Öffentliches Recht

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Politische Parteien

Neutralität von Amtsträgern (Seehofer vs. AfD)

Neutralität von Amtsträgern (Seehofer vs. AfD)

23. November 2024

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Die A-Partei kritisiert, dass Bundespräsident F öffentlich ein Konzert gegen Rechts unterstützt. In einem Interview, das auf der Internetseite des BMI veröffentlicht wird, verurteilt Innenminister S dies und bezeichnet die A-Partei als „hochgefährlich“ und „staatszersetzend“.

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Einordnung des Falls

Neutralität von Amtsträgern (Seehofer vs. AfD)

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 14 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Die A-Partei will sich gegen die Veröffentlichung des Interviews des S auf der Internetseite des BMI wehren. Statthafter Rechtsbehelf vor dem BVerfG ist das Organstreitverfahren (Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG, § 13 Nr. 5 BVerfGG).

Ja, in der Tat!

Das Organstreitverfahren (Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG, § 13 Nr. 5 BVerfGG) ist statthaft, wenn oberste Bundesorgane bzw. deren Teile oder andere, ihnen rechtlich gleichgestellte Beteiligte über den Umfang ihrer Rechte und Pflichten aus der Verfassung streiten. Hier streiten S und die A-Partei darüber, ob die Äußerung des S verfassungsgemäß war. Dies betrifft die Frage der verfassungsrechtlichen Äußerungsbefugnisse von Regierungsmitgliedern bzw. das Recht der Parteien auf Chancengleichheit (Art. 21 Abs. 1 GG). Das Organstreitverfahren ist somit statthaft.
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2. Die A-Partei ist als politische Partei im Organstreit parteifähig (Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG, § 63 BVerfGG).

Ja!

Politische Parteien sind als „andere Beteiligte“ (Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG) parteifähig, wenn und soweit sie mit einem anderen Verfassungsorgan um Rechte streiten, die sich aus ihrem besonderen verfassungsrechtlichen Status (Art. 21 GG) ergeben; die Geltendmachung von Grundrechtsverletzungen durch politische Parteien im Organstreitverfahren ist ausgeschlossen. Hier macht die A-Partei eine Verletzung ihres Rechts auf gleichberechtigte Teilnahme am politischen Wettbewerb (Art. 21 Abs. 1 GG) geltend, sodass sie parteifähig ist (RdNr. 36; stRspr).

3. S ist als Bundesinnenminister nicht parteifähig; die A-Partei muss sich stattdessen gegen die Bundesregierung als oberstes Verfassungsorgan wenden.

Nein, das ist nicht der Fall!

Auch die Bundesminister sind parteifähig. Die genaue Einordnung lässt das BVerfG dabei offen und stützt sich auf Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG i.V.m. § 63 BVerfGG, Art. 65 S. 2 GG und §§ 9 bis 12, 14 GOBReg (RdNr. 36). Während die Finanz- und Verteidigungsminister im GG mit eigenen Rechten ausgestattet sind, ergibt sich die Parteifähigkeit der anderen Minister – und somit auch des S – wohl aus dem Ressortprinzip (Art. 65 S. 2 GG), das sie zur Staatsleitung ermächtigt. Ob man sie daher selbst als oberste Bundesorgane oder als Organteile der Bundesregierung und damit als „andere Beteiligte“ (Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG) einstuft, ist unerheblich.

4. Die A-Partei hat gemäß Art. 21 Abs. 1 GG das Recht auf gleichberechtigte Teilnahme am politischen Wettbewerb.

Ja, in der Tat!

Gemäß Art. 21 Abs. 1 GG wirken die Parteien bei der politischen Willensbildung des Volkes mit. Damit gewährleistet ist, dass die politische Willensbildung des Volkes offen verläuft, ist es unerlässlich, dass die Parteien gleichberechtigt am politischen Wettbewerb teilnehmen. Art. 21 Abs. 1 GG beinhaltet deshalb unmittelbar ein Recht der Parteien auf Chancengleichheit im politischen Wettbewerb. Die Mitwirkung an der politischen Willensbildung muss auf der Basis gleicher Rechte und gleicher Chancen erfolgen (RdNr. 46).

5. Das Recht auf Chancengleichheit der Parteien beinhaltet als Kehrseite, dass sich Staatsorgane parteipolitisch neutral verhalten müssen (Neutralitätsgebot).

Ja!

BVerfG: „Das Recht politischer Parteien, gleichberechtigt am Prozess der Willensbildung des Volkes teilzunehmen, wird verletzt, wenn Staatsorgane als solche zugunsten oder zulasten einer politischen Partei [...] auf den Wahlkampf einwirken“. Die verfassungsrechtlich garantierte Chancengleichheit (Art. 21 Abs. 1 GG) erfordert daher die parteipolitische Neutralität von Staatsorganen (sog. Neutralitätsgebot). Das bedeutet, sie dürfen sich nicht parteiergreifend für oder gegen eine bestimmte Partei aussprechen (RdNr. 47). Dies hat S mit seinen Äußerungen („staatszersetzend“ etc.) indes getan.

6. Das Gebot parteipolitischer Neutralität von Staatsorganen gilt nur in Wahlkampfzeiten.

Nein, das ist nicht der Fall!

Einseitige Parteinahmen während des Wahlkampfs beeinträchtigen die Willensbildung des Volkes durch Wahlen und Abstimmungen und verstoßen gegen das Neutralitätsgebot. Das Gebot staatlicher Neutralität gilt aber auch außerhalb von Wahlkampfzeiten. Denn der Prozess der politischen Willensbildung des Volkes ist nicht auf Wahlkampf oder Wahlvorbereitungen beschränkt, sondern vollzieht sich fortlaufend. Art. 21 Abs. 1 GG schützt das Recht der Parteien auf Chancengleichheit im politischen Wettbewerb „in seiner Gesamtheit“ (RdNr. 48).

7. S ist nur an das Neutralitätsgebot gebunden, wenn er sich in amtlicher Funktion als Bundesminister geäußert hat.

Ja, in der Tat!

Nur die Inanspruchnahme amtlicher Autorität oder der Rückgriff auf amtliche Ressourcen können zu einer Verletzung der staatlichen Neutralitätspflicht führen. Außerhalb seiner amtlichen Funktion darf S am politischen Meinungskampf teilnehmen – ansonsten würden wiederum die Regierungsparteien benachteiligt. Obwohl S hier in einseitig parteiergreifender Weise zulasten der A-Partei in den politischen Wettbewerb eingreift (RdNr. 77f.), liegt nach Ansicht des BVerfG ein Eingriff in Art. 21 Abs. 1 GG erst dann vor, wenn S die Äußerungen in Wahrnehmung des Ministeramtes und nicht in seiner Eigenschaft als Parteipolitiker getätigt hat (RdNr. 79).

8. Ob die Äußerung eines Mitglieds der Bundesregierung in amtlicher Funktion stattgefunden hat, ist nach den Umständen des Einzelfalls zu bestimmen.

Ja!

Das BVerfG erkennt, dass eine strikte Trennung der Sphären des „Bundesministers“, des „Parteipolitikers“ und der „Privatperson“ nicht möglich ist (RdNr. 55). Für die Bestimmung des Amtsbezuges arbeitet es daher einige formelle Kriterien heraus: Für einen Amtsbezug sprechen z.B. offizielle Publikationen auf der Internetseite des Ministeriums, die Verwendung von Staatssymbolen oder die Nutzung der Amtsräume. Kein Amtsbezug liege z.B. bei Parteiveranstaltungen oder „Veranstaltungen des allgemeinen politischen Diskurses“ (Talkrunden, Interviews) vor (RdNr. 59ff.).

9. S hat die Äußerungen im Interview in amtlicher Funktion als Bundesminister getätigt.

Nein, das ist nicht der Fall!

BVerfG: Die Amtsbezeichnung des S sei noch kein Indiz für die Inanspruchnahme von Amtsautorität; staatliche Funktionsträger dürfen sie auch in außerdienstlichen Zusammenhängen führen. Im Übrigen fehlen Indizien für einen Amtsbezug (Staatssymbole etc.). Vielmehr ergebe sich aus dem Inhalt des Interviews, dass S von seiner Befugnis zur Teilnahme am politischen Meinungskampf Gebrauch mache. Es geht darin um allgemeinpolitische Fragen ohne Bezug zur Regierungstätigkeit. Die Äußerungen des S („staatszersetzend“ etc.) weisen keinen Ressortbezug auf, S beruft sich dafür nicht auf seine Amtsautorität (RdNr. 80ff.). Die Interview-Äußerungen sind daher kein Eingriff in Art. 21 Abs. 1 GG.

10. Allerdings weist die Veröffentlichung des Interviews auf der Internetseite des BMI einen Amtsbezug auf und stellt somit einen Eingriff in Art. 21 Abs. 1 GG dar.

Ja, in der Tat!

BVerfG: Mit der Veröffentlichung des Interviews auf der Internetseite des von ihm geführten Ministeriums habe S auf Ressourcen zurückgegriffen, die ihm allein aufgrund seines Regierungsamtes zur Verfügung stehen. Dies habe S auch im politischen Meinungskampf eingesetzt, da die Wiedergabe im Internet der weiteren Verbreitung der darin enthaltenen Aussagen diente. Die Veröffentlichung des Interviews verstoße daher gegen das staatliche Neutralitätsgebot und greife in das Recht der A-Partei auf gleichberechtigte Teilnahme am politischen Wettbewerb (Art. 21 Abs. 1 GG) ein (RdNr. 90ff.).

11. S steht als Bundesminister eine generelle politische Äußerungsbefugnis zu (Art. 65 GG).

Ja!

Der Bundesregierung obliegt die Aufgabe der Staatsleitung (Art. 65 GG). Integraler Bestandteil dieser Aufgabe ist die Befugnis zur Informations- und Öffentlichkeitsarbeit; eine verantwortliche Teilhabe des Volkes an der politischen Willensbildung setzt voraus, dass sie über die von Staatsorganen zu treffenden Entscheidungen genügend wissen, um sie bewerten zu können. Es ist S somit nicht per se untersagt, an der politischen Willensbildung teilzunehmen, nur weil er Bundesminister ist.

12. Die Befugnis des S zur Informations- und Öffentlichkeitsarbeit ist grundsätzlich geeignet, den Eingriff in Art. 21 Abs. 1 GG zu rechtfertigen.

Genau, so ist das!

Richtig! Ein Eingriff in das Recht der Parteien auf gleichberechtigte Teilnahme am politischen Wettbewerb (Art. 21 Abs. 1 GG) kann grundsätzlich durch die Befugnis der Bundesregierung zur Informations- und Öffentlichkeitsarbeit (Art. 65 GG) gerechtfertigt sein. Die Befugnis zur Öffentlichkeitsarbeit muss ihrerseits jedoch rechtmäßig ausgeübt werden; dies setzt insbesondere die Beachtung der bestehenden Kompetenzordnung und des für sämtliches Staatshandeln geltenden Sachlichkeitsgebots voraus (RdNr. 93).

13. Die Veröffentlichung des Interviews auf der Internetseite des BMI verstößt gegen das Sachlichkeitsgebot.

Ja, in der Tat!

Ob bereits ein Verstoß gegen die Kompetenzordnung vorliegt, weil S Öffentlichkeitsarbeit außerhalb seiner Ressortzuständigkeit betrieben hat, lässt das BVerfG offen. Jedenfalls verstoße die Veröffentlichung des Interviews gegen das Sachlichkeitsgebot. Mit der Kritik eines politischen Gegners in keinem Zusammenhang stehende Äußerungen verstoßen gegen das Sachlichkeitsgebot und sind unzulässig. Hier gehe die Äußerung des S weit über die Zurückweisung von Kritik am Bundespräsidenten hinaus. S habe dies nur zum Anlass genommen, über den Einzelfall hinausgehende negative Bewertungen der A-Partei zu äußern (RdNr. 94f.).

14. Der Antrag der A-Partei ist begründet. Durch die Veröffentlichung des Interviews hat S die A-Partei in ihrem Recht auf Chancengleichheit (Art. 21 Abs. 1 GG) verletzt.

Ja!

Das BVerfG differenziert wie folgt: Während die Äußerungen des S im Rahmen des Interviews als Teilnahme am politischen Meinungskampf verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden sind, verletze die Veröffentlichung des Interviews auf der Internetseite des BMI die A-Partei in ihrem Recht aus Art. 21 Abs. 1 GG. Im Übrigen bestätigt das BVerfG seine Rechtsprechungslinie zur Äußerungsbefugnis von Regierungsmitgliedern (vgl. BVerfGE 138, 102 („Fall Schwesig“) und BVerfGE 148, 11 („Fall Wanka“)). Das BMI hat das Interview inzwischen von der Homepage entfernt.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

antoniasophie

antoniasophie

22.3.2022, 18:30:19

Würde man wie im Wahl-O-Mat-Fall Art. 21 I iVm Art. 3 I GG prüfen? Und wenn nein, warum hier nicht?

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

23.3.2022, 15:57:42

Hallo Antonia, die dogmatische Verankerung des Anspruchs der Parteien auf Gleichbehandlung ist im Einzelnen umstritten, auch wenn es im Ergebnis anerkannt ist (vgl. Kluth, in BeckOK, GG, 50.Ed. 15.02.2022, Art. 21 RdNr. 133 ff). Auch das BVerfG verfährt im Hinblick auf die Verankerung des Rechts auf Chancengleichheit nicht immer einheitlich. Während es in dieser Entscheidung lediglich Art. 21 Abs. 1 S. 1 GG ausdrücklich benannt hat, so hat es in anderen Entscheidungen hierfür auch Art. 3 I GG noch mitzitiert (vgl. BVerfG NJW 2005, 126). Du kannst Dich insoweit frei entscheiden. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

CECI

Cecilie

2.6.2022, 16:47:37

Warum ist hier ein Organstreitverfahren statthaft und bei der Twittermeldung des BMI über die AfD als Prüffall der

Verwaltungsrechtsweg eröffnet

? Läge es anders wenn die Meldung nicht auf Twitter sondern auf der BMI Internet Seite veröffentlicht worden wäre?

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

7.6.2022, 12:09:25

Hallo Cecilie, der Unterschied besteht hier darin, dass einmal gegen Seehofer als Mitglied des Staatsorgans "Bundesregierung" geklagt wird und die Klage sich das andere Mal gegen das BMI als oberste Bundes

behörde

richtete. Somit liegt nur im ersten Fall "

doppelte Verfassungsunmittelbarkeit

" vor, weswegen hier der Verwaltungsrechtsweg nicht statthaft ist. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

ASA

asanzseg

21.2.2023, 17:06:00

@[Jurafuchs](137809) ich bin auch ehrlich gesagt von dem Augangsfall sehr verwirrt gewesen. Der Text ist m.E.n. viel zu kurz gefasst man versteht zwar beim bloßen lesen des Textes dass es sich um zwei verschiedene "Handlungen" der Staatsorgane handelt aber man fragt sich ob da ein innerer Zusammenhang ist.

ASA

asanzseg

21.2.2023, 17:15:52

Ich muss eine Anschlussfrage stellen: Es handelt sich hier um ein Organstreit, d.h. ein kontradiktorisches Verfahren. Antragsegner ist hier der Minister der die Äußerung getätigt hat. Die Äußerung verletzt an und für sich nicht das Neutralitätsgebot weil man sagt, dass der Minister in seinem Interview nicht als Organ der Bundesregierung sondern als Politiker gesprochen hat. Erst durch das reinstellen in die BMI Seite gewinnt es an Organqualität und ist somit dem Neutralitätsgebot unterlegen. Ich verstehe nicht ganz, inwieweit das Reinstellen des Interviews der BMI dem Minister zugerechnet wird ? oder ist es Andersrum? dass man sagt, Antragegner ist die Bundesregierung als ganzes und dann guckt ob das Organ der Bundesregierung hier der Minister in dem Konkreten Fall Organqualität hat und wenn ja ob er die Kompetenzen überschreitet ?

Arturio

Arturio

19.11.2023, 20:27:51

Seehofer war Bundesminister für Inneres und Heimat („BMI“). Beantwortet das deine Frage?

Im🍑nderabilie

Im🍑nderabilie

20.1.2023, 17:10:20

Frage mich hier nach wie vor, warum begrifflich ausschließlich auf die Veröffentlichung abgestellt wird. Die Veröffentlichung als solches kann ja noch gar nicht gegen das Sachlichkeitsgebot verstoßen weil es für sich gesehen eine neutrale Handlung ist, vielmehr die Kombination aus Veröffentlichung und Inhalt stellt den Verstoß dar, oder?

Nora Mommsen

Nora Mommsen

25.1.2023, 15:22:43

Hallo Imponderabilie, man darf nicht außer Acht lassen, dass immer ein bestimmter Inhalt veröffentlicht wird. Eine Veröffentlichung ohne Inhalt ist quasi ein nullum. Von daher stellt die Unterscheidung zwischen Veröffentlichung und Inhalt eine künstliche Trennung dar, die nicht zielführend ist. Es kann schadlos auf die Veröffentlichung (des Inhalts) als solche abgestellt werden. Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team

DIAA

Diaa

22.8.2023, 13:48:53

Ich habe drei Fragen: Was ist ein Gesinnungsverbot? Was bedeutet ein Binnenrechtvorschrift? Inwiefern ist das Sachlichkeitsgebot hier verletzt?

MWA

mwally

13.1.2024, 20:03:56

Zur 1. Frage Ein Gesinnungsverbot ist ein Verbot bestimmter Gesinnungen. Das Verbot einer Partei bezieht sich nicht darauf, dass die vertretenen Ansichten verboten werden, sondern lediglich die Betätigung als Partei. Jeder Mensch darf rassistische oder staatsfeindliche Ansichten haben, wie er möchte. Er darf sich nur nicht in einer Partei organisieren um diese Ansichten in die Realität umzusetzen. Zur 2. Frage Eine Binnenrechtsvorschrift ist eine Rechtsvorschrift, die sich nicht auf den Bürger, sondern auf das Innenverhältnis des Staates und seiner Organe zueinander bezieht. Zur 3. Frage Damit beschäftigt sich der Fall. Die Antwort steht in den Antworten auf die in dieser Aufgabe gestellten Fragen.

WI

Wirst12

9.2.2024, 15:09:09

Hallo liebes Jurafuchs-Team, wie verhält es sich mit der kürzlich getätigten Aussage des Bundespräsidenten Steinmeier über die AfD? Würde diese nicht auch gegen das Neutralitätsgebot verstoßen, zumal er die Ansprache in seiner öffentlichen Stellung als Bundespräsident vornahm? Mit freundlichen Grüßen

LELEE

Leo Lee

10.2.2024, 19:33:30

Hallo Wirst12, vielen Dank für die sehr gute Frage! In der Tat ist das Äußerungsrecht des Bundespräsidenten ein sehr spannendes Thema, das sich von dem hiesigen Fall unterscheidet (hierzu sehr lesenwert die Entscheidung zu Joachim Gauck, der die NPD als „Spinner“ bezeichnete). Der Bundespräsident hat einen „weiteren“ Spielraum und somit auch eher das Recht, sich kritisch zu äußern, da er nicht im den politischen Parteien im direkten Wettbewerb steht (im Gegensatz zu Minister der Regierung, die gerade durch eine Fraktion gestellt werden und zumeist auch aktive Parteipolitiker sind). Somit darf der Bundespräsident „mehr“ sagen, da bei ihm ein gerineres Risiko besteht, dass er zugunsten seiner Partei/seiner Fraktion die Chacnengleichheit der Parteien beeinträchtigt. In diesem Sinne bleibt natürlich abzuwarten, ob das BVerfG über diesen Fall entscheiden wird oder nicht. Allerdings spricht grundsätzlich eher der obige Grundsatz dafür, dass Steinmeier noch von einem Einschätzungsspielraum bzgl. der Äußerung Gebrauch gemacht hat und diese Aussage auch so tätigen durfte (bei Gauck wurde z.B. keine Verletzung der Chancengleichheit der Parteien festgestellt, hierzu kann ich die Rdnr. 22 und 27 der Entscheidung empfehlen: https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2014/06/es20140610_2bve000413.html). Bei der Aussage von Merkel zu der Wahl in Thüringen hingegen („ein schlechter Tag für die Demokratie“ und „unverzeihlich“), wurde hingegen sehr wohl eine Verletzung der AfD festgestellt, da Merkel als Kanzlerin und Kopf der Bundesregierung sehr wohl in einem Wettbewerb steht (https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2022/bvg22-053.html) :). Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo

SEM

Sempex2

14.3.2024, 13:45:56

Leider leuchtet mir das mit dem geringeren Risiko bzgl. der Äußerungen und ihrer möglichen Beeinträchtigung zu Gunsten der eigenen Partei nicht ein. Wieso sollte der Bundespräsident nicht im selben Maße dazu neigen wie ein Kanzler? Ebenso sind Äußerungen außerhalb seines Amtes kaum denkbar. MMn. wäre das Sachlichkeits- und das Neutralitätsgebot hier genau so scharf anzuwenden wie bei einem Kanzler. Hab ich da irgendwo einen Denkfehler?

Gigachad1

Gigachad1

4.4.2024, 17:36:55

Naja die Rolle des Bundespräsidenten ist von Grund auf überparteilich und quasi außerhalb des politischen Wettbewerbs. Durch seine Repräsentative Funktion und die Art der Wahl ist er nicht in selber Art am Wahlkampf beteiligt wie "echte" Regierungs- und Bundestagmitglieder.

STE

Stella2244

20.11.2024, 16:13:14

Warum ist die Geltendmachung von Grundrechtsverletzungen durch politische Parteien ausgeschlossen?


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