Öffentliches Recht
Baurecht: Bauplanungsrecht
Beplanter Innenbereich (§ 30 BauGB)
Funktionsweise der Zulässigkeit eines Vorhabens nach Maßgabe eines Gebiets i.S.d. BauNVO (Ausnahme)
Funktionsweise der Zulässigkeit eines Vorhabens nach Maßgabe eines Gebiets i.S.d. BauNVO (Ausnahme)
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Immobilienhai E ist Eigentümer eines Grundstücks, das im Geltungsbereich eines qualifizierten Bebauungsplans liegt und das er mit dem ersten Supermarkt in diesem Gebiet bebauen möchte. Die Umgebung ist als reines Wohngebiet ausgewiesen.
Diesen Fall lösen 93,1 % der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.
Einordnung des Falls
Funktionsweise der Zulässigkeit eines Vorhabens nach Maßgabe eines Gebiets i.S.d. BauNVO (Ausnahme)
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 6 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Die bauplanungsrechtlichen Zulässigkeitsvoraussetzungen der §§ 30ff. BauGB sind anwendbar.
Ja, in der Tat!
Jurastudium und Referendariat.
2. Bauplaungsrechtlich zulässig ist Es Vorhaben, wenn es den Festsetzungen des Bebauungsplans nicht widerspricht und die Erschließung gesichert ist (§ 30 Abs. 1 BauGB).
Ja!
3. Ob Es Vorhaben den Festsetzungen des Bebauungsplans widerspricht, ist am Maßstab der § 30 Abs. 1 BauGB i.V.m. § 3 Abs. 2 BauNVO zu prüfen.
Genau, so ist das!
4. Da das Vorhaben des E den Festsetzungen des Bebauungsplans über die Art der baulichen Nutzung widerspricht, ist es endgültig unzulässig.
Nein, das trifft nicht zu!
5. Eine Ausnahme von den Festsetzungen des Bebauungsplans kommt in Betracht, wenn diese in dem Bebauungsplan nach Art und Umfang ausdrücklich vorgesehen ist (§ 31 Abs. 1 BauGB).
Ja!
6. Die von E geplante Errichtung des Supermarktes ist im Hinblick auf die Art der baulichen Nutzung wegen einer Ausnahme zulässig (§ 31 Abs 1 BauGB i.V.m. § 3 Abs. 3 Nr. 1 Alt. 1 BauNVO).
Genau, so ist das!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Helena
14.2.2022, 14:41:39
Es wäre vielleicht nicht schlecht im Fall darauf hinzuweisen, dass es dort bisher keinen Supermarkt gibt. Wäre das jetzt der vierte Supermarkt, der in dem Wohngebiet gebaut werden sollte, würde die Ausnahme des Abs. 3 ja nicht mehr greifen. 
Lukas_Mengestu
14.2.2022, 18:02:58
Danke Helena, wir haben das in den Sachverhalt mit aufgenommen. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
Philippe
11.7.2022, 19:45:09
Im Ergebnis ist das sicherlich richtig, doch dass die Ausnahme nach § 3 III BauNVO nicht mehr greifen würde (der Tatbestand also nicht erfüllt ist), sehe ich nicht ganz. Der Wortlaut setzt ja lediglich voraus, dass der Laden der Versorgung der Bevölkerung "dient", nicht aber, dass er hierfür auch "notwendig" oder "erforderlich" ist. Demzufolge wäre es dann wohl eher eine Frage des Ermessens bzw. von § 15 I 1 BauNVO ("Anzahl") oder sehe ich das falsch?
Dogu
9.3.2024, 16:50:17
@Philippe sehe ich auch so.
Tigerwitsch
21.5.2022, 13:41:57
Auch hier heißt es in einer These aus Versehen „es Vorhaben“ anstelle „das Vorhaben“ 😇 (Erste These zur bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit).
Lukas_Mengestu
22.5.2022, 13:08:16
Vielen Dank für den Hinweis, Tigerwitsch. Beim ersten Lesen könnte man in der Tat meinen, hier habe sich ein Fehler eingeschlichen. Gemeint ist hier aber spezifisch: das von E geplante Vorhaben, kurz: Es Vorhaben. Das Genetiv-s wird im Deutschen anders ohne Apostroph angehängt, sonst würde es noch deutlicher werden (E's Vorhaben). Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
Tigerwitsch
22.5.2022, 13:10:30
Achsoo, okay 😅 Da hat sich das alles geklärt, ebenso meine anderen Nachrichten ;) Danke für die Antwort, jetzt ist es klar 😇
Marceli
27.2.2023, 16:01:25
Was sind denn die Anforderungen des § 31 I BauGB ? Letztendlich doch nur, dass das Ermessen fehlerfrei ausgeübt wurde, oder?
Nora Mommsen
24.3.2023, 10:55:13
Hallo Marceli, danke für deine Frage.
§ 31 Abs. 1 BauGBsetzt voraus, dass die Ausnahmen im Bebauungsplan nach Art und Umfang vorgesehen wurden. Dann entsteht ein Ermessen, wobei dieses reduziert ist wenn tatsächlich alle Voraussetzungen vorliegen. Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team
Marceli
4.7.2024, 23:44:33
Inwiefern ist das Ermessen hier reduziert? :)
Diaa
20.8.2023, 16:22:29
Sniter
23.8.2023, 22:56:15
Ich würde wie folgt vorgehen: Du bist bei der Frage nach der Vereinbarkeit des Vorhabens mit Bauplanungsrecht: 1) Liegt eine bauliche Anlage iSd § 29 I BauGB vor? 2) In welchem Bereich sind wir unterwegs (Planbereich, § 30; Innenbereich, § 34; Außenbereich, § 35). Dann entscheidest Du dich für den Planbereich, weil ein
qualifizierter Bebauungsplanvorliegt. 3) Vereinbarkeit (+), wenn die
Erschließung gesichertist und das Vorhaben mit den Festsetzungen des Bebauungsplans vereinbar ist, § 30 I BauGB. 3a) Erschließung schnell abhaken; mE nicht so klausurrelevant im 1. StEx. 3b) Festsetzungen des Bebauungsplans. Hier prüfst Du erst, ob das Vorhaben unter die Regelbebauung (§ X Abs. 2 BauNVO) fällt. Dies lehnst Du ab. 3c) Dann prüfst Du, ob das Vorhaben als Ausnahme (§ X Abs. 3 BauNVO, § 31 I BauGB) fällt.
Yoda
21.7.2024, 19:08:34
Bedeutet es, dass im konkreten B-Plan und in unserem Klausur-SV ausdrücklich drin steht, dass zB Läden (Supermärkte) ausnahmsweise zugelassen werden können? Hier im SV stand ja gar nichts davon, dass der B-Plan diese ausdrücklich ausnahmsweise vorsieht. Also wäre meine Subsumtion gewesen, dass die Hürde des § 31 I BauGB nicht erfüllt ist. Oder reicht es bereits, wenn der B-Plan “Reines Wohngebiet” festsetzt, sodass allein deshalb § 31 I BauGB hinsichtlich zB Läden (Supermärkte) erfüllt ist?
Yoda
21.7.2024, 19:22:32
Ok nach mehrmaligem Lesen bin ich mir relativ sicher, dass Letzteres stimmt. Ich verstehe nur nicht ganz warum § 31 I BauGB dann eine “Hürde” sein soll und was generell sein Sinn ist. Man hat schlicht keinen gebundenen Anspruch, sondern nur einen
Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidungoder wie?
L.Goldstyn
23.8.2024, 16:30:00
Hallo @[Yoda](248274), genau, es genügt, wenn der Bebauungsplan ein reines Wohngebiet festsetzt, denn gem. § 1 Abs. 3 S. 2 Hs. 1 BauNVO wird § 3 Abs. 3 BauNVO damit Bestandteil des Bebauungsplans. Deine Frage nach dem Sinn und Zweck von
§ 31 Abs. 1 BauGBkann ich Dir ohne Nachsehen im Kommentar nicht sicher beantworten, ich schätze aber, dass die Regelung in § 3 Abs. 3 BauNVO (sowie der Parallelvorschriften für die anderen Gebiete in der BauNVO) deswegen nicht „genügt“, weil es sich dabei lediglich um eine Rechtsverordnung handelt (s. § 9a BauGB).
§ 31 Abs. 1 BauGBdient demnach als „Ankerpunkt“ und erlaubt den Rückgriff auf die BauNVO, wenn es um die Zulassung einer Ausnahme geht. In der Tat normiert
§ 31 Abs. 1 BauGBdabei keine
gebundene Entscheidung, sondern eine Ermessensentscheidung, sodass es einen Anspruch auf Zulassung der Ausnahme nur bei
Ermessensreduktion auf Nullgibt, ansonsten besteht in der Tat nur ein
Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung.