Öffentliches Recht

Staatsorganisations-Recht

Gesetzgebungsverfahren

Verfahren bei Einspruchsgesetz (Art. 77 Abs. 2, Abs. 3-4 GG)

Verfahren bei Einspruchsgesetz (Art. 77 Abs. 2, Abs. 3-4 GG)

22. November 2024

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

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Klassisches Klausurproblem

Der Bundestag will den Beamten des Bundes sämtliche Tätowierungen verbieten. Zu diesem Zweck wird eine Änderung des Bundesbeamtengesetzes (BBG) auf Grundlage von Art. 73 Abs. 1 Nr. 8 GG beschlossen (Art. 77 Abs. 1 S. 1 GG). Am Tag nach dem Gesetzesbeschluss des Bundestages legt der Bundesrat mit 50 Stimmen Einspruch gegen das Gesetz ein.

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Einordnung des Falls

Verfahren bei Einspruchsgesetz (Art. 77 Abs. 2, Abs. 3-4 GG)

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Das BBG-Änderungsgesetz ist ein Einspruchsgesetz.

Ja!

Grundsätzlich sind alle Gesetze Einspruchsgesetze. Einspruchsgesetze sind also alle Bundesgesetze, die nicht Zustimmungsgesetze sind. Ein Zustimmungsgesetz liegt nur vor, wenn das Grundgesetz die Zustimmungspflichtigkeit des Gesetzes ausdrücklich anordnet. Der Kompetenztitel für das BBG-Änderungsgesetz findet sich in Art. 73 Abs. 1 Nr. 8 GG. In Art. 73 Abs. 2 GG ordnet das Grundgesetz die Zustimmungsbedürftigkeit nur für Gesetze nach Art. 73 Abs. 1 Nr. 9a GG an. Im Umkehrschluss ist das BBG-Änderungsgesetz ein Einspruchsgesetz. Das Grundgesetz ordnet die Erforderlichkeit der Zustimmung des Bundesrates hauptsächlich in drei Fällen an, in denen die Interessen der Länder besonders betroffen sind: (1) verfassungsändernde Gesetze (Art. 79 Abs. 2 GG), (2) Gesetze mit Auswirkungen auf die Finanzen der Länder (beispielsweise Art. 104a Abs. 4, 105 Abs. 3 GG) und (3) Gesetze mit Auswirkungen auf die Organisations- und Verwaltungshoheit der Länder (beispielsweise Art. 84 Abs. 1 S. 6, Abs. 5 S. 1 GG).
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2. Im Bundesrat sind insgesamt 65 Stimmen vertreten.

Nein, das ist nicht der Fall!

Das Grundgesetz sagt nichts über die Anzahl der Stimmen des Bundesrats. Allein Art. 51 Abs. 2 GG regelt, dass die Stimmenanzahl der Länder von der Einwohnerzahl abhängt. Weil die Gesamtzahl der Stimmen nicht dem Gesetz zu entnehmen ist, solltest Du Dir unbedingt merken, dass im Bundesrat insgesamt 69 Stimmen vertreten sind.

3. Der Bundesrat ist beschlussfähig.

Ja, in der Tat!

Der Bundesrat ist beschlussfähig, wenn die Mehrheit seiner Stimmen vertreten ist (§ 28 Abs. 1 GO-BR). Weil es insgesamt 69 Stimmen im Bundesrat gibt, müssen 35 Stimmen vertreten sein. Nach dem Sachverhalt sind 50 Ja-Stimmen abgegeben worden. Daraus muss man schließen, dass mindestens 50 Stimmen und somit mehr als 35 im Bundesrat vertreten sind.

4. Der Bundesrat hat den Einspruch gegen das BBG-Änderungsgesetz mit der erforderlichen Mehrheit eingelegt.

Ja!

Der Bundesrat fasst seine Beschlüsse mit mindestens der Mehrheit seiner Stimmen (Art. 52 Abs. 3 S. 1 GG). Bei 69 Stimmen müssen mindestens 35 den Einspruch befürworten. Mit 50 Ja-Stimmen liegen mehr als die 35 erforderlichen Ja-Stimmen vor.

5. Der Bundesrat hätte vor Einlegung des Einspruchs gegen das BBG-Änderungsgesetz den Vermittlungsausschuss einberufen und den Abschluss des Vermittlungsverfahrens abwarten müssen.

Genau, so ist das!

Der Bundesrat ist frei in der Entscheidung, den Vermittlungsausschuss einzuberufen („kann einberufen“, Art. 77 Abs. 2 S. 1 GG). Ein Einspruch kann jedoch nicht eingelegt werden, bevor das Vermittlungsverfahren abgeschlossen ist („wenn das Verfahren nach Absatz 2 beendigt ist“, Art. 77 Abs. 3 S. 1 GG). Der Bundesrat hat am Tag nach dem Gesetzesbeschluss des Bundestages den Einspruch eingelegt. Zu diesem Zeitpunkt kann ein etwaiges Vermittlungsverfahren noch nicht abgeschlossen sein. Der Bundesrat hat somit Einspruch gegen das BBG-Änderungsgesetz eingelegt, ohne zuvor den Abschluss des Vermittlungsverfahrens abzuwarten. Eine vergleichbare Einschränkung gibt es bei Zustimmungsgesetzen nach Art. 77 Abs. 2a GG hingegen nicht. Der Bundesrat kann also die Zustimmung verweigern, ohne den Vermittlungsausschuss einzuberufen. Wollen Bundestag oder Bundesregierung, dass das Zustimmungsgesetz dennoch zustande kommt, können sie dafür den Vermittlungsausschuss einberufen (Art. 77 Abs. 2 S. 4 GG).
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