Strafrecht
Examensrelevante Rechtsprechung SR
Entscheidungen von 2020
Pflichtlektüre vorm Examen: EC-Karten-Fälle. Strafbarkeit bei Zahlung im NFC-Verfahren
Pflichtlektüre vorm Examen: EC-Karten-Fälle. Strafbarkeit bei Zahlung im NFC-Verfahren
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
A findet die EC-Karte des B von der S-Bank. Im Supermarkt tätigt er einen Einkauf in Höhe von €20, da er weiß, dass für Beträge unter €30 mit der S-EC-Karte das NFC-Verfahren genutzt wird und weder ein PIN eingegeben noch unterschrieben werden muss. Die Karte muss lediglich vorgehalten werden.
Diesen Fall lösen [...Wird geladen] der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.
Einordnung des Falls
In der sehr examens- und klausurrelevanten Konstellation der EC-Karten-Fälle hatte der Täter mit einer EC-Karte eines anderen kontaktlos ohne PIN-gezahlt (NFC-Verfahren). Neben Betrug und Urkundenunterdrücken ist hier auch an den Computerbetrug und den Scheck- und Kreditkartenmissbrauch zu denken. In dieser Fallkonstellation kannst Du besonders durch klar strukturiertes Vorgehen punkten.
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 6 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Setzt der Betrug voraus, dass ein anderer aufgrund eines durch Täuschung des Täters bedingten Irrtums eine Vermögensverfügung vornimmt, die zu einem Vermögensschaden führt (§ 263 Abs. 1 StGB)?
Ja, in der Tat!
Jurastudium und Referendariat.
2. Hat A durch Verwenden der EC-Karte das Kassenpersonal konkludent darüber getäuscht, dass er zur Nutzung berechtigt ist und einen dementsprechenden Irrtum erregt?
Nein!
3. Kann der Tatbestand des Computerbetrugs durch unbefugtes Verwenden von Daten erfüllt werden (§ 263a StGB)?
Genau, so ist das!
4. Hat A durch den Einsatz der EC-Karte unbefugt Daten verwendet und dadurch das Vermögen eines anderen beschädigt (§ 263a Abs. 1 StGB)?
Nein, das trifft nicht zu!
5. Wird wegen Urkundenunterdrückung bestraft, wer beweiserhebliche Daten, über die er nicht verfügen darf, in der Absicht einem anderen einen Nachteil zuzufügen löscht bzw. verändert (§ 274 Abs. 1 Nr. 2 StGB)?
Ja!
6. Hat A durch den Einsatz der Karte beweiserhebliche Daten, über die er nicht verfügen durfte, in der Absicht einem anderen einen Nachteil zuzufügen gelöscht bzw. verändert (§ 274 Abs. 1 Nr. 2 StGB)?
Genau, so ist das!
Fundstellen
Prüfungsschema
Wie prüfst Du den <b>Tatbestand</b> des Computerbetrugs (§ 263a Abs. 1 StGB)?
- Objektiver Tatbestand
- Tathandlung
- Unrichtige Programmgestaltung
- Verwendung unrichtiger oder unvollständiger Daten
- Unbefugte Verwendung von Daten
- Unbefugte Einwirkung auf den Ablauf
- Beeinflussung des Ergebnisses eines Datenverarbeitungsvorgangs (Zwischenerfolg)
- Vermögensschaden
- Tathandlung
- Subjektiver Tatbestand
- Vorsatz
- Absicht, sich oder einen Dritten rechtswidrig zu bereichern
Wie prüfst Du den objektiven Tatbestand des Betrugs (§ 263 Abs. 1 StGB)?
- Täuschung über Tatsachen
- Irrtum (kausal durch Täuschung)
- Vermögensverfügung (kausal durch Irrtum)
- Vermögensschaden oder Vermögensgefährdung (kausal durch Vermögensverfügung)
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Mirko
3.12.2020, 15:09:50
Wer nicht weiß, wie das NFC-Verfahren im Zahlvorgang in den einzelnen Schritten funktioniert, ist bei der Hälfte der Fragen aufgeschmissen.
Eigentum verpflichtet 🏔️
6.12.2020, 18:48:36
Hey Mirko, welche Info fehlt dir denn im Sachverhalt?
GingerCharme
17.12.2020, 15:57:46
Ich glaube was gemeint war, oder womit ich zumindest auch meine Probleme hatte, ist die aller letzte Frage. Im Nachhinein erscheint es zwar logisch, dass im NFC-Verfahren eine Überschreibung der alten Daten durch neue geschieht, bei jeder Nutzung der Karte - wenn man diese Tatsache jedoch nicht vor Augen hat bzw. gar nicht weiß, dann neigt man dazu streng zu subsumieren unter die Definition die man bei der Antwort zuvor las und dann werden mMn theoretisch, weder Daten gelöscht, noch verändert. Denke aber die Fragen sind richtig gestellt: a) erhöht das den Merkeffekt und b) ist das ja denke ich gerade der Twist, würde dieser vorweggenommen wäre die Frage sehr viel gehaltloser.
Odai Turky
5.9.2024, 15:55:43
NUEOENKSPWKWKWJEOWJ
lucylawless
11.3.2021, 16:02:00
Kam heute im Zweiten in Berlin ✌️
Lukas_Mengestu
11.3.2021, 16:21:28
Super, danke für den Hinweis! 👍
lucylawless
11.3.2021, 17:40:49
Lukas_Mengestu
11.3.2021, 17:43:58
Das freut uns natürlich besonders 😊
- tsch
29.9.2021, 14:22:06
Hallo:) ich dachte das Vorhalten der Karte ohne Pineingabe wäre gerade kein Vorgang des garantieren Zahlungsverkehrs, weil die Überweisung ‚platzen‘ kann. Erst durch die Eingabe des PINs garantiert die Bank, dass die Deckung erfolgt - ist das im NFC Verfahren anders (ich weiß nicht wirklich, was das ist)? :D und ich hatte im Rep gelernt, dass eine fehlende Berechtigung nach der betrugsspezifischen Ansicht bestehen würde, wenn die Karte jedenfalls manipuliert, gefälscht oder durch
verbotene Eigenmachterlangt worden ist - ist das eine von der Rspr abweichende Meinung oder wie kann man das einordnen? Viele Dank für die Fallaufarbeitung und liebe Grüße :)
Lukas_Mengestu
8.10.2021, 18:06:53
Hallo tschali, im Kern handelt es sich hierbei in all diesen Fällen um verschiedenen Formen von Lastschriftverfahren, bei denen der Händler berechtigt wird von Deinem Konto den entsprechenden Betrag einzuziehen. Man unterscheidet u.a. zwischen dem sogenannten Point-of-Sales Verfahren (POS), bei dem sich der Kartenaussteller gegenüber dem Händler verpflichtet den Rechnungsbtrag zu begleichen, und dem elektronischen Lastschriftverfahren (ELV), bei dem eine solche Garantie gerade nicht abgegeben wurde. Wenn Du im Supermarkt mit der EC-Karte bezahlst, kannst Du den Unterschied selbst erleben. Hast Du einen PIN eingegeben, so galt die Garantie des Kartenausstellers. Hast Du dagegen lediglich unterschrieben, so besteht keine Garantie seitens des Instituts und die Lastschrift kann platzen. Durch die technische Entwicklung bieten viele Banken und andere Anbieter (google/apple pay...) nun zudem die Möglichkeit des kontaktlosen Zahlens an. Dies funktioniert über die sog. NFC-Funktion (near field communication) der Smartphones. Obwohl hier keine PIN abgefragt wird, geben die Anbieter dennoch eine Einlösungsgarantie, weswegen das kontaktlose Zahlen dem POS-System zuzuordnen ist. Allerdings ist die Möglichkeit des kontaktlosen Zahlen auf ein bestimmtes Limit begrenzt. Kann es sein, dass sich Deine zweite Frage auf die Verwendung der EC Karte am Geldautomaten bezieht und auf die Frage, ob das Abheben mit einer gefälschten Karte eine "unbefugte" Datenverwendung iSv § 263a Abs. 1 StGB darstellt? Denn insoweit hat der BGH genau den Maßstab verwendet, den Du hier skizziert hast (vgl. BGHSt 38, 120 bzw. BGHSt 47, 160). Beim Geldabheben wird die Berechtigung aber durch die PIN-Abfrage überprüft. Insoweit unterscheiden sich die Fälle von dem kontaktlosen Bezahlen. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
Kate
27.11.2021, 10:28:52
Kam gestern als erster Tatkomplex im 1. Staatsexamen NRW.
I-m-possible
23.7.2022, 18:29:10
Die
Nachteilszufügungsabsichtscheint hier m.E nach nicht überzeugend. A kommt es in erster Linie nur auf die Erlangung der Waren an. Dass dem B ein Nachteil dadurch zugefügt wird ist letztlich ein unvermeidbar und notwendiges Übel.
Nora Mommsen
13.8.2022, 11:09:50
Hallo I-m-possible, tatsächlich herrscht um die Definition und Anforderungen an die Nachteilszufügungs"absicht" einiger Streit. BGH und herrschende Meinung sehen es folgendermaßen: Die in den Fällen des § 274 Abs. 1 Nr. 1 - 3 StGB erforderliche
Nachteilszufügungsabsichtbeinhaltet das Bewusstsein des Täters, dass der Nachteil die notwendige Konsequenz seines Handelns darstellt. Dies ist vorliegend der Fall. Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team
Marceli
6.10.2022, 16:17:13
Wäre hier auch § 246 StGB anzuprüfen?
Lukas_Mengestu
28.10.2022, 11:04:07
Hallo Marceli, im Hinblick auf das Behalten der EC-Karte wäre in der Tat die Unterschlagung zu prüfen. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
lin
7.10.2022, 00:34:33
Wäre es ein versuchter Betrug wenn A dachte sie muss einen PIN eingeben, also nichts von dem Verfahren bis dahin wusste?
Kätter
4.1.2023, 13:46:16
Fände eine Antwort gut :)
AnkaZ
15.3.2023, 06:03:40
Kam vorgestern im 1. Examen in Bayern dran!
Nora Mommsen
20.3.2023, 16:41:05
Hallo AnkaZ, danke für die Info. Haben wir direkt getaggt :) Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team
Leonie
16.6.2024, 19:31:20
kam auch im September 2023 in Baden-Württemberg dran :)