Zivilrecht

Sachenrecht

Sicherungsrechte an beweglichen Sachen

Stellung des Käufers beim Eigentumsvorbehalt

Stellung des Käufers beim Eigentumsvorbehalt

10. November 2024

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Jura-Studentin S erwirbt am 24.11. bei V einen neuen Laptop für €1.000. Da sie knapp bei Kasse ist, vereinbart sie mit V Ratenzahlung. V behält sich dafür die Übereignung des Eigentums bis zur vollständigen Kaufpreiszahlung vor. Als Kommilitone K der S den Laptop wegnimmt, um sie zu ärgern, verlangt S Herausgabe des Laptops.

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Einordnung des Falls

Stellung des Käufers beim Eigentumsvorbehalt

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. S hat am 24.11. das Eigentum an dem Laptop erworben (§ 929 S. 1 BGB).

Nein, das ist nicht der Fall!

Zur Übertragung des Eigentums an beweglichen Sachen ist nach § 929 S. 1 BGB erforderlich: (1) Einigung, (2) Übergabe, (3) Einigsein bei Übergabe und (4) Verfügungsberechtigung des Veräußerers.V hat die dingliche Einigung unter die aufschiebende Bedingung (§ 158 Abs. 1 BGB) der vollständigen Kaufpreiszahlung gestellt. Die Bedingung ist noch nicht eingetreten, womit (noch) keine Einigung vorliegt.
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2. S hat am 24.11. ein Anwartschaftsrecht an dem Laptop erworben.

Ja, in der Tat!

Ein Anwartschaftsrecht erwirbt, wer bei einem mehraktigen Entstehungstatbestand eines Rechtsgeschäfts schon so viele Erfordernisse für den Erwerb erfüllt, dass der andere an der Entstehung des Rechts Beteiligte die Entstehung des Rechts nicht mehr einseitig verhindern kann.. Bei der Veräußerung unter Eigentumsvorbehalt hat es der Vorbehaltskäufer alleine in der Hand, den Bedingungseintritt (Kaufpreiszahlung) herbeizuführen. Der Veräußerer kann den Eigentumsübergang dann nicht mehr verhindern. Die originäre Entstehung eines Anwartschaftsrechts geht bereits mit einer bedingten Eigentumsübertragung als solcher einher (§§ 929 S. 1, 158 Abs. 1 BGB). S hat den Laptop unter Eigentumsvorbehalt erworben (§§ 929 S. 1, 158 Abs. 1 BGB). Damit ist ein Anwartschaftsrecht des S am Laptop entstanden. Zur Übertragung des Anwartschaftsrechts werden die §§ 929 ff. BGB analog angewendet. Es ist also wichtig, dass Du immer zwischen dem erstmaligen Entstehen eines Anwartschaftsrechts und der Übertragung eines bereits entstandenen Anwartschaftsrechts unterscheidest.

3. Kann S nach der h.M. analog § 985 BGB Herausgabe des Laptops von K verlangen?

Ja!

Die analoge Anwendung des § 985 BGB auf den Inhaber eines Anwartschaftsrechts ist umstritten. Eine vertiefte Darstellung des Streits findest Du hier. Das Anwartschaftsrecht ist ein Recht eigener Art, das auch als wesensgleiches Minus zum Volleigentum bezeichnet wird. Die h.M. wendet aufgrund der Nähe zum Eigentum § 985 BGB analog auf das Anwartschaftsrecht an. Der Anspruch muss dann im Aufbau leicht modifiziert werden: (1) Anspruchsteller ist Inhaber des Anwartschaftsrechts, (2) Anspruchsgegner ist Besitzer, (3) Ohne Recht zum Besitz.S ist hier Inhaberin des Anwartschaftsrechts und K ist Besitzer ohne Recht zum Besitz.Teilweise wird die analoge Anwendung des § 985 BGB unter Verweis auf § 1007 BGB mangels einer Regelungslücke verneint.Neben § 985 BGB wären in der Klausur auch Besitzschutzansprüche (§§ 861ff. BGB) sowie ein deliktischer Anspruch aus § 823 Abs. 1 BGB (Naturalrestitution durch Herausgabe) anzusprechen.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

JO

JohannaL

10.12.2023, 22:24:04

Hallo :) ist es nicht so, dass der Erwerb (Ersterwerb) des AWR gemäß §§929ff. BGB stattfindet und nur bei der Übertragung des AWR auf einen anderen (also sozusagen dem Zweiterwerb) die §§929ff. analog angewendet werden?

0815jurafuchs

0815jurafuchs

16.7.2024, 11:32:23

@[JohannaL](195749), ja so ist es. Steht zumindest so in einigen Lehrbüchern (bspw. Wolf/Wellenhofer)

Linne_Karlotta_

Linne_Karlotta_

19.9.2024, 13:52:57

Hallo ihr zwei, danke für die Anmerkung. In der Tat sollte man zwischen originärer Entstehung des

Anwartschaftsrecht

s und der Veräußerung eines solchen unterscheiden (wobei es auch Lehrbücher gibt, in denen dies nicht so strikt gemacht wird, siehe z.B. Vieweg/Lorz, 9.A. 2022. § 11 RdNr. 38). Ich habe die Aufgabe jetzt entsprechend präzisiert. Viele Grüße - Linne, für das Jurafuchs-Team

B.H.

B.H.

5.7.2024, 09:11:32

Liebe Community, der Erwerber eines AWR kann die -gesamten- Vorschriften, welche über das Eigentum anwendbar sind analog anwenden? Davon sind bspw. auch die §§ 987 ff. BGB analog betroffen? Neben diesen Ansprüchen, kann er zusätzlich auch - sofern es sich um Entziehung/Störungen handelt- auch die possessorischen und petitorischen Besitzansprüche geltend machen, richtig?

Linne_Karlotta_

Linne_Karlotta_

19.9.2024, 13:23:39

Hallo @[B.H. ](154709), genau! Beachte jedoch, dass die Analogie umstritten ist. Siehe hierzu auch folgende Aufgabe: https://applink.jurafuchs.de/v0y6ayu30Mb Die wohl h.M. billigt dem Inhaber des

Anwartschaftsrecht

sämtliche Ansprüche aus §§ 985, 987ff. BGB analog zu, ebenso wie Unterlassung- und Beseitigungsansprüche gegen störende Dritte analog § 1004 BGB (siehe z.B. Lord, Sachenrecht, 9.A. 2022, § 11 RdNr. 45). Zudem stehen dem Anwartschaftsberechtigten als Besitzer der Sache sämtliche Besitzschutzansprüche direkt zu. (Dies wird unter anderem von der Gegenansicht gegen eine analoge Anwendung von §§ 985, 987ff. BGB angeführt: Der Anwartschaftsinhaber sei ausreichend geschützt, es gäbe somit keine planwidrige Regelungslücke.) Ich hoffe, ich konnte dir damit weiterhelfen! Viele Grüße – Linne, für das Jurafuchs-Team

Linne_Karlotta_

Linne_Karlotta_

19.9.2024, 13:24:52

Hallo @[B.H. ](154709), genau! Beachte jedoch, dass die Analogie umstritten ist. Siehe hierzu auch folgende Aufgabe: https://applink.jurafuchs.de/v0y6ayu30Mb Die wohl h.M. billigt dem Inhaber des

Anwartschaftsrecht

s sämtliche Ansprüche aus §§ 985, 987ff. BGB analog zu, ebenso wie Unterlassung- und Beseitigungsansprüche gegen störende Dritte analog § 1004 BGB (siehe z.B. Lorz, Sachenrecht, 9.A. 2022, § 11 RdNr. 45). Zudem stehen dem Anwartschaftsberechtigten als Besitzer der Sache sämtliche Besitzschutzansprüche direkt zu. (Dies wird unter anderem von der Gegenansicht gegen eine analoge Anwendung von §§ 985, 987ff. BGB angeführt: Der Anwartschaftsinhaber sei ausreichend geschützt, es gäbe somit keine planwidrige Regelungslücke.) Ich hoffe, ich konnte dir damit weiterhelfen! Viele Grüße – Linne, für das Jurafuchs-Team

JulianF

JulianF

24.8.2024, 10:43:19

In einem Level zur Vindikation schriebt ihr, dass § 985 nicht analog auf den

Anwartschaftsrecht

sinhaber anzuwenden sei, da der Besitzer dann Herausgabeansprüchen gegen zwei verschiedene Personen ausgesetzt wäre (obgleich der Anspruch des

Eigentümer

s die Herausgabe an den Vorbehaltskäufer zum Inhalt hätte, § 986 I 2). Demnach hätte er keinen Anspruch aus § 985. Außerdem vermittelt die Anwartschaft kein dingliches Recht zum Besitz (§ 986), warum kann der

Anwartschaftsrecht

sinhaber dann den Besitz nach § 985 herausverlangen?

Linne_Karlotta_

Linne_Karlotta_

19.9.2024, 13:18:10

Hallo Julian, danke für deine Anmerkung. Ich gehe davon aus, dass du diese Aufgabe meinst: https://applink.jurafuchs.de/v0y6ayu30Mb Vorweg gesagt: Die analoge Anwendung von § 985 BGB in dieser Fallkonstellation ist umstritten. In der von mir verlinkten Aufgabe haben in der Tat vor allem die Ansicht vertieft dargestellt, die sich gegen eine analoge Anwendung von § 985 BGB auf den Anwartschaftsberechtigten ausspricht. Allerdings haben wir auch darauf verwiesen, dass diese Anwendung umstritten ist und man mit den entsprechenden Argumenten beides vertreten kann. Ich habe in der Aufgabe jetzt noch die Gegenansicht eingearbeitet. Die wohl h.M. wendet § 985 BGB analog (wie in der Aufgabe hier dargestellt) auf den Anwartschaftsberechtigten an. Ich habe den Streitstand jetzt auch in dieser Aufgabe noch deutlicher betont und auf die andere Aufgabe verwiesen. Ich hoffe, dass die Aufgaben für dich jetzt nützlicher sind. Viele Grüße – Linne, für das Jurafuchs-Team


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