Fremdheit des Geschäfts – Auch-fremdes Geschäft 2
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
A stellt sein Fahrzeug unbefugt auf den Privatparkplatz des S. Damit versperrt er die Einfahrt zum Grundstück des S. S lässt das Fahrzeug kostenpflichtig abschleppen. Die Abschleppkosten sind ortsüblich.
Einordnung des Falls
Fremdheit des Geschäfts – Auch-fremdes Geschäft 2
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 8 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. S kann von A Ersatz für die Abschleppkosten verlangen, wenn er einen Anspruch auf Aufwendungsersatz nach §§ 677, 683 S. 1, 670 BGB hat.
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Ja, in der Tat!
2. Indem S das Fahrzeug abschleppen ließ, hat er "ein Geschäft besorgt" (§ 677 BGB).
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Ja!
3. Der Geschäftsführer besorgt das Geschäft "für einen anderen" (§ 677 BGB), wenn er das Geschäft jedenfalls nicht nur als eigenes, sondern auch als fremdes Geschäft führt.
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Genau, so ist das!
4. Indem S das Fahrzeug des A abschleppen ließ, hat er ein objektiv fremdes Geschäft besorgt. Der Fremdgeschäftsführungswille wird vermutet.
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Nein, das trifft nicht zu!
5. Indem S das Auto des A abschleppen ließ, hat er ein auch- fremdes Geschäft besorgt. Der Fremdgeschäftsführungswille wird vermutet.
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6. Ein Anspruch auf Aufwendungsersatz besteht nur, wenn die Geschäftsführung berechtigt war (§ 683 S. 1 BGB).
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7. Das Abschleppen des Fahrzeugs entsprach dem Interesse und dem wirklichen Willen des A (§ 683 S. 1 BGB).
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Nein, das trifft nicht zu!
8. Das Abschleppen des Fahrzeugs entsprach dem Interesse und dem mutmaßlichen Willen des A (§ 683 S. 1 BGB).
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Trude
23.11.2020, 11:31:59
Ich kenne es aus dem Studium so, dass es nicht dem mutmaßlichen Willen des Abgeschleppten entspricht. Denn er hat kein Willen am Abschleppen, für ihn wird es nur teuer. Der Wille wurde nur dann bejaht, wenn die sonst entstehenden Kosten höher wäre als die des Abschleppens. Interesse in diesem Fall also (+) und mutmaßlicher Wille (-)

Eigentum verpflichtet 🏔️
24.11.2020, 18:20:08
Hallo Trude, das lässt sich hören, wird auch vertreten, (vgl. nur die Anmerkung von Prof. Stephan Lorenz zu der BGH Entscheidung http://lorenz.userweb.mwn.de/urteile/vzr102_15.htm): "Interessant ist, dass der Senat den mutmaßlichen Willen des Geschäftsherrn schlicht aus dem Interesse folgert, besser: diesen vermutet. Das entspricht zwar als solches der ganz hM, es stellt sich aber doch die Frage, ob man wirklich einem Fahrzeughalter unterstellen kann, dass er (mutmaßlich) will, dass sein Kfz abgeschleppt wird. Der BGH stellt hier pauschal auf den Willen eines "rechtstreuen" Halters ab. Wenn das mal nicht eher eine Fiktion ist ...."

Eigentum verpflichtet 🏔️
24.11.2020, 23:55:57
Haben es jetzt auch nochmal in die Fundstellen aufgenommen!

Simon
6.5.2022, 13:33:34
Angenommen man würde die Berechtigung der GoA hier ablehnen: Könnte man einen Ersatz der Abschleppkosten aus § 823 I BGB bejahen? Rechtsgutverletzung (Beeinträchtigung des berechtigten Besitzes und Eigentums des B) durch kausale Handlung des A (+); Rechtswidrigkeit nach der Lehre vom Erfolgsunrecht indiziert. Zudem handelte A vorsätzlich, da er wohl wusste, dort nicht parken zu dürfen. Beim Schaden wird es mE etwas problematisch. Dieser ist prinzipiell ja in der Besitzbeeinträchtigung zu sehen; das Abschleppen diente also nur der Schadensbeseitigung. Aufgrund des § 859 I BGB ist es B aber gestattet, selbst tätig werden, sodass man auch die Abschleppkosten noch als adäquat kausalen Schaden der Besitzstörung ansehen könnte.

Simon
6.5.2022, 13:35:31
* B muss in meiner Frage natürlich S heißen :)

Edward Hopper
17.6.2022, 21:46:50
Ja Simon bei der unberechtigten Goa sind die 823 nicht gesperrt das heißt ganz normal anwendbar da du hier eine Besitzstörung hast wie Du richtig festgestellt hast ist das hier einfach der Schaden der dadurch entsteht dass man den ursprünglichen Zustand wieder herstellt, also abschlrppkosten

Vica
15.2.2021, 19:49:47
Also ich hätte es bejaht, dass es sich um ein objektives fremdes Geschäft handelt. Es war klar erkennbar, dass S ein fremdes Auto abschleppen ließ und nicht sein eigenes. Das subjektive fremde Geschäft muss der Wille positiv festgestellt sein, was hier nicht der Fall war. Entweder bin ich dumm oder ahnungslos. 😂

Speetzchen
15.2.2021, 21:29:05
Hey ! Es liegt hier doch kein subjektives fremdes Geschäft vor, sondern ein auch fremdes Geschäft. Der Abschleppvorgang lag im Interesse des A und des S. Steht alles in der Antwort von der dritten Frage ;)

Blan
8.9.2023, 06:46:43
Das ganze könnte sich doch auch über den §679 BGB argumentieren lassen, soweit es sich um einen öffentlichen Parkplatz handeln würde - oder?
Leo Lee
8.9.2023, 11:34:17
Hallo Blan, in der Tat könnte man auch hier den § 679 BGB Andenken. Beachte jedoch, dass diese Norm im Wortlaut voraussetzt, dass ein entgegenstehender Wille vorhanden sein muss. Hier lässt sich ein solcher nicht feststellen. Wenn im Sachverhalt stünde, dass A dem S ggü. von vornherein geschildert hat, dass er keineswegs sein Auto abgeschleppt sehen möchte, dann wäre hier § 679 BGB tatsächlich einschlägig. Hierzu kann ich die Lektüre von MüKo-BGB 9. Auflage, F. Schäfer § 679 Rn. 1 empfehlen :). Liebe Grüße - für das Jurafuchsteam - Leo