Gefahr (Fall: Abgrenzung Schaden/Belästigung)

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

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A sitzt in seinem Lieblings-Café. Seit einigen Minuten fühlt er sich jedoch erheblich dadurch gestört, dass auf einer in unmittelbarer Nähe befindlichen Baustelle laut hörbar gearbeitet wird.

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Einordnung des Falls

Gefahr (Fall: Abgrenzung Schaden/Belästigung)

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Die Polizei hat die Aufgabe der Gefahrenabwehr.

Ja!

Die Polizei trifft (wie andere Ordnungsbehörden) die erforderlichen Maßnahmen zur Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung (Maßnahmen zur Gefahrenabwehr). Diese Aufgabenzuweisung ist in den Polizeigesetzen zumeist explizit statuiert (z.B. § 1 Abs. 1 S. 1 RhPfPOG, § 1 Abs. 1 S. 1 ASOG Bln, § 1 Abs. 1 S. 1 NPOG). Eine Gefahr meint eine Sachlage, in der bei ungehindertem Geschehensablauf aus dem Blickwinkel eines objektiven Beobachters ex ante (hM) in absehbarer Zeit mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein Schaden für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung eintreten wird. Der Begriff der Gefahr kann als der zentrale Begriff des Polizeirechts angesehen werden. Die Ermächtigungsgrundlagen der Polizeigesetze setzen zumeist das Vorliegen einer Gefahr voraus.
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2. Der Gefahr steht es gleich, wenn eine Störung eingetreten ist.

Genau, so ist das!

Einige Landespolizeigesetze nehmen neben der Gefahrenabwehr explizit auch die Beiseitung von Störungen der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung auf (z.B. § 3 Abs. 1 SOG HH, § 1 Abs. 1 S. 1 BW PolG). Die Störung meint eine Lage, in der ein Schaden an der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung bereits eingetreten ist und noch andauert. In der Störung hat sich also eine Gefahr verwirklicht. Die Störung steht der Gefahr somit gleich. Soweit in eurem Polizeigesetz die Störung nicht explizit benannt wird, ergibt sich das Vorliegen einer Gefahr im Falle einer Störung daraus, dass von einer Störung eine in die Zukunft wirkende Gefahr ausgeht.

3. Dem Eintritt eines Schadens an der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung steht eine Belästigung gleich.

Nein, das trifft nicht zu!

Zentraler Begriff der Gefahr und auch der Störung ist der Schaden für ein polizeiliches Schutzgut. Während dieser bei der Gefahr noch bevorsteht, ist der Schaden bei einer Störung bereits eingetreten. Ein Schaden meint die Minderung eines vorhandenen normalen Bestands von Rechtsgütern durch von außen kommende Einflüsse oder die Nichteinhaltung der durch den Begriff der öffentlichen Ordnung erfassten Regeln. Keine Minderung liegt hingegen in der bloßen Belästigung. Die Belästigung ist lediglich nachteilig oder unangenehm für Rechtsgüter im Sinne der öffentlichen Sicherheit oder Verhaltensregeln im Sinne der öffentlichen Ordnung, verletzt diese jedoch nicht. Eine Belästigung steht der Schädigung nicht gleich.

4. Die Bauarbeiten stören die öffentliche Sicherheit.

Nein!

Eine Störung kommt vorliegend insbesondere unter dem Blickwinkel der subjektiven Rechte und Rechtsgüter des S in Betracht. Anerkannt ist, dass intensiver Lärm etwa zur Nachtzeit eine Minderung des Rechtsguts der Gesundheit (Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG) nach sich ziehen kann. Nachteilig oder unangenehm kann es auf das Rechtsgut gewiss auch zur Tageszeit in einem Café wirken. Jedoch muss sich jeder der tagsüber in einem öffentlichen Café an öffentlichen Straßen sitzt, bewusst darüber sein, dass Lärmbelästigungen auftreten können. Bewegen sich diese in einer für Bauarbeiten normalen Intensität, ist eine Minderung des Rechtsguts der Gesundheit, die einen Schaden im polizeirechtlichen Sinne nach sich ziehen würde, hiermit jedoch nicht verbunden. Der Baulärm ist lediglich eine Belästigung und damit kein Schaden. Eine Störung der öffentlichen Sicherheit liegt somit nicht vor.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

VO

Vojtech

18.6.2022, 21:41:55

Sehr interessant. Vielen Dank für die tollen Inhalte ✌🏼


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