Wahlarzt-Fall (Einwand des rechtmäßigen Alternativverhaltens)
7. April 2025
12 Kommentare
4,8 ★ (20.463 mal geöffnet in Jurafuchs)
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Patient P muss an der Hand operiert werden und schließt explizit mit Chefärztin C einen Behandlungsvertrag. Allerdings führt Oberarzt O die Operation durch. Trotz Beachtung aller Regeln der Kunst erleidet P einen Folgeschaden. C hätte die Operation nicht besser durchführen können.
Diesen Fall lösen 78,6 % der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.
Einordnung des Falls
Wahlarzt-Fall (Einwand des rechtmäßigen Alternativverhaltens)
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. O hat durch die Operation an P kausal dessen Körper verletzt (§ 823 Abs. 1 BGB).
Ja!
Jurastudium und Referendariat.
2. Der Behandlungsvertrag rechtfertigt die Verletzungshandlung des O (§ 630d BGB).
Nein, das ist nicht der Fall!
3. O hat die unerlaubte Handlung auch zu verschulden.
Ja, in der Tat!
4. Die Rechtsgutsverletzung war kausal für den eingetretenen Schaden des P.
Ja!
Fundstellen
Jurafuchs ist eine Lern-Plattform für die Vorbereitung auf das 1. und 2. Juristische Staatsexamen. Mit 15.000 begeisterten Nutzern und 50.000+ interaktiven Aufgaben sind wir die #1 Lern-App für Juristische Bildung. Teste unsere App kostenlos für 7 Tage. Für Abonnements über unsere Website gilt eine 20-tägige Geld-Zurück-Garantie - no questions asked!
Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Jopies
30.9.2021, 20:53:28
Ach ja das typische Gurkenglas wenn man immer die „falsche“ Antwort gewählt hat. Gerade das letzte Ergebnis halt ich persönlich ja für streitbar, aber gut man will ja auch wissen was der Klausurkorrektor hören will.

Lukas_Mengestu
1.10.2021, 14:24:49
Nicht verzagen, Jopies. Das Gurkenglas haben wir alle schon oft gesehen. Und in Deinem letzten Satz steckt super viel Wahrheit drin. Die ganze Juristerei lebt vom Streit und dem Austausch der Argumente. Lass Dich also von "falschen" Antworten nicht unnötig aus dem Konzept bringen, sondern versuche Dich mehr darauf zu fokussieren, welche Gründe für die jeweilige Antwort streiten. Nur wenn Dich das überzeugt, bleibt es auch im Kopf. Und wenn nicht, dann weißt Du wenigstens, welche Punkte Du überzeugend widerlegen musst :D. Viel Spaß weiterhin beim Lernen und herzliche Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
divenir
19.5.2022, 12:50:34
Das kann man auch sehr gut anders sehen. Durch den Ausschluss dieses Einwands wird effektiv die Dispositionsfreiheit -/ Willensentschließungsfreiheit des Geschädigten und somit gerade nicht der Körper als eines der abschließend aufgezählten Rechtsgüter geschützt. Der selben Kritik sieht sich die
Einwilligungslösungbezüglich der Heil
eingriffe ohnehin ausgesetzt. Auch der Vergleich zur Freiheit, wo gerade nur die körperliche Bewegungsfreiheit und nicht die allgemeine Handlungsfreiheit, also die Möglichkeit überall hinzugehen, geschützt ist, legt systematisch nahe eher die aA nahe. Letztlich ist es aber wohl folgerichtig vom BGH den Einwand auszuschließen, da er das Selbstbestimmungsrecht unmittelbar aus dem Recht am eigenen Körper zieht.
Matschegenga
12.1.2022, 16:31:16
Hier wird die Frage gestellt ob O die Verletzungshandlung. Das hab ich so noch nie gehört. Wird nicht normalerweise das Verschulden bzgl des Verletzungserfolgs (hier: des Folge
schadens) geprüft?
Matschegenga
12.1.2022, 16:32:09
Edit: "Hier wird die Frage gestellt ob O die Verletzungshandlung verschuldet hat"

Lukas_Mengestu
12.1.2022, 18:19:55
Hallo Matschegenga, das Verschulden bezieht sich auf den gesamten objektiven Tatbestand, also Verletzungserfolg, Verletzungshandlung, Kausalität und
Rechtswidrigkeit, nicht aber auf den
Schadenund die
Schadenszurechnung (Wandt, Gesetzliche Schuldverhältnisse, 10.A. 2020, § 16 RdNr. 179). Letztlich bedingen sich Erfolg und Handlung gegenseitig. Denn für die Verletzung eines Rechtsgutes einer anderen Person bin ich ja nur verantwortlich, wenn ich diese kausal durch ein
Tun oder Unterlassenverursacht habe. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
Vincent
19.12.2024, 13:57:29
Im vorliegenden Fall wurde der Behandlungsvertrag mit einer Chefärztin geschlossen, ein Oberarzt operierte daraufhin. Frage 1: Wird der Behandlungsvertrag im Normalfall nicht mit dem Krankenhaus geschlossen? Frage 2: Wäre das Ergebnis anders, wenn der Vertrag mit dem Oberarzt geschlossen wurde und stattdessen ein Chefarzt operiert ?
benjaminmeister
14.1.2025, 23:00:38
Frage 1: Das dürfte so sein: Mit wem der Vertrag geschlossen wird ist aber unerheblich. Entscheidend ist, welche Einwilligung aus dem Vertrag hervorgeht. Die Einwilligung selbst ist ja kein
Rechtsgeschäft. Erklärt der Patient in der Vertrags
urkundemit dem Krankenhaus nur seine Einwilligung für die OP durch den Chefarzt, dann gilt also das gleiche. Frage 2: Wenn es dem Patienten nur um den Rang geht, dürfte das von der Einwilligung gedeckt sein, weil ein Chefarzt kein Minus zum Oberarzt ist. Wenn der Patient aber auf den konkreten Oberarzt X besteht, dürfte auch dann nicht Chefarzt Y operieren.