Kaufmann kraft Rechtsschein
14. Februar 2025
9 Kommentare
4,7 ★ (28.929 mal geöffnet in Jurafuchs)
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Student S hat in der Zeitung sein Traumauto entdeckt und möchte es kaufen. Leider gibt der Verkäufer in der Anzeige an, nur an "gewerbliche Kunden (Kaufleute)" zu verkaufen. Kurzerhand verfasst S ein schriftliches Kaufangebot, in dem er sich im Briefkopf als eingetragener Kaufmann (e.K.) ausgibt. Der Vertrag kommt zustande.
Diesen Fall lösen 94,8 % der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.
Einordnung des Falls
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 7 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Nichtkaufleute, die wie ein Kaufmann auftreten, sind unter Umständen wie ein Kaufmann zu behandeln.
Ja, in der Tat!
Jurastudium und Referendariat.
2. S ist Kaufmann.
Nein!
3. S hat den Rechtsschein gesetzt, er sei Kaufmann.
Genau, so ist das!
4. S hat den Rechtsschein, Kaufmann zu sein, zurechenbar gesetzt.
Ja, in der Tat!
5. Der Verkäufer des Autos ist in seinem Vertrauen an die Kaufmannseigenschaft des S schutzwürdig.
Ja!
6. Das Vertrauen des Verkäufers auf die Kaufmannseigenschaft ist kausal für eine von ihm getroffene geschäftliche Disposition.
Genau, so ist das!
7. S muss sich gegenüber dem Verkäufer als Kaufmann behandeln lassen.
Ja, in der Tat!
Jurafuchs ist eine Lern-Plattform für die Vorbereitung auf das 1. und 2. Juristische Staatsexamen. Mit 15.000 begeisterten Nutzern und 50.000+ interaktiven Aufgaben sind wir die #1 Lern-App für Juristische Bildung. Teste unsere App kostenlos für 7 Tage. Für Abonnements über unsere Website gilt eine 20-tägige Geld-Zurück-Garantie - no questions asked!
Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Schwanzanwaltschaft
17.2.2024, 10:38:32
Kann der Dritte bezüglich jeder HGB-Norm gesondert entscheiden, ob er sich darauf diese beruft oder die nicht-Kaufmanns Vorschriften Anwendung finden?

Charliefux
16.3.2024, 19:36:41
Hat das Setzen des Rechtsscheins (S sei Kfm) auch Auswirkungen auf den Kauf selber? Bzw. kann sich das auf die Wirksamkeit des KV auswirken oder hat der Vertragspartner dann lediglich die Möglichkeit einer Anfechtung wegen
arglistiger Täuschung? oder macht S sich gar anderweitig Schadensersatzpflichtig wegen der Setzung des Rechtsscheins?
P K
16.3.2024, 23:17:35
Schadensersatz würde ich schon mangels Schaden verneinen. In Fällen des Rechtsscheins wird der "Getäuschte" ja dadurch geschützt, dass sich der Gegner so behandeln lassen muss, als würde der von ihm erweckte Anschein zutreffen. Damit steht der Gegner aber genau so wie er stünde, wenn der Anschein zuträfe. Würde man Schadensersatz geben, könnte das im Ergebnis dazu führen, dass sich der Getäuschte aufgrund von Umständen wirtschaftlich schadlos hält, die mit dem erweckten Anschein gar nichts zu tun haben und so ein überflüssiges Reuerecht geschaffen. Daher dürfte auch eine Anfechtung jedenfalls dann nicht durchgreifen, wenn sich der Irrtum alleine auf den erweckten Anschein bezieht.

Dua
24.8.2024, 13:10:25
Ich würde jetzt eher an Par. 119 II BGB denken, weil die Kaufmannseigenschaft für den Verkäufer
verkehrswesentlichist und er sich über das Vorliegen beim Käufer geirrt hat. Frage mich aber auch, welche Sinn das haben sollte, weil der Verkäufer beim
Scheinkaufmannzivilrechtlich nicht schlechter steht (evtl. aber aus steuerrechtlicher Sicht?).
Petrus
2.5.2024, 11:10:24
Ich dachte, dass bei einer Rechtscheinshaftung bzgl der Schutzwürdigkeit des Vetrauens bereits „
Kennenmüssen“ also fahrlässige Unkenntnis ausreicht, oder irre ich mich da?

Maximilian Puschmann
2.5.2024, 13:10:04
Hallo Petrus, im Bereich der Gutgläubigkeit ist es unstrittig, dass eine positive Kenntnis der wahren Rechtslage oder die Unkenntnis durch grobe Fahrlässigkeit, jene entfallen lässt. Umstritten ist aber, ob eine leichte Fahrlässigkeit schadet. Hier bejaht ein Teil der Literatur in Anlehnung an die §§ 173, 405 BGB dies aufgrund des Wortlautes "kennen müssen" in diesen Paragrafen. Jedoch ziehen auch diese Literaturmeinungen den Maßstab so streng, dass es sich um grobe Fahrlässigkeit handelt. So wird formuliert: Was „sich im gegebenen Fall jedem aufgedrängt hätte“ würde die Gutgläubkeit entfallen lassen. Die Rechtsprechung führt eine im
Einzelfallvorzunehmende Billigkeitsprüfung durch, inwieweit der Dritte die wahre Sachlage zu überprüfen hätte und ihm dies auch zuzumuten war. Jedoch hebt auch die Rechtsprechung hervor, dass der Handelsverkehr auf schnelle Entscheidungen angewiesen ist, womit im Regelfall keine Nachforschungs
obliegenheitbeim Rechtsscheingegner liegt. Zum Vertiefen empfehle ich folgende Quelle: Ebenroth/Boujong/Kindler, 5. Aufl. 2024, HGB § 5 Rn. 70-72. Beste Grüße, Max – für das Jurafuchs-Team

erikxxx
3.12.2024, 14:11:04
Hallo zusammen, ich weiß nicht, ob ich der Einzige bin, der sich diese Frage stellt, aber ich wollte meine Gedanken dazu hier teilen. Meine Ausgangsfrage war: "Ist ein
Nichtkaufmannautomatisch ein Verbraucher im Sinne des § 13 BGB?" Ein
Nichtkaufmannist eine Person, die kein Kaufmann im Sinne der §§ 1 f. HGB ist. Dazu zählen zwar Privatpersonen, aber auch Freiberufler und Kleingewerbetreibende, die nicht im Handelsregister eingetragen sind. Für mich ergibt sich daraus, dass nicht jeder
Nichtkaufmannautomatisch ein Verbraucher ist, da z. B. Freiberufler oder Kleingewerbetreibende auch Rechtsgeschäfte im beruflichen oder gewerblichen Kontext abschließen können, ohne dabei als Verbraucher zu gelten. Umgekehrt scheint es klar, dass jeder Verbraucher (§ 13 BGB) ein
Nichtkaufmannist, weil Verbraucher ausschließlich im privaten Bereich handeln und somit niemals Kaufmann im Sinne des HGB sein können. Ich hoffe, dass ihr euch nicht diese Frage gestellt habt, bzw. für euch das klar ist! Wenn nicht, gibt es diesen Beitrag hier!