeine Art von Besitz eingeräumt werden.S konnte R den unmittelbaren Besitz am Ring nicht verschaffen, da sie diesen bereits an A übergeben hatte. Damit scheidet eine Übereignung nach § 929 S. 1 BGB aus.

3. S konnte R das Eigentum an dem Ring am 01.08. nach §§ 929 S. 1, 931 BGB verschaffen.

Ja, in der Tat!

Die Übereignung nach §§ 929 S. 1, 931 BGB setzt voraus: (1) Einigung über den Eigentumsübergang, (2) Abtretung eines Herausgabeanspruchs als Übergabesurrogat, (3) Einigsein bei Abtretung und (4) Verfügungsberechtigung des Veräußerers.Der Vorbehaltsverkäufer bleibt bei der Vereinbarung eines Eigentumsvorbehalts bis zur Bezahlung der letzten Rate des Kaufpreises Eigentümer und damit grundsätzlich verfügungsberechtigt. Nach h.M. hat der Vorbehaltsverkäufer gegen den Vorbehaltskäufer bis zur Zahlung der letzten Rate auch einen potentiellen Herausgabeanspruch, den er i.S.v. § 931 BGB abtreten kann. S konnte daher das Eigentum nach §§ 929 S. 1, 931 BGB am 01.08. an R übertragen.

4. Kann R am 01.08. Herausgabe des Rings von A verlangen?

Nein!

Der Herausgabeanspruch nach § 985 BGB setzt voraus: (1) Anspruchsteller ist Eigentümer, (2) Anspruchsgegner ist Besitzer und zwar (3) ohne Recht zum Besitz.Am 01.08. erwirbt R zwar das Eigentum von S. A ist an diesem Tag auch nur Besitzerin des Rings. Allerdings hatte A als Vorbehaltskäuferin aus dem Kaufvertrag jedenfalls ein schuldrechtliches Recht zum Besitz gegenüber S. Nach § 986 Abs. 2 BGB kann sie dieses Recht zum Besitz auch demjenigen Erwerber entgegenhalten, der nach §§ 929 S. 1, 931 BGB das Eigentum erlangt hat. A ist somit gegenüber R zum Besitz berechtigt und muss den Ring nicht herausgeben.

5. Fällt damit dauerhaft das Eigentum und der Besitz an dem Ring auseinander?

Nein, das ist nicht der Fall!

Nach § 161 Abs. 1 S. 1 BGB ist im Rahmen des Eigentumsvorbehalts jede sog. Zwischenverfügung im Falle des Bedingungseintritts insoweit unwirksam, als sie verhindert, dass der Vorbehaltskäufer das Eigentum an der Sache erwirbt.Mit Zahlung der letzten Kaufpreisrate erfüllte A die Bedingung für die Übereignung. Die zwischenzeitlich erfolgte Übereignung an R ist damit unwirksam. Mit Zahlung der letzten Rate wird somit A Eigentümerin und R verliert ihr Eigentum.Diese gesicherte Rechtsposition des Vorbehaltskäufers wird Anwartschaftsrecht genannt.

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ajboby90

ajboby90

24.11.2023, 21:07:21

Hatte leider den SV zunächst völlig fehlinterpretiert. Ich dachte an eine "normale" Freundschaft A - F und somit in Richtung einer Stellvertretung oder Schenkungsabsicht des Rings an F. Erst mit dem Bild (ich lese normalerweise stets nur den Text) wurde mir klar, wie es gemeint ist.

LELEE

Leo Lee

25.11.2023, 10:18:06

Hallo ajboby90, vielen Dank für den Hinweis! In der Tat könnte der Text „alleine“ manchmal zu Verwirrungen führen. Wir gestalten u.a. die Sachverhalte allerdings so, dass die Nutzer und Nutzerinnen ein Gespür dafür entwickeln können, worauf es eigentlich ankommt (hier also dass es wie du richtig sagt nicht um eine Stellvertretung geht aufgrund der zweiten Hälfte des SVs)! Wir bitten insofern um Nachsicht und freuen uns, dass das Bild i.V.m. mit dem Text noch weiterhelfen konnte. Beachte allerdings, dass wie erwähnt in der zweiten Hälfte des SVs – auch ohne Bild – deutlich wird, dass die R hier „interveniert“, weshalb die F hier im Grunde irrelevant ist für den Fall :). Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo

JAK

jakoobus

21.12.2023, 17:19:34

Welchen Herausgabeanspruch genau soll S hier im Zuge der §§ 929 1, 931 an R abgetreten haben? Nach der hM soll es doch nicht möglich sein den § 985 an sich abzutreten, da dieser untrennbar mit der Position des Eigentümers verbunden ist. Viele Grüße!

LELEE

Leo Lee

25.12.2023, 14:22:52

Hallo jakoobus, vielen Dank für die sehr gute Frage! In der Tat wird 985 nicht abgetreten. Allerdings hat der Vorbehaltsverkäufer bis zur vollständigen Zahlung immer noch einen POTENZIELLEN Heruasgabeanspruch; nämlich aus einem Rückgewähranspruch gem. §§ 346 I, 449 II, falls er gem. 323 I zurücktritt (weil Preis nicht gezahlt und damit eine Nichtleistung vorliegt). Und genau diesen potenziellen Herausgabeanspruch kann er dann abtreten. Hierzu kann ich dir die Lektüre von MüKo-BGB 9. Auflage, Oechsler § 931 Rn. 15 ff. empfehlen :). Besinnliche Feiertage und einen guten Rutsch wünscht dir das Jurafuchsteam!

Lord Denning

Lord Denning

22.2.2024, 09:44:53

Liebes Jurafuchs-Team, warum wirkt, trotz des ähnlichen Wortlautes von § 883 I 1 und § 161 I 1, die Unwirksamkeit bei letzterem absolut und nicht nur relativ? Vielen Dank schon mal im Voraus :)


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