Grundfall: Anwartschaftsrecht

22. November 2024

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

A kauft bei Schmuckhändlerin S einen Verlobungsring für ihre Freundin F. A und S vereinbaren, dass A den Ring unter Eigentumsvorbehalt am 01.07. mitnehmen darf. Am 01.08. übereignet S den Ring unbedingt an As Rivalin R. Am 01.09. bezahlt A die letzte Rate.

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Einordnung des Falls

Grundfall: Anwartschaftsrecht

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. A ist am 01.07. Eigentümerin des Verlobungsrings geworden.

Nein!

Zur Übertragung des Eigentums an beweglichen Sachen ist nach § 929 S. 1 BGB erforderlich: (1) Einigung, (2) Übergabe, (3) Einigsein bei Übergabe und (4) Verfügungsberechtigung des Veräußerers.S hat A den Ring bereits übergeben. S ist als Eigentümerin auch verfügungsberechtigt. Allerdings hat S der A den Ring nur unter der aufschiebenden Bedingung (§ 158 Abs. 1 BGB) der vollständigen Kaufpreiszahlung übereignet. A wird damit erst Eigentümerin, wenn sie die letzte Rate des Kaufpreises bezahlt.
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2. S hat den Verlobungsring an R am 01.08. nach § 929 S. 1 BGB übereignen können?

Nein, das ist nicht der Fall!

Zur Übertragung des Eigentums an beweglichen Sachen ist nach § 929 S. 1 BGB erforderlich: (1) Einigung, (2) Übergabe, (3) Einigsein bei Übergabe und (4) Verfügungsberechtigung des Veräußerers. Zur Übergabe iSd § 929 S. 1 BGB muss der Veräußerer den Besitz vollständig aufgeben und dem Erwerber muss irgendeine Art von Besitz eingeräumt werden.S konnte R den unmittelbaren Besitz am Ring nicht verschaffen, da sie diesen bereits an A übergeben hatte. Damit scheidet eine Übereignung nach § 929 S. 1 BGB aus.

3. S konnte R das Eigentum an dem Ring am 01.08. nach §§ 929 S. 1, 931 BGB verschaffen.

Ja, in der Tat!

Die Übereignung nach §§ 929 S. 1, 931 BGB setzt voraus: (1) Einigung über den Eigentumsübergang, (2) Abtretung eines Herausgabeanspruchs als Übergabesurrogat, (3) Einigsein bei Abtretung und (4) Verfügungsberechtigung des Veräußerers.Der Vorbehaltsverkäufer bleibt bei der Vereinbarung eines Eigentumsvorbehalts bis zur Bezahlung der letzten Rate des Kaufpreises Eigentümer und damit grundsätzlich verfügungsberechtigt. Nach h.M. hat der Vorbehaltsverkäufer gegen den Vorbehaltskäufer bis zur Zahlung der letzten Rate auch einen potentiellen Herausgabeanspruch, den er i.S.v. § 931 BGB abtreten kann. S konnte daher das Eigentum nach §§ 929 S. 1, 931 BGB am 01.08. an R übertragen.

4. Kann R am 01.08. Herausgabe des Rings von A verlangen?

Nein!

Der Herausgabeanspruch nach § 985 BGB setzt voraus: (1) Anspruchsteller ist Eigentümer, (2) Anspruchsgegner ist Besitzer und zwar (3) ohne Recht zum Besitz.Am 01.08. erwirbt R zwar das Eigentum von S. A ist an diesem Tag auch nur Besitzerin des Rings. Allerdings hatte A als Vorbehaltskäuferin aus dem Kaufvertrag jedenfalls ein schuldrechtliches Recht zum Besitz gegenüber S. Nach § 986 Abs. 2 BGB kann sie dieses Recht zum Besitz auch demjenigen Erwerber entgegenhalten, der nach §§ 929 S. 1, 931 BGB das Eigentum erlangt hat. A ist somit gegenüber R zum Besitz berechtigt und muss den Ring nicht herausgeben.

5. Fällt damit dauerhaft das Eigentum und der Besitz an dem Ring auseinander?

Nein, das ist nicht der Fall!

Nach § 161 Abs. 1 S. 1 BGB ist im Rahmen des Eigentumsvorbehalts jede sog. Zwischenverfügung im Falle des Bedingungseintritts insoweit unwirksam, als sie verhindert, dass der Vorbehaltskäufer das Eigentum an der Sache erwirbt.Mit Zahlung der letzten Kaufpreisrate erfüllte A die Bedingung für die Übereignung. Die zwischenzeitlich erfolgte Übereignung an R ist damit unwirksam. Mit Zahlung der letzten Rate wird somit A Eigentümerin und R verliert ihr Eigentum.Diese gesicherte Rechtsposition des Vorbehaltskäufers wird Anwartschaftsrecht genannt.
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