Zivilrecht

Schuldrecht Allgemeiner Teil

Entstehung von Schuldverhältnissen

Vorvertragliches Schuldverhältnis: Aufnahme von Verhandlungen über einen Arbeitsvertrag

Vorvertragliches Schuldverhältnis: Aufnahme von Verhandlungen über einen Arbeitsvertrag

8. April 2025

18 Kommentare

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

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Klassisches Klausurproblem

Rechtsreferendarin R verhandelt mit der Kanzlei K darüber, dass R neben Ihrem Rechtsreferendariat eine Nebentätigkeit bei K aufnimmt.

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Einordnung des Falls

Vorvertragliches Schuldverhältnis: Aufnahme von Verhandlungen über einen Arbeitsvertrag

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. R und K haben einen Arbeitsvertrag geschlossen (§ 611a BGB).

Nein, das ist nicht der Fall!

Ein Vertrag kommt zustande durch zwei inhaltlich übereinstimmende Willenserklärungen, Angebot und Annahme (§§ 145, 147 BGB). R und K befanden sich jedoch nur in Vertragsverhandlungen. Ein ausdrücklicher Wille zum Abschluss eines Arbeitsvertrages lag noch nicht vor.
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2. Zwischen R und K ist ein rechtgeschäftsähnliches Schuldverhältnis entstanden (§ 311 Abs. 2 Nr. 1 BGB).

Ja, in der Tat!

Ein rechtsgeschäftsähnliches Schuldverhältnis entsteht durch die Aufnahme von Vertragsverhandlungen (Nr. 1), die Anbahnung eines Vertrags, bei der eine Partei der anderen die Möglichkeit der Einwirkung auf ihre Rechtsgüter und Interessen gewährt, (Nr. 2) oder ähnliche geschäftliche Kontakte (Nr. 3). Dadurch, dass R und K direkt in Vertragsverhandlungen getreten sind, ist ein rechtsgeschäftsähnliches Schuldverhältnis entstanden (§ 311 Abs. 2 Nr. 1 BGB).Da § 311 Abs. 2 Nr. 1 + 2 BGB im Vorfeld eines Vertrages Anwendung finden, nennt man diese auch "vorvertragliche Schuldverhältnisse".

3. Mit dem rechtgeschäftsähnlichen Schuldverhältnis entstehen für R und K Schutz- und Rücksichtnahmepflichten (§§ 311 Abs. 2, 241 Abs. 2 BGB).

Ja!

Das rechtsgeschäftsähnliche Schuldverhältnis verpflichtet die Parteien zur Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils (culpa in contrahendo). Bei einem Verstoß gegen die Rücksichtnahmepflicht, ergibt sich ein Schadenersatzanspruch aus § 280 Abs. 1 BGB und nicht bloß aus § 823 Abs. 1 BGB. Für die Parteien ist dies relevant, weil § 823 Abs. 1 BGB – anders als § 280 Abs. 1 BGB – nur absolute Rechte schützt und der Geschädigte die Beweislast für ein Verschulden des Schädigers trägt. § 280 Abs. 1 S. 2 BGB vermutet hingegen das Vertretenmüssen des Schädigers (sog. Beweislastumkehr).

4. Da zwischen R und K kein Arbeitsvertrag geschlossen wurde, ist ausgeschlossen, dass zwischen Ihnen ein Schuldverhältnis im weiteren Sinne besteht.

Nein!

Ein Schuldverhältnis im weiteren Sinne ist eine rechtliche Sonderverbindung zwischen mindestens zwei Personen, kraft derer wenigstens eine Person von einer anderen Person etwas verlangen kann.Dabei gibt es nicht nur rechtsgeschäftliche Schuldverhältnisse, die durch den Abschluss eines Vertrages zustande kommen (§ 311 Abs. 1 BGB), sondern auch gesetzliche Schuldverhältnisse. Diese entstehen unmittelbar kraft Gesetz, zB bei Aufnahme von Vertragsverhandlungen (§ 311 Abs. 2 Nr. 1 BGB).
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

paulmachtexamen

paulmachtexamen

10.1.2025, 22:24:45

Die c.i.c. wird hier als rechtsgeschäftsähnliches Schuldverhältnis vorgestellt. Sie ist doch aber auch ein gesetzliches Schuldverhältnis oder?

LELEE

Leo Lee

12.1.2025, 19:17:17

Hallo paulmachtexamen, vielen Dank für die sehr gute und wichtige Frage! Vorab: Du liegst völlig richtig mit deinem Gefühl, dass die CIC letztlich ein sich aus dem Gesetz ergebender Anspruch ist (übrigens gab es dieses Konzept bereits im preußischen allgemeinen Landrecht aus 1794!). Allerdings ist die CIC auch insoweit ein "Zwischending", als sie sich meist aus einem geschäftlichen Kontext ergibt (etwa i.R.e. Vertragsverhandlung, was weder richtig Gesetz noch Vertrag ist). Deshalb wird die CIC auch als "QUASIvertraglicher Anspruch" umschrieben (neben der GoA und dem 122). Allerdings ist es streng genommen nicht falsch, von einem gesetzlichen Schuldverhältnis zu sprechen. Dies ist i.Ü. für die Klausurlösung nicht erheblich, da die Einordnung eines Anspruchs als gesetzlich oder vertraglich keinerlei Konsequenzen für die Lösung selbst nach sich zieht. Hierzu kann ich i.Ü. die Lektüre vom MüKo-BGB 9. Auflage, Emmerich § 311 Rn. 45 sehr empfehlen :)! Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo


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