Anwendbarkeit der §§ 985 ff. analog
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
K erwirbt von V Eigentum an einem Hausgrundstück. V behält ein Wiederkaufsrecht für den Fall des Weiterverkaufes durch K. Der Anspruch wird durch eine Vormerkung gesichert. K veräußert das Hausgrundstück an G, was auch ins Grundbuch eingetragen wird. Daraufhin macht V von ihrem Wiederkaufsrecht Gebrauch und verlangt von K Rückauflassung. Obwohl G davon weiß, lässt er für €500 den intakten Gartenzaun grün streichen, wodurch dieser an Wert gewinnt.
Diesen Fall lösen [...Wird geladen] der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.
Einordnung des Falls
Anwendbarkeit der §§ 985 ff. analog
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 9 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. G hat Eigentum an dem Grundstück erworben.
Ja!
Jurastudium und Referendariat.
2. V kann von K Rückauflassung des Grundstücks verlangen.
Genau, so ist das!
3. Für das Streichen des Zaunes kommen grundsätzlich Ansprüche des G gegen V nach dem Eigentümer-Besitzer-Verhältnis in Betracht.
Ja, in der Tat!
4. Die Regelungen aus dem Eigentümer-Besitzer-Verhältnis sind unmittelbar anwendbar.
Nein, das ist nicht der Fall!
5. Die Regelungen aus dem Eigentümer-Besitzer-Verhältnis sind analog anwendbar.
Ja, in der Tat!
6. G kann von V Ersatz der Streichkosten von €500 verlangen, wenn die Voraussetzungen der Verwendungsersatzansprüche analog § 994ff. vorliegen.
Ja!
7. Die Kosten für das Streichen des Zaunes stellen notwendige Verwendungen im Sinne von § 994 Abs. 1 S. 1 BGB dar.
Nein, das ist nicht der Fall!
8. Die Kosten für das Streichen des Zaunes stellen nach Ansicht des BGH nützliche Verwendungen im Sinne von § 996 BGB dar.
Ja, in der Tat!
9. G kann von V Ersatz der Streichkosten von €500 aus § 996 BGB analog fordern.
Nein!
Jurafuchs ist eine Lern-Plattform für die Vorbereitung auf das 1. und 2. Juristische Staatsexamen. Mit 15.000 begeisterten Nutzern und 50.000+ interaktiven Aufgaben sind wir die #1 Lern-App für Juristische Bildung. Teste unsere App kostenlos für 7 Tage. Für Abonnements über unsere Website gilt eine 20-tägige Geld-Zurück-Garantie - no questions asked!
Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Ira
13.8.2021, 11:07:06
Ira
13.8.2021, 11:07:34
ich meinten V gg K
Ferdinand
13.8.2021, 11:37:39
§ 456 BGB regelt den Wiederkauf, aus dem sich hier der schuldrechtliche Anspruch auf
Rückübereignungergibt.
Ira
14.8.2021, 11:19:12
toll, danke!!
Julia Maxi
3.4.2022, 15:21:22
Wieso kann denn V von K Rückauflassung verlangen, wenn nicht mehr K sondern G zu dem Zeitpunkt Eigentümer ist? LG Julia
Lukas_Mengestu
4.4.2022, 16:42:05
Hallo Julia, vielen Dank für die gute Frage. Die Sicherungswirkung der
Vormerkungist in der
Tatetwas tricky! Hier hilft der Vergleich, wie die rechtliche Lage mit und ohne
Vormerkungaussieht. Ohne
Vormerkunghätte K durch die
Übereignungan G die
Verfügungsbefugnisüber das Grundstück verloren. Dem Anspruch des V auf
Übereignungdes Grundstücks hätte K deshalb den Einwand der
Unmöglichkeitentgegenhalten können (§ 275 Abs. 1 BGB). Dann wären allein Schadensersatzansprüche in Betracht gekommen. Die
Vormerkungbewirkt nun aber, dass die Eigentumsübertragung an G im Verhältnis V-K relativ unwirksam ist. In diesem Verhältnis hat K also weiterhin die notwendige
Verfügungsbefugnisüber das Grundstück und kann insoweit die Auflassung erklären. Trotz der Zwischenverfügung kann V von K deshalb weiterhin die Rückauflassung verlangen. Eine Besonderheit besteht lediglich im Hinblick auf die Eintragung in das Grundbuch. Hier gilt das sogenannte "formelle Konsensprinzip", d.h. eine Rechtsänderung kann nur aufgrund der Bewilligung des betroffenen Rechtsinhabers erfolgen (§§ 19, 39 GBO). Der eingetragene Rechtsinhaber ist allerdings G. Diesem gegenüber steht V deshalb ein Hilfsanspruch aus § 888 Abs. 1 BGB auf Zustimmung zur Eintragung ins Grundbuch zu (zur Wirkung der
Vormerkungauch Kohler, in: MüKo-BGB, 8.A. 2020, § 883 RdNr. 50). Ich hoffe, so wird es nun etwas klarer :-) Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
StellaChiara
2.10.2023, 16:42:04
aber ist es richtig, dass zwar ein
gutgläubiger erwerbdes G nach
892 bgbin frage gekommen wäre, die
vormerkungaber im GB eingetragen war und der
gutgläubiger erwerbdes G damit ausgeschlossen war?
Blotgrim
15.4.2024, 09:03:54
Dazu gibt der Sachverhalt nicht so wirklich Infos. Aber da die
Vormerkungvor Erwerb des G eingetragen war ist der gutgläubige Erwerb in jedem Fall ausgeschlossen
besinha
28.4.2024, 22:00:04
@[Blotgrim](167544) ist der gutgläubige Erwerb nicht erst ausgeschlossen wenn positive Kenntnis über die Eintragung der
Vormerkungbesteht? Oder ist es bei der
Vormerkungso, dass ab der Eintragung der
Vormerkungtrotz fehlender positiver Kenntnis kein
gutgläubiger Erwerbmehr erfolgen kann?
Vojtech
14.6.2022, 14:02:55
Ist die Lösung an die Lösung des BGH angelehnt? Denn ich würde bei der “Nützlichkeit” der Verwendungen im Hinblick auf den Zweck der Norm auch auf die Ansichten verweisen (und diesen auch folgen), die auf die Sicht des “Eigentümers” abstellen (subjektiver Maßstab) … Man kann den Streit aber auch erst iRd. §
818 IIIaufmachen.
Nora Mommsen
15.6.2022, 21:22:06
Hallo Vojtech, wir haben die Frage präzisiert und einen Vertiefungshinweis eingefügt, der auf die von dir angesprochene subjektive Ansicht verweist. Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team
paul
27.5.2023, 22:10:02
Gibts nicht noch auch die
Vorwirkung der vormerkungPilea
19.10.2023, 07:49:35
Ich finde die dritte Frage nicht ganz richtig gestellt. Grundsätzlich kommen doch die EBV-Ansprüche gerade nicht in Betracht - eben nur im Ausnahmefall der Analogie.
Lukas_Mengestu
19.10.2023, 13:23:03
Hallo Pilea, vielen Dank für das Feedback. Grundsätzlich sind im Gutachten auch Anspruchsgrundlagen anzusprechen (und kommen damit in Betracht), die im Ergebnis abgelehnt werden. Denn der Bearbeitervermerk verlangt dabei regelmäßig eine umfassende Prüfung aller aufgeworfenen Rechtsfragen. Bevor Du zur Analogie kommst, musst Du insofern zunächst die direkte Anwendbarkeit ablehnen. Was noch "in Betracht" kommt, ist letztlich natürlich auch ein wenig von den Korrektor:innen abhängig. Die Prüfung entfernt liegender Ansprüche kostet Dich vor allem Zeit und kann Dir den Vorwurf mangelnder Schwerpunktsetzung einhandeln. Im Hinblick auf die direkte Anwendung der EBV-Ansprüche würde sich aber empfehlen, diese zumindest kurz "abzubügeln", um dann auf die Analogie einzugehen. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
Pilea
19.10.2023, 16:13:56
Danke für die Antwort, da hab ich dann die Frage nicht richtig verstanden. Das "grundsätzlich" in der Fragestellung hat mich verwirrt, wenn man die Analogie schon im Kopf hat.
Raphaeljura
5.1.2024, 07:42:36
Ist eine Bösgläubigkeit nicht automatisch indiziert dadurch, dass eine
Vormerkungbzg. des Wiederkaufs eingetragen ist`?
Edward Hopper
1.2.2024, 15:25:22
Nein, es kommt auf das wissen des betroffenen an.
HockHex
28.10.2024, 12:48:57
@[Edward Hopper](174080) Aus meiner Sicht kommt es auf Kennen oder Kennenmüssen an oder nicht? § 994 II verweist auf § 990, § 990 I S1 auf Gutgläubigkeit; die ist nach
§ 932II nicht mehr gegeben, wenn Kenntnis oder Unkenntnis infolge grober Fahrlässigkeit besteht. Weil die
Vormerkungja im GB eingetragen ist, wird dann - wenn nicht Kenntnis - in aller Regel
grob fahrlässige Unkenntnisvorliegen (vgl. auch Wellenhofer, 39. Auflage, § 18 Rn. 32 a.E.). Insofern ist die Wortwahl von @[Raphaeljura](207944) vielleicht etwas unglücklich, weil die Bösgläubigkeit nicht "automatisch indiziert" ist, aber eben idR wegen des GB-Eintrags doch vorliegt.
Blotgrim
2.11.2024, 09:07:37
Ich finde die Argumen
tation von @[HockHex](261320) Recht schlüssig. Wäre super wenn, dass jemand aus dem Jurafuchs-Team beantworten könnte
Sebastian Schmitt
6.12.2024, 11:13:44
Hallo @[Raphaeljura](207944), keine leichte Frage! IE wird man in unserem Fall wohl ohnehin Bösgläubigkeit annehmen müssen, fraglich ist nur die Begründung dafür. Die Lösung von @[HockHex](261320) dürfte vertretbar sein, idealerweise würde man das Ganze noch mit ein paar Differenzierungen und Wertungsfragen anfüttern, wenn das einer der Kern-Schwerpunkte ist. Nach der hM bleibt es zunächst auch bei unbeweglichen Sachen beim Maßstab des
§ 932II BGB, also Kenntnis und
grob fahrlässige Unkenntnis(MüKoBGB/Raff, 9. Aufl 2023, § 990 Rn 3 mwN). Genauer eingehen sollten wir allerdings auf den Bezugspunkt: IRv § 990 I BGB geht es allein um das eigene Besitzrecht. Das bringt uns auch zur Auffassung des BGH, die unserem Fall zugrunde liegt und die ich für durchaus plausibel halte. Er nimmt Bösgläubigkeit grds erst dann an, wenn der Besitzer in unseren Fall Kenntnis von der Ausübung (!) des eingetragenen WiderkaufsR hat. Eine bloß eingetragene Auflassungs
vormerkungfür das WiederkaufsR soll dafür nicht reichen. Unser Besitzer hat ja zunächst unzweifelhaft ein Recht zum Besitz (RzB), kann also insoweit gar nicht bösgläubig sein. Möglicherweise behält er dieses RzB sogar dauerhaft, falls das WiederkaufsR (aus welchen Gründen auch immer) gar nicht ausgeübt wird (zum Ganzen BGH NJW 1980, 833, 835). In bestimmten Fällen wird man von dem Besitzer sicher Nachforschungen dahingehend verlangen können, wie wahrscheinlich es ist, dass dieses Recht ausgeübt wird - und ihm dann, wenn er diese Nachforschungen nicht anstellt, evtl dennoch grobe Fahrlässigkeit vorwerfen können. Dazu bräuchten wir aber besondere Anhaltspunkte in der Sachverhaltsdarstellung, die wir in unserem Fall nicht haben. Viele Grüße, Sebastian - für das Jurafuchs-Team
HockHex
6.12.2024, 19:02:14
Danke @[Sebastian Schmitt](263562), das ist aufschlussreich!
nmew
16.11.2024, 16:25:16
aus welchen §§ folgt denn der Anspruch des
Vormerkunginhabers V gegen den K auf Rückauflassung? 888 regelt ja den Anspruch des V gegen den
vormerkungswidrigen Eigentümer. aber welcher Anspruch genau ist der auf Rückauflassung? ist das einfach 433 I?
C
21.11.2024, 13:10:28
ja, genau, § 433 I 1 BGB. Hier ist ja die Frage, ob der
Übereignungsanspruch auf dem Kaufvertrag unmöglich geworden ist und deshalb erloschen. Antwort: Nein, denn die Verfügung ist relativ unwirksam, vgl. § 833 II BGB. Der
Bucheigentümermuss aber nach § 19 GBO zustimmen, um die Eigentumsübertragung im Grundbuch überhaupt zu ermöglichen. Dies kann dann der
Vormerkungsberechtigte über
§ 888 BGBerreichen.
nmew
16.11.2024, 16:39:27
was wird aus dem Kaufpreis, den G gezahlt hat, wenn schließlich v wieder Eigentümer wird? wie bekommt g den Kaufpreis zurück?