Öffentliches Recht

Grundrechte

Allgemeines Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG)

Recht auf Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme 3 (Vertiefung)

Recht auf Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme 3 (Vertiefung)

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Im Rahmen strafrechtlicher Ermittlungen hackt die Polizei heimlich die Smartwatch des Verdächtigen V. Sie späht so aus, wie die Uhr Schlaf, Bewegung und Ernährung des V trackt.

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Einordnung des Falls

Recht auf Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme 3 (Vertiefung)

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Der Schutz der Privatsphäre (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) gewährleistet dem V umfassenden Schutz vor dem Ausspähen der Smart-Watch.

Nein!

In seiner Ausprägung als Schutz der Privatsphäre gewährleistet das allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) dem Einzelnen einen räumlich und thematisch bestimmten Bereich, der grundsätzlich frei von unerwünschter Einsichtnahme bleiben soll. Durch das Ausspähen können auch der Bereiche der Privatsphäre betroffen sein. Es werden aber zwangsläufig, beispielsweise, wenn V sich ohnehin in der Öffentlichkeit bewegt, nicht nur rein private Daten erfasst. Insoweit diese Daten erhoben werden, ist die Privatsphäre nicht betroffen. Sie schützt den V damit nicht umfassend vor dem Ausspähen.
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2. Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) schützt den V umfassend vor dem Ausspähen.

Nein, das ist nicht der Fall!

Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung gibt dem Einzelnen die Befugnis, grundsätzlich selbst über die Preisgabe und Verwendung seiner persönlichen Daten zu bestimmen. Infolge des Ausspähens werden möglicherweise auch persönliche Daten des V unbefugt gespeichert oder verwendet werden. Jedoch stellt das Ausspähen in Form der reinen „Beobachtung“ des Trackings an sich noch keine Speicherung oder Verwendung dar. Hiervor ist V durch das Recht auf informationelle Selbstbestimmung nicht geschützt. Das könnte man mit entsprechender Argumentation auch anders sehen und insbesondere annehmen, dass hier dem V die eigene Entscheidung über die Preisgabe der Informationen genommen wird. Für die vorliegende Lösung spricht, dass sie den Schutzbereich des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung ernst nimmt und zugleich nicht über Gebühr ausdehnt.

3. Bei der Smartwatch handelt es sich um ein informationstechnisches System (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1).

Ja, in der Tat!

Das allgemeine Persönlichkeitsrecht gem. Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 schützt die Integrität und Vertraulichkeit informationstechnischer Systeme. Ein informationstechnisches System liegt vor, wenn ein technisches Gerät allein oder in seinen technischen Vernetzungen personenbezogene Daten in einem Umfang enthalten kann, dass hieraus Einblicke in wesentliche Teile der Lebensgestaltung oder der Persönlichkeit einer Person gewonnen werden können. Die Uhr trackt Schlaf-, Bewegungs und Ernährungsdaten bezogen auf die Person des V. Hieraus können wesentliche Einblicke in Vs Lebensgestaltung und möglicherweise sogar auch Einblicke in Vs Persönlichkeit gewonnen werden. Die Uhr stellt damit ein informationstechnisches System dar.

4. V darf gemäß Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG darauf vertrauen, dass seine Smartwatch nicht heimlich durch die Polizei ausgespäht wird.

Ja!

Aufgrund der mit Infiltrationen technischer Systemen verbundenen spezifischen Persönlichkeitsgefährdungen der betroffenen Nutzer enthält Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG nach der Rechtsprechung des BVerfG ein Grundrecht auf Integrität und Vertraulichkeit informationstechnischer Systeme (oft auch als IT-Grundrecht bezeichnet). Der Einzelne darf danach bei Nutzung informationstechnischer Systeme darauf vertrauen, nicht vom Staat kontrolliert zu werden. Das Ausspähen der Smartwatch stellt eine staatliche Kontrolle der Nutzung informationstechnischer Systeme dar. V darf aufgrund seines IT-Grundrechts darauf vertrauen, dass eine solche Kontrolle bei der Nutzung dieses Systems, also der Smartwatch nicht stattfindet. Das Grundrecht auf Integrität und Vertraulichkeit informationstechnischer Systeme soll Schutzlücken schließen.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Im🍑nderabilie

Im🍑nderabilie

29.11.2022, 16:46:14

Warum gilt das Ausspähen im dem Kontext nicht als Erhebung? Die Informationsgewinnung wird ja quasi an der Quelle angezapft..

Nora Mommsen

Nora Mommsen

30.11.2022, 16:19:10

Hallo Imponderabilie, danke für deine Frage. Die Erhebung der Daten über Schlaf etc. nimmt V ja durch das Programm seiner Smartwatch selber vor. Die Polizei verwendet diese Daten aber erhebt sie nicht im Sinne von originärer Datenerstellung. Darin liegt der Unterschied :) Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team

DIAA

Diaa

11.10.2023, 17:41:24

Hier werden Ernährung und Schlaf nicht von der Privatsphäre umfasst, wieso? Es ist schon irgendwie individuell und gehört zur Privatsphäre, wie man sich ernäht oder wie oft und lange man schläft. Das sind gerade keine Daten, die man preisgeben muss. 😅

Blan

Blan

30.11.2023, 10:38:46

Das war hier gar nicht die Frage. Bzgl. "Schutz auf Privatsphäre" wurde nur gefragt, ob eben ein vollumfänglicher Schutz besteht. Der besteht eben nicht vollumfänglich - es wurde sich nicht spezifisch auf das Essen oder Schlafen bezogen.


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