Öffentliches Recht
Grundrechte
Glaubens- und Weltanschauungsfreiheit (Art. 4 GG)
Religiöse Erziehung I (Eingriff)
Religiöse Erziehung I (Eingriff)
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Mutter M erzieht ihren 13-jährigen Sohn S streng katholisch und besucht mit ihm täglich die Messe in K-Stadt. Der überzeugt atheistische Bürgermeister B meint, eine solch weitgehende Indoktrinierung von Kindern sei dringend zu unterbinden. Kurzerhand verbietet er den Messebesuch von unter 14-Jährigen in K-Stadt.
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Einordnung des Falls
Religiöse Erziehung I (Eingriff)
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Durch das Messeverbot des B für unter 14-Jährige wird S in seiner Religionsfreiheit (Art. 4 Abs. 1 und 2 GG) beschränkt.
Ja!
Jurastudium und Referendariat.
2. Als dessen Erziehungsberechtigte ist M Trägerin des Grundrechts der Religionsfreiheit ihres Sohnes S.
Nein, das ist nicht der Fall!
3. Durch das Verbot des B ist Mutter M an der Ausübung ihrer eigenen Religionsfreiheit (Art. 4 Abs. 1 und 2 GG) gehindert, da diese auch die Freiheit der Eltern umfasst, ihr Kind religiös zu erziehen.
Ja, in der Tat!
4. Neben ihrer Religionsfreiheit (Art. 4 Abs. 1 und 2 GG) beschränkt das Verbot des B die M darüber hinaus in ihrem elterlichen Erziehungsrecht (Art. 6 Abs. 2 GG).
Ja!
5. S hat aufgrund seiner Minderjährigkeit gar kein Mitspracherecht im Hinblick auf seine religiöse Erziehung.
Nein, das ist nicht der Fall!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
QuiGonTim
18.10.2024, 12:32:25
Ist es nicht so, dass die Regelungen des KErzG als einfachgesetzliche Normen im verfassungsrechtlichen Rahmen allenfalls eine Indizwirkung haben, sodass bei Darlegung einer entsprechenden geistigen Reife die Religionsmündigkeit auch bei Kindern bejaht werden kann, die das 14. Lebensjahr noch nicht vollendet haben?
David S.
5.11.2024, 10:07:34
Ja genau, § 5 RelKErzG stellt nur eine Grundregel dar, von der im
Einzelfallabgewichen werden darf und ggf. sogar muss, wenn z.B. wenn ein jüngeres Kind bereits die volle Einsichtsfähigkeit im Hinblick auf seinen Glauben hat.
Sebastian Schmitt
24.11.2024, 14:21:07
Hallo @[QuiGonTim](133054), allgemein kommt es in rechtlicher Hinsicht
tatsächlich auf die
Grundrechtsmündigkeitan, die auf die individuelle Einsichtsfähigkeit abstellt und sich schon deshalb eigtl nicht an starren Altersgrenzen orientieren kann (so auch BeckOK-GG/Germann, 59. Ed, Stand 15.9.2024, Art 4 Rn 27). Soweit ersichtlich werden die starren Altersgrenzen des § 5 KErzG aber dennoch weitestgehend akzeptiert (so zB von Sachs/Kokott, GG, 10. Aufl 2024, Art 4 Rn 9; Jarass/Pieroth/Jarass, GG, 18. Aufl 2024, Art 19 Rn 17), ohne dass das näher begründet wird. BeckOK-GG/Germann, 59. Ed, Stand 15.9.2024, Art 4 Rn 27 spricht von einer "verfassungskonforme[n] Ausgestaltung" - und
tatsächlich hat das BVerfG § 5 KErzG nicht beanstandet (BVerfGE 30, 415, 424 f). In der Praxis weiß man den Vorteil einer pragmatischen und einfach zu handhabenden Regelung vermutlich zu schätzen, zumal im Hintergrund das elterliche Pflege- und Erziehungsrecht der Eltern aus Art 6 II 1 GG das Spannungsfeld zusätzlich verkompliziert (dazu näher Jarass/Pieroth/Jarass, GG, 18. Aufl 2024, Art 19 Rn 17). Ob vor diesem Hintergrund die Möglichkeit besteht, iRd § 5 KErzG für Fragen der Religionsfreiheit schon eine frühere geistige Reife nachzuweisen, dürfte zumindest nicht offensichtlich sein. Die einschlägigen Kommentierungen sagen jedenfalls nichts dazu, dass eine solche Möglichkeit überhaupt besteht (zB MüKoBGB/Huber, 9. Aufl 2024, § 5 RelKErzG). Jedenfalls würden an einen entsprechenden Nachweis in der Praxis wohl hohe Anforderungen gestellt werden. Viele Grüße, Sebastian - für das Jurafuchs-Team