Öffentliches Recht

Völkerrecht

Grundprinzipien des Völkerrechts

Grundprinzipien des Völkerrechts: Jurisdictional Immunities of the State (Einschränkungstendenzen)

Grundprinzipien des Völkerrechts: Jurisdictional Immunities of the State (Einschränkungstendenzen)

22. November 2024

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

In der NS-Zeit wurde der italienische Staatsbürger Ferrini F Opfer deutscher Zwangsdeportation und -arbeit. 1998 verklagt F Deutschland vor italienischen Gerichten. Das italienische Kassationsgericht versagt den Immunitätsschutz und gibt der Entschädigungsklage von F gegen Deutschland statt.

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Einordnung des Falls

Grundprinzipien des Völkerrechts: Jurisdictional Immunities of the State (Einschränkungstendenzen)

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 6 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Die Grundsätze zur Staatenimmunität sind völkergewohnheitsrechtlich anerkannt.

Ja!

Die primäre Rechtsquelle der Staatenimmunität ist das Völkergewohnheitsrecht. Versuche sowohl auf universeller als auch regionaler Ebene, der Staatenimmunität einen kodifizierten rechtlichen Rahmen zu geben, blieben bisher fruchtlos. Denn das Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Immunität der Staaten und ihres Vermögens von der Gerichtsbarkeit von 2004 ist mangels ausreichender Ratifikationen noch nicht in Kraft getreten. Auch das ältere Europäische Übereinkommen über Staatenimmunität (sog. Baseler Abkommen) von 1972 gilt nur in acht Staaten des Europarats. Die Feststellung des Völkergewohnheitsrechts erfolgt anhand der Rechtslage im maßgeblichen Zeitpunkt. Da die Staatenimmunität die prozessuale Geltendmachung betrifft, ist die gegenwärtige Rechtslage maßgeblich.
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2. Die Grundsätze zur Staatenimmunität befreien Staaten nur in Bezug auf ihr hoheitliches Handeln von der Gerichtsbarkeit eines anderen Staates .

Genau, so ist das!

Der materielle Anwendungsbereich der Staatenimmunität beschränkt sich auf hoheitliches Handeln eines Staates. Denn nur insoweit drohte die Aburteilung durch einen anderen Staat seine souveräne Gleichheit in Frage zu stellen.

3. Die Völkerrechtswidrigkeit der Zwangsdeportationen und Zwangsarbeit lassen den hoheitlichen Charakter des Handelns der Wehrmacht entfallen.

Nein, das trifft nicht zu!

Ratione materiae setzt die Anwendbarkeit der Staatenimmunität hoheitliches Handeln voraus. Maßgeblich für die Einordnung als solches ist die objektive Natur der Staatstätigkeit – unabhängig von der Völkerrechtskonformität. Andernfalls würde der Immunitätsschutz faktisch ad absurdum geführt, da die rechtliche Bewertung durch einen anderen Staat nur in die Zulässigkeit verlagert würde (vgl. RdNr. 59 ff.). Zwangsdeportation und -arbeit waren Hoheitsakte des Deutschen Reichs – ausgeführt von den Exekutivorganen Wehrmacht und NS-Verbänden – und unterliegen als solche unabhängig von ihrer Völkerrechtswidrigkeit grundsätzlich der Staatenimmunität.

4. Die deliktischen Handlungen der Wehrmacht ereignen sich teils auf Gebiet des Forumstaates Italien. Nach der territorialen Deliktsausnahme findet die Staatenimmunität keine Anwendung.

Nein!

Die sog. territoriale Deliktsausnahme (territorial tort exception) will die Staatenimmunität für Personen- und Sachschäden, die aus hoheitlichem Handeln eines Staates auf Gebiet des Forumstaates resultieren, entfallen lassen. Dazu müsste eine entsprechende Ausnahme Einzug in das Völkergewohnheitsrecht gefunden haben. Hauptanwendungsfälle der territorialen Deliktsausnahme in der Staatenpraxis sein laut IGH jedoch alltägliche Schäden durch Verkehrsunfälle oder Versicherungsschäden, nicht Schäden bei bewaffneten militärischen Konflikten. Jedenfalls im Kontext letzterer existiert keine hinreichende völkergewohnheitsrechtliche Anerkennung der territorialen Deliktsausnahme (RdNr. 73 ff.). Der IGH bezieht explizit keine Stellung zur völkergewohnheitsrechtlichen Geltung der allgemeinen territorialen Deliktsausnahme (RdNr. 65). Diese findet sich etwa in Art. 11 des Europäischen Übereinkommens über Staatenimmunität und in Art. 12 der UN- Staatenimmunitätskonvention sowie in zahlreichen nationalen Gesetzen (vgl. RdNr. 70).

5. Zwangsdeportation und Zwangsarbeit verstoßen gegen ius cogens. Die Grundsätze zur Staatenimmunität müssen daher durchbrochen werden.

Nein, das ist nicht der Fall!

Eine Ausnahme von der völkergewohnheitsrechtlich anerkannte Staatenimmunität für schwerste Menschenrechtsverletzungen oder ius-cogens-Verstöße setzt eine entsprechende Fortentwicklung der Staatenpraxis voraus. Der IGH kann jedoch nicht erkennen, dass sich letztere bereits hinreichend dahin verdichtet hat, dass nationale Gerichte Staatenimmunität bei ius-cogens-Verstößen versagen (RdNr. 96). Zudem verneint der IGH bereits das Bestehen eines Normkonflikts zwischen den Konzepten der Staatenimmunität und des ius cogens. Denn dieser bestünde nur, wenn der Zugang zu einer individuellen Entschädigung vom ius-cogens-Gehalt des Folterverbots bzw. humanitären Völkerrechts umfasst wäre - dies verneint der IGH (RdNr. 93).

6. Mit der Verurteilung von Deutschland für die Verstöße des Deutschen Reichs zu Schadensersatz verstößt Italien gegen die Grundsätze zur Staatenimmunität.

Ja, in der Tat!

Die Grundsätze zur Staatenimmunität gebieten, dass ein Staat einen anderen Staat in Bezug auf dessen hoheitliches Handeln von seiner Gerichtsbarkeit befreit. Da die Verstöße des Deutschen Reichs der Staatenimmunität unterliegen, verstößt Italien mit der Stattgabe der Entschädigungsklage gegen die Grundsätze zur Staatenimmunität.
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