Zivilrecht
Bereicherungsrecht
Die Nichtleistungskondiktion
Analogie bei entgeltlicher, aber rechtsgrundloser Verfügung?
Analogie bei entgeltlicher, aber rechtsgrundloser Verfügung?
22. Mai 2025
18 Kommentare
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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
A leiht sich von B einen Habersack. Den Habersack verkauft und übereignet A direkt an D für €30 weiter. Bei Vertragsschluss täuscht A den D arglistig. Den Kaufvertrag ficht D später wirksam an (§ 123 Abs. 1 Alt. 1 BGB).
Diesen Fall lösen 68,8 % der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.
Einordnung des Falls
Analogie bei entgeltlicher, aber rechtsgrundloser Verfügung?
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Es liegt eine wirksame Verfügung eines Nichtberechtigten vor.
Genau, so ist das!
Jurastudium und Referendariat.
2. Die Verfügung war unentgeltlich (§ 816 Abs. 1 S. 2 BGB).
Nein, das trifft nicht zu!
3. Der unentgeltlichen Verfügung und der rechtsgrundlosen Verfügung liegt dieselbe Interessenlage zugrunde.
Nein!
4. § 816 Abs. 1 S. 2 BGB ist auf den Fall der rechtsgrundlosen Verfügung (analog) anzuwenden.
Nein, das ist nicht der Fall!
5. Der Berechtigte hat gegen den Nichtberechtigten einen Anspruch auf Herausgabe des Erlangten (§ 816 Abs. 1 S. 1 BGB).
Ja, in der Tat!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

timstöckler
28.5.2022, 19:26:15
In der Aufgabe steht zwar, dass nur der Kaufvertrag angefochten wurde, jedoch ist es regelmäßig so, dass bei einer Anfechtung nach 123 Abs. 1 Alt. 1 auch die dingliche Willenserklärung nichtig ist, oder?

Nora Mommsen
7.6.2022, 18:29:53
Hallo timstöckler, danke für deine Frage. Nach dem Abstraktionsprinzip sind Verpflichtungs- und
Verfügungsgeschäftgetrennt zu betrachten. Die Wirksamkeit des einen hat damit keine Folgen für das andere Geschäft. Bei
Fehleridentitätleiden beide Geschäfte an dem gleichen Mangel. Bei
§ 123 BGBwird die
Fehleridentitätangenommen, wenn der durch die
Täuschungverursachte Irrtum beziehungsweise die durch
Drohungbewirkte Zwangslage noch andauert. Ob das
Verfügungsgeschäftjedoch anfechtbar ist, ist für die Fälle des § 119 BGB umstritten, in den Fällen des
§ 123 BGBweitestgehend übereinstimmend bejaht bei Vorliegen von
Fehleridentität. Damit kann auch das
Verfügungsgeschäftnichtig sein. Ein Automatismus ist dies aber keineswegs, vielmehr bleibt es bei der Unabhängigkeit der Wirksamkeit beider Geschäfte. Das
Verfügungsgeschäftmuss gesondert angefochten werden. Mitunter ist dies
konkludenterfolgt oder kann entsprechend ausgelegt werden gem.
§§ 133, 157 BGB. Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team
Raphaeljura
14.9.2023, 23:02:48
Das Konstrukt der Kondiktion aus Kondiktion ist ja mal richtig cool! Toll aufbereitet
Diaa
15.10.2023, 07:21:17
"Nichtberechtigter und Erwerber haben jeweils einen Anspruch auf Herausgabe des Erlangten nach $ 812 Abs. 1 8. 1Alt. 1BCB" Gegen wen hat der Erwerber einen Anspruch? Oder der Nichtberechtigte? Bei der dritten oder vierten Frage fehlt das Wort analog...
D34
3.11.2023, 11:50:21
Der Erwerber müsste gegen den Nichtberechtigten einen Anspruch auf Rückgewährung des Eigentums und Besitzes am
Geldhaben. Das hatte der Nichtberechtigte ja für durch Leistung des Erwerbers erlangt und der Rechtsgrund ist durch die Anfechtung entfallen.

Irina95
15.2.2024, 07:40:15
Kann mir das nochmal jemand erklären, was genau mit Kondition der Kondition gemeint ist?
Bioshock Energy
18.3.2024, 10:18:27
Das bedeutet einfach nur das in der vorliegenden Fallkonstellation der Berechtigte den
bereicherungsrechtlichen Anspruch des Nichtberechtigten gegen den Erwerber (§ 812 I S. 1 Alt. 1), den der Nichtberechtigte ja durch das
Rechtsverhältnismit dem Erwerber erlangt hat, kondizieren also herausverlangen kann. Er kondiziert (=verlangt) also den Kondiktionsanspruch (=Herausgabeanspruch) des Nichtberechtigten gem. § 816 I S. 1. Dies geschieht durch Abtretung, da Forderungen ja nicht klassisch übergeben werden können. Ich hoffe das war einigermaßen verständlich. Liebe grüße.
Vanilla Latte
21.7.2024, 03:14:05
Wie würde das dieLiteratur prüfen, die die Kondiktion derKondiktion ablehnt?

FW
14.11.2024, 13:50:25
Hi, wenn jetzt aufgrund der Anfechtung die wechselseitig erlangten
bereicherungsrechtlichen Ansprüche bereits erfüllt wären - mithin der Erwerber seine 30€ wieder erlangt hat - dann wäre die Verfügung ja im Endeffekt wieder unentgeltlich erfolgt und somit könnte dem Eigentümer ein Anspruch direkt aus § 816 I 2 BGB zustehen, oder?

FW
14.11.2024, 13:52:10
Hi, Welche Ansprüche würden bestehen, wenn die
bereicherungsrechtlichen Ansprüche aufgrund der Anfechtung bereits erfüllt wären?

Major Tom(as)
21.11.2024, 09:32:38
Ich gebe einfach mal meine Einschätzung ab, bevor Jurafuchs sich meldet, hatte das Thema erst letztens in einer Hausarbeit: Das kann man so leicht nicht beantworten. Es käme hier nämlich bzgl. der
Übereignungder Leihsache zur Fallgruppe des sog "
Rückerwerb des Nichtberechtigten". Dabei ist stark umstritten, ob und wenn ja, wie, der ursprüngliche Eigentümer bei einem "Innen
verkehrsgeschäft" wie hier (Rückerwerb erfolgt im direkten Zusammenhang zur gutgläubigen Veräußerung) "automatisch" Eigentum erwirbt. Dabei wird zB ein
Geschäft für den den es angehtangenommen/ dass der Käufer ohnehin "an den ursprünglichen Eigentümer zurückübereignen wollte" u.v.m oder aber auch, dass es eben nicht möglich ist. Also könnte man entweder annehmen, dass der Ursprungseigentümer ohnehin Eigentum hat...

Major Tom(as)
21.11.2024, 09:38:28
Oder Wenn man annimmt, der Nichtberechtigte erwirbt Eigentum (Dieser Kommentar ist anders als das oben, was ich verlässlich weiß, meine persönliche Vermutung, gerne checken @[Jurafuchs](137809)) dann kann die Sache 1) aus dem Leihvertrag zurückgefordert werden (jdf der Besitz, es könnte allerdings mit § 242
dolo agitwegen §985 problematisch sein) und 2)
bereicherungsrechtlich für Eigentum und Besitz käme mE entweder § 812 I 1 Alt. 2 infrage (Ausnahme vom
Vorrang der Leistungskondiktionmangels Schutzwürdigkeit) oder §
816 II
Esther
15.2.2025, 13:10:53
Wieso wird §
988 BGB analogfür den rechtsgrundlosen Erwerb angewandt (mit der Argumentation, dass es eine vergleichbare Interessenlage ist) und dann hier abgelehnt - mit der gleichen Argumentation, nur andersrum? Ist das nicht widersprüchlich?

David
28.4.2025, 12:36:27
Hallo, warum wurde vorliegend nicht angenommen, dass die Verfügung des A an D aufgrund der arglistigen
Täuschungdes A (§ 123 Abs. 1 Alt. 1 BGB) sowie der darauffolgenden Anfechtung durch D in Anbetracht der
Fehleridentitätebenfalls unwirksam war? Oder kam es hierbei nicht darauf an, da der Berechtigte auch im hiesigen Fall durch die Geltendmachung seines Anspruchs aus § 816 Abs. 1 S. 1 BGB die Verfügung ohnehin
konkludentgenehmigt hat? Vielen Dank im Voraus!