Zivilrecht

Schuldrecht Allgemeiner Teil

Entstehung von Schuldverhältnissen

Vorvertragliches Schuldverhältnis: Aufnahme von Verhandlungen über einen Arbeitsvertrag

Vorvertragliches Schuldverhältnis: Aufnahme von Verhandlungen über einen Arbeitsvertrag

leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs
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Klassisches Klausurproblem

Rechtsreferendarin R verhandelt mit der Kanzlei K darüber, dass R neben Ihrem Rechtsreferendariat bei K eine Nebentätigkeit aufnimmt.

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Einordnung des Falls

Vorvertragliches Schuldverhältnis: Aufnahme von Verhandlungen über einen Arbeitsvertrag

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. R und K haben einen Arbeitsvertrag geschlossen (§ 611a BGB).

Nein, das ist nicht der Fall!

Ein Vertrag kommt zustande durch zwei inhaltlich übereinstimmende Willenserklärungen, Angebot und Annahme (§§ 145, 147 BGB). R und K befanden sich jedoch nur in Vertragsverhandlungen. Ein ausdrücklicher Wille zum Abschluss eines Arbeitsvertrages lag noch nicht vor.
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2. Zwischen R und K ist ein rechtgeschäftsähnliches Schuldverhältnis entstanden (§ 311 Abs. 2 Nr. 1 BGB).

Ja, in der Tat!

Ein rechtsgeschäftsähnliches Schuldverhältnis entsteht durch die Aufnahme von Vertragsverhandlungen (Nr. 1), die Anbahnung eines Vertrags, bei der eine Partei der anderen die Möglichkeit der Einwirkung auf ihre Rechtsgüter und Interessen gewährt, (Nr. 2) oder ähnliche geschäftliche Kontakte (Nr. 3). Dadurch, dass R und K direkt in Vertragsverhandlungen getreten sind, ist ein rechtsgeschäftsähnliches Schuldverhältnis entstanden (§ 311 Abs. 2 Nr. 1 BGB).Da § 311 Abs. 2 Nr. 1 + 2 BGB im Vorfeld eines Vertrages Anwendung finden, nennt man diese auch "vorvertragliche Schuldverhältnisse".

3. Mit dem rechtgeschäftsähnlichen Schuldverhältnis entstehen für R und K Schutz- und Rücksichtnahmepflichten (§§ 311 Abs. 2, 241 Abs. 2 BGB).

Ja!

Das rechtsgeschäftsähnliche Schuldverhältnis verpflichtet die Parteien zur Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils (culpa in contrahendo). Bei einem Verstoß gegen die Rücksichtnahmepflicht, ergibt sich ein Schadenersatzanspruch aus § 280 Abs. 1 BGB und nicht bloß aus § 823 Abs. 1 BGB. Für die Parteien ist dies relevant, weil § 823 Abs. 1 BGB – anders als § 280 Abs. 1 BGB – nur absolute Rechte schützt und der Geschädigte die Beweislast für ein Verschulden des Schädigers trägt. § 280 Abs. 1 S. 2 BGB vermutet hingegen das Vertretenmüssen des Schädigers (sog. Beweislastumkehr).

4. Da zwischen R und K kein Arbeitsvertrag geschlossen wurde, ist ausgeschlossen, dass zwischen Ihnen ein Schuldverhältnis im weiteren Sinne besteht.

Nein!

Ein Schuldverhältnis im weiteren Sinne ist eine rechtliche Sonderverbindung zwischen mindestens zwei Personen, kraft derer wenigstens eine Person von einer anderen Person etwas verlangen kann.Dabei gibt es nicht nur rechtsgeschäftliche Schuldverhältnisse, die durch den Abschluss eines Vertrages zustande kommen (§ 311 Abs. 1 BGB), sondern auch gesetzliche Schuldverhältnisse. Diese entstehen unmittelbar kraft Gesetz, zB bei Aufnahme von Vertragsverhandlungen (§ 311 Abs. 2 Nr. 1 BGB).
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Mert oder Alf

Mert oder Alf

22.11.2023, 11:19:48

ich verstehe nicht, wieso dies unter Vertragsverhandlungen fällt, in Anbetracht dessen, dass R und K keinen Vertrag schließen wollen sondern R lediglich wo anders einen Nebenjob ausüben will. Also was hat K überhaupt damit zu tun?

Nora Mommsen

Nora Mommsen

24.11.2023, 14:31:36

Hallo Bert oder Alf, danke für deine Frage. Ich glaube, da ist es zu einem Missverständnis gekommen. Bei K handelt es sich um die Kanzlei, bei der R ihre Nebentätigkeit aufnehmen möchte. Bei den Verhandlungen über einen Arbeitsvertrag handelt es sich um Vertragsverhandlungen. Beste Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team

MAG

Magie99Capona

24.6.2024, 10:40:35

Danke für die Erklärung, finde die Formulierung der Aufgabe auch sehr missverständlich. Ich bin auch davon ausgegangen das R schon bei K als Referendar ist und woanders eine nebentätigkeit ausüben möchte

carlotka

carlotka

24.8.2024, 22:15:41

Vielleicht könnte man die Aufgabenstellung nochmal etwas konkretisieren :) Auch ich habe den Sachverhalt so verstanden, dass die Referendarin im Rahmen des Referendariats bei der Kanzlei arbeitet und dort ihre Station ablegt und nun mit der Kanzlei darüber verhandelt, ob sie daneben eine weitere Tätigkeit ausüben darf

AS

as.mzkw

26.8.2024, 20:41:58

„Rechtsreferendarin R verhandelt mit der Kanzlei K (!) darüber, dass R neben Ihrem Rechtsreferendariat bei K (!) eine Nebentätigkeit aufnimmt.“ Es ist eindeutig K gemeint, sowohl im Hinblick auf die Ref-Station als auch bzgl der Nebentätigkeit.


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