Zivilrecht
Examensrelevante Rechtsprechung ZR
Entscheidungen von 2022
Übereignung von Miteigentumsanteil an vermietetem Grundstück an Minderjährige
Übereignung von Miteigentumsanteil an vermietetem Grundstück an Minderjährige
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Vater V erwirbt die Hälfte eines vermieteten Grundstücks von F. Nun möchte er seinen Anteil schenkungsweise auf seine Tochter T übertragen. Beim Notar vertritt V die T zusammen mit Mutter M sowohl bei Abschluss des Schenkungsvertrags als auch bei der Auflassungserklärung.
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Einordnung des Falls
Der BGH hatte zu entscheiden, ob Vater V, der die Hälfte eines vermieteten Grundstücks von F erworben hat, schenkungsweise an seine Tochter T übertragen kann. Grundsätzlich ist der Eigentumserwerb an einem Grundstück für Minderjährige lediglich rechtlich vorteilhaft. Etwas anderes gilt unter anderem dann, wenn das Grundstück vermietet ist. In diesem Fall rückt der Minderjährige durch den Eigentumserwerb in die Vermieterposition ein (§§ 578 Abs. 1, 566 Abs. 1 BGB). Als Vermieter ist er unter anderem verpflichtet, die Mietsache instandzuhalten (§ 535 Abs. 1 S. 2 BGB). Zudem ist er einer Mängelhaftung (§§ 536, 536a BGB) ausgesetzt. Der Umfang seiner persönliche Haftung ist dabei nicht auf den Wert des Grundstücks beschränkt. Insoweit ist der Erwerb rechtlich nachteilhaft.
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 6 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Ist der Abschluss des Schenkungsvertrags für T lediglich rechtlich vorteilhaft?
Ja!
Jurastudium und Referendariat.
2. Können die Eltern ihre Tochter bei Abschluss des Schenkungsvertrags wirksam vertreten?
Genau, so ist das!
3. Ist die Auflassung (§ 925 BGB) eines (vermieteten) Grundstücks stets lediglich rechtlich vorteilhaft?
Nein, das trifft nicht zu!
4. T erwirbt nicht das komplette Grundstück, sondern lediglich einen Miteigentumsanteil an dem vermieteten Grundstück. Ist das Geschäft für T deswegen lediglich rechtlich vorteilhaft?
Nein!
5. Ist die Auflassungserklärung durch V und M als Vertreter von T aber deshalb wirksam, weil sie nur der Erfüllung einer Verbindlichkeit dient (§§ 181 aE, 1824 Abs. 1 Nr. 1 aE BGB)?
Nein, das ist nicht der Fall!
6. Kann die Auflassungserklärung nur wirksam werden, wenn ein Ergänzungspfleger bestellt wird?
Ja, in der Tat!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Philipp Paasch
7.3.2023, 01:35:57
Der gute alte Würdinger. Das ist also immer noch eines seiner Lieblingsthemen.^^
Jurastudent Joop
7.3.2023, 08:25:53
Der Wortlaut von 566 ist nicht passgenau weil er von „Veräßerung“ spricht und hier aber eine
Übereignungaufgrund einer Schenkung vorliegt, richtig?
Lukas_Mengestu
7.3.2023, 12:58:48
Hallo Jurastudent Joop, vielen Dank für die Nachfrage! Hier ging es uns nicht um den zugrundeliegenden Schenkungsvertrag. § 566 BGB spricht davon, dass der Erwerber "anstelle des Vermieters" in das Mietverhältnis eintritt. Daraus könnte man folgern, dass die Norm nur Konstellationen erfasst, in der der bisherige Vermieter gänzlich aus dem Mietverhältnis ausscheidet. Überträgt der Alleineigentümer nun bloß einen Miteigentumsanteil an einem vermieteten Grundstück, so bleibt er ja weiterhin Partei des Mietvertrages. Es entspricht indes der ganz hM, dass auch in diesem Fall der neue Miteigentümer (hier also der Vater) in den Mietvertrag nach § 566 BGB eintritt. Im Verhältnis zu seiner Tochter ist dies dann wiederum gänzlich unproblematisch, da er durch die vollständige Übertragung seines Miteigentumsanteils an seine Tochter als Vermieter wieder ausscheiden würde. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
Jurastudent Joop
7.3.2023, 21:55:59
Verstehe, Dankeschön!
Philipp Paasch
11.3.2023, 13:41:12
Du hast aber insofern recht, wenn du Dich auf die Überschrift des §566 BGB "Kauf bricht nicht Miete" beziehst. Zum einen, ist die Wirkung des Paragraphen nicht auf Kaufverträge beschränkt, sondern umfasst z.B. auch Schenkungsverträge. Zum anderen würde das schuldrechtliche
Kausalgeschäftohnehin nichts an dem Mietverhältlich ändern, erst die dringliche
Übereignung.
Jacob
30.3.2023, 12:42:12
Die Schenkung eines Grundstücks ist nicht immer nicht immer
rechtlich vorteilhaft. Gerade wenn der Minderjährige - wie hier - in bestehende Mietverhältnisse eintritt. Durch das vermietete Grundstück entstehen auch Pflichten, die der Vermieter zu tragen hat.
Lukas_Mengestu
30.3.2023, 13:02:27
Lieber Jacob, vielen Dank für Deinen Hinweis. Hier musst Du etwas differenzieren: Die Schenkung, also der schuldrechtliche Vertrag, ist
lediglich rechtlich vorteilhaft. Denn durch sie erhält der Minderjährige erst einmal einen
Anspruch auf Übereignungdes Grundstücks. Der Anspruch selbst stellt keinen rechtlichen Nachteil dar. Dieser entsteht erst durch die
Übereignung, da erst dadurch der Eintritt in das Mietverhältnis droht. Das Verpflichtungs- und
Verfügungsgeschäftmusst Du aber sauber auseinanderhalten und gesondert prüfen. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
Jacob
9.8.2023, 22:44:01
Lieber Lukas, vielen dank für die Klarstellung 👍
Philk
8.3.2024, 16:47:21
Lief in abgewandelter Form heute im ersten Examen in Bayern.
Lukas_Mengestu
28.3.2024, 19:26:07
Klasse, danke für die Meldung!
Vilu
19.6.2024, 23:16:58
Wieso ist die Auflassung bis zur Genehmigung durch den Ergänzungspfleger nach 177 Abs. 1 BGB
schwebend unwirksamund nicht nach 108 Abs. 1 BGB?
Afrim
27.7.2024, 22:10:24
Die Eltern konnten T nicht wirksam vertreten, somit hatten sie auch keine Vertretungsmacht -> 177 I T selbst hat keine Erklärung abgegeben -> 108 I schon gar nicht einschlägig
Nils
3.7.2024, 08:24:13
Wieso wäre hier die Eigentumsübertragung wenn ein Nießbrauchrecht an dem Grundtstück besteht und der Mietvertrag mit dem Nießbraucher geschlossen wurde nachteilig? Eigentlich träfen den neuen Mit-/Eigentümer doch dann keine Verpflichtungen aus der Miete.
CR7
15.8.2024, 21:26:19
BGH, 18.04.2024 – V ZB 51/23 - Hier ist die selbe Konstellation aber mit dem Unterschied, dass das Grundstück nicht vermietet war (https://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&az=V%20ZB%2051/23&nr=137674) Der BGH entschied, dass der Erwerb eines Miteigentumsanteils an einem nicht vermieteten oder verpachteten Grundstück durch einen Minderjährigen
lediglich rechtlich vorteilhaftist und somit keiner Genehmigung durch einen Ergänzungspfleger bedarf (Rn. 9). Dies gilt auch, wenn der Übertragende zugleich Vertreter des Minderjährigen ist. Die Entscheidung des Kammergerichts wurde aufgehoben, und das Grundbuchamt angewiesen, den Antrag ohne Genehmigung durch einen Ergänzungspfleger zu vollziehen.