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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Aufgrund eines Fehlers beim Registergericht wird nicht die Gewerbetreibende Tina M. im Handelsregister eingetragen, sondern ihre Tochter Lina M. Erst als sie beim Kauf eines Grundstücks vom Verkäufer auf ihre vermeintliche Kaufmannseigenschaft angesprochen wird, erlangt L davon Kenntnis und klärt die Situation auf.

Einordnung des Falls

Kaufmann kraft Rechtsschein

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Nichtkaufleute, die wie ein Kaufmann auftreten, sind unter Umständen wie ein Kaufmann zu behandeln.

Ja!

Wenn ein Nichtkaufmann durch sein Auftreten im Rechts- und Geschäftsverkehr den Anschein erweckt, Kaufmann zu sein, muss er sich gutgläubigen Dritten gegenüber als Kaufmann behandeln lassen (Lehre vom „Scheinkaufmann“). Voraussetzung ist, dass er (1) einen objektiven Rechtsschein der Kaufmannseigenschaft (2) zurechenbar gesetzt hat und ein Dritter in seinem (3) schutzwürdigen Vertrauen auf den Rechtsschein (4) Dispositionen getroffen hat.

2. Lina Müller ist Kaufmann kraft Eintragung im Handelsregister (§ 5 HGB).

Nein, das ist nicht der Fall!

Voraussetzung für die Kaufmannseigenschaft kraft Eintragung (§ 5 HGB) ist, dass ein Gewerbe mit seiner Firma im Handelsregister eingetragen ist. Für dieses wird unabhängig von seiner tatsächlichen Geschäftstätigkeit die Eigenschaft als Handelsgewerbe fingiert und der Gewerbetreibende ist Kaufmann (§ 5 HGB). L betreibt kein Gewerbe und kann deshalb trotz Eintragung im Handelsregister nicht Kaufmann sein.

3. Für den Grundstücksverkäufer besteht zunächst der Rechtsschein, L sei Kaufmann.

Ja, in der Tat!

Ein objektiver Rechtsschein für die Kaufmannseigenschaft wird durch Auftreten nach außen gesetzt, durch welches bei Dritten der Eindruck erweckt wird, der Handelnde sei Kaufmann. Dies kann durch ausdrückliche oder konkludente Erklärungen, die Verwendung kaufmännischer Rechtsinstitute (beispielsweise die Erteilung von Prokura, § 48 HGB) oder tatsächliches Verhalten erfolgen. L ist im Handelsregister als Kaufmann eingetragen. Hierdurch wird bei Personen, die Einsicht in das Handelsregister nehmen, der Eindruck erweckt, sie sei tatsächlich Kaufmann.

4. L hat den Rechtsschein, sie sei Kaufmann, zurechenbar erzeugt.

Nein!

Der Rechtsschein muss demjenigen zuzurechnen sein, der als Scheinkaufmann behandelt werden soll. Das ist der Fall, wenn er den Rechtsschein durch eigenes Verhalten veranlasst hat. Das Verhalten eines Dritten wird ihm zugerechnet, wenn er den durch diesen gesetzten Rechtsschein erkannt und trotzdem geduldet hat, oder wenn er die Entstehung des Rechtsscheins hätte erkennen und verhindern können. Der Rechtschein, L sei Kaufmann, wurde nicht von L selbst sondern aufgrund eines Fehlers beim Handelsregister erzeugt. L hatte keine Kenntnis von dem Fehler. Als sie auf ihn angesprochen wurde, klärt sie die Situation umgehend auf.

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Johannes Nebe

Johannes Nebe

15.12.2022, 18:15:34

Bei der zweiten Frage ist die Erklärung nicht sinnvoll. Erst wird erklärt, dass das Handelsgewerbe fingiert wird; dann heißt es, ohne Gewerbebetrieb könne man nicht Kaufmann sein. (Nebenfrage: Warum steht nach "Geschäftstätigkeit" ein Komma?)

Nora Mommsen

Nora Mommsen

16.12.2022, 14:40:46

Hallo Johannes Nebe, danke für deine Frage. Zu unterscheiden ist zwischen Gewerbe und Handelsgewerbe vor. Liegt ein Gewerbe vor, kann es durch Eintragung zum Handelsgewerbe werden, auch wenn nach Art und Umfang kein kaufmännischer Geschäftsbetrieb vorliegt und damit Handelsgewerbe gegeben ist vgl. § 1 Abs. 2 HGB. Liegt aber überhaupt kein Gewerbe vor - wie hier - dann kann dieses auch nicht fiktiv als Handelsgewerbe behandelt werden. Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team

Lord Denning

Lord Denning

29.5.2024, 10:07:11

Aber liegt nicht durch das Gewerbe der Mutter ein Gewerbe vor, sodass ein für die Eintragung notwendiges Gewerbe dann trotzdem vorliegt?

IA

Iris A

4.5.2023, 12:13:17

Liebes Jurafuchs-Team, ich frage mich gerade was denn jetzt bei einem Gewerbetreibenden passiert, der irrtümlich als Fiktiv-Kaufmann im Handelsregister eingetragen wurde. Muss der sich dann als Kaufmann behandeln lassen ggü. seinem Geschäftspartner, obwohl er nichts dafür kann eingetragen worden zu sein? Vielen Dank im Voraus!

Carl Wagner

Carl Wagner

5.5.2023, 18:15:22

Vielen Dank für deine Frage, Iris A! Hier müssen wir differenzieren, ob es sich um einen Gewerbetreibenden oder um eine sonstige Person (Privatperson, etc.) handelt. (1) Ein Kleingewerbetreibender, der versehentlich ins Register eingetragen wurde, muss sich als Kaufmann behandeln lassen, § 5 HGB. (Müller, JA 2021, 454, 459 unter E.) (2) Bei einer Privatperson greift § 5 HGB nicht, da diese sich darauf berufen kann, kein Gewerbe zu betreiben. Auch über § 15 III HGB ergibt sich nichts anderes: Grundsätzlich darf ein Dritter auf das Handelsregister vertrauen, wenn ihm die Unrichtigkeit nicht bekannt ist, gem. § 15 III HGB. Um den falsch Eingetragenen vor den höheren Anforderungen eines Kaufmanns zu schützen, wird das (ungeschriebene) Veranlassungsprinzip (hM) angewendet. Veranlasst hat grundsätzlich derjenige, der das Tätigwerden des Registergerichts eingeleitet hat. So werden Dritte vor fehlerhaften Eintragungen geschützt. (Hopt/Merkt, 42. Aufl. 2023, HGB § 15 Rn. 19; auf die mM eingehend: EBJS/Gehrlein, 4. Aufl. 2020, HGB § 15 Rn. 31-33). Viele Grüße - Carl für das Jurafuchs-Team

CR7

CR7

10.7.2023, 10:00:01

Hey, habt ihr in diesem Kapitel noch irgendwas zu den Rechtsfolgen der Scheinkaufmannseigenschaft? Ich frage mich nämlich, da auch ein Fall im Uni-Rep gerade läuft, wie es sich mit der Anwendung des § 377 HGB auf Scheinkaufleute verhält. Wenn ich einen Scheinkaufmann habe, der die Untersuchungs- und Rüge

obliegenheit

verletzt, kann ich den § 377 HGB bei Vorliegen der Voraussetzungen bejahen? Ich hätte gesagt (+), da es der Scheinkaufmann objektiv zurechenbar den Schein eines Kaufmanns gesetzt hat und der Dritte (nur der Dritte) darauf vertrauen durfte. Wie seht ihr das?

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

26.7.2023, 14:49:34

Hi rlxxss, die Fälle zur Handels- und Rüge

obliegenheit

werden wir demnächst noch ergänzen. Im Hinblick auf Deine Frage ist dem aber in der Tat zuzustimmen. Grds. bedarf es für die Rüge

obliegenheit

eines Handelskaufes, also müssen Käufer und Verkäufer Kaufleute sein. Durch die Rüge

obliegenheit

wird der Käufer aber letztlich belastet. Insoweit ist § 377 HGB auch dann anwendbar, wenn er sich bloß als Scheinkaufmann ausgibt, wobei es für die Begründung der Rüge

obliegenheit

umgekehrt nicht ausreichen soll, wenn der Vekäufer sich als Scheinkaufmann geriert (MüKoHGB/Grunewald, 5. Aufl. 2021, HGB § 377 Rn. 10). Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team


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