Zivilrecht

Examensrelevante Rechtsprechung ZR

Entscheidungen von 2018

Sittenwidrigkeit einer Arbeitnehmerbürgschaft

Sittenwidrigkeit einer Arbeitnehmerbürgschaft

21. November 2024

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

G möchte sein Geschäft ausbauen und benötigt dazu ein Darlehen. Die B-Bank ist bereit, G ein Darlehen über €150.000 zu geben, aber nur, wenn eine „bonitäre Person“ bürgt. G überredet seinen leitenden Angestellten A dazu. G geht später insolvent. B nimmt A in Anspruch.

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Einordnung des Falls

Sittenwidrigkeit einer Arbeitnehmerbürgschaft

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Eine wirksame Bürgschaft des A setzt voraus, dass G und B ihre Willenserklärungen (gerichtet auf Abschluss des Darlehensvertrags) in Schriftform abgegeben haben (§ 766 BGB).

Nein, das ist nicht der Fall!

§ 766 BGB schreibt die Schriftform (§ 126 BGB) nur für die Bürgschaftserklärung, also die Willenserklärung des Bürgen (hier: A) vor. Die Willenserklärung des Vertragspartners bedarf keiner speziellen Form! Wenn es sich für den Bürgen um ein Handelsgeschäft (§ 343 HGB) handelt, bedarf auch die Willenserklärung des Bürgen ausnahmsweise keiner Form (§ 350 HGB).
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2. Arbeitnehmerbürgschaften sind immer dann sittenwidrig, wenn dem Arbeitnehmer keine wirtschaftliche Gegenleistung für die Übernahme des Risikos zufließt.

Nein, das trifft nicht zu!

BGH: In Anlehnung an die Angehörigenbürgschaft setze die Sittenwidrigkeit zumindest die krasse finanzielle Überforderung des Bürgen voraus. Allein die Übernahme der Bürgschaft ohne Vergütung führe nicht zur Sittenwidrigkeit. Die Übernahme von Bürgschaften ohne Gegenleistung sei häufig anzutreffen und könne für manche Arbeitnehmer, etwa leitende Angestellte, wirtschaftlich sinnvoll sein (RdNr. 18).Ob die zugrundeliegende arbeitsvertragliche Vergütungsregelung zwischen G und A gegen die guten Sitten verstößt, weil A für seine Leistung keine Gegenleistung erhält, ist nach dem Grundsatz der Relativität der Schuldverhältnisse unerheblich für den Bürgschaftsvertrag zwischen B und A (Sprau, in: Palandt, 79. A. Einf. v. § 765 RdNr. 5).

3. Die Vermutung, dass die Bürgschaft sittenwidrig ist (§ 138 Abs. 1 BGB), muss auch für die Fälle gelten, in der der Arbeitgeber den Arbeitnehmer um die Bürgschaft bittet und der Arbeitnehmer durch die Bürgschaft finanziell krass überfordert ist.

Nein!

BGH: Anders als bei Angehörigenbürgschaften gelte keine Vermutung, dass Arbeitnehmerbürgschaften sittenwidrig sind. Dies wäre nur dann der Fall, wenn (1) der Arbeitnehmer sich in einer wirtschaftlichen Notlage befindet und nur aus Angst um seinen Arbeitsplatz bürgt, und (2) finanziell krass überfordert ist durch die Bürgschaft.Zu 1): Dies sei ggf. in Zeiten hoher Arbeitslosigkeit anzunehmen. Dann sei auch für den Bürgschaftsgläubiger erkennbar, dass der Arbeitnehmer allein aus wirtschaftlicher Not bürge (RdNr. 11f.). Hier gibt es keine Anhaltspunkte dafür, dass A in einer wirtschaftlichen Notlage ist bzw. durch die Bürgschaft finanziell krass überfordert wäre.

4. Wenn der Bürge mit dem Hauptschuldner familiär verbunden ist und ihn die Bürgschaft finanziell krass überfordert, gilt die Vermutung, dass die Bürgschaft sittenwidrig ist (§ 138 Abs. 1 BGB).

Genau, so ist das!

BGH: Ein Rechtsgeschäft ist sittenwidrig (§ 138 Abs. 1 BGB), wenn es nach seinem Gesamtcharakter (Inhalt, Beweggrund und Zweck) mit den grundlegenden Wertungen der Rechts- und Sittenordnung nicht zu vereinbaren ist (RdNr. 10). Bei Bürgschaften gilt die (widerlegliche Vermutung), dass der Bürge die Bürgschaft allein aus emotionaler Verbundenheit übernommen hat, wenn (1) der Bürge naher Angehöriger ist, und (2) durch die Bürgschaft finanziell krass überfordert ist, d.h. voraussichtlich nicht einmal die laufenden Zinsen der Hauptschuld aufbringen kann (Ellenberger, in: Palandt, 78. A. § 138 RdNr. 38ff.). Die Bürgschaft ist dann sittenwidrig.
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