Wegerisiko beim Arbeitnehmer
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
A ist in Bs Betrieb in Berlin Mitte beschäftigt. Als sie am 22.2 im Radio hört, dass Sturm Zeynep über Berlin hinwegfegt, entscheidet sie, zuhause in Spandau zu bleiben. Am Folgetag teilt B ihr mit, dass sie für die Fehlzeit keinen Lohn erhalte.
Diesen Fall lösen [...Wird geladen] der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.
Einordnung des Falls
Wegerisiko beim Arbeitnehmer
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 6 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. A hat einen Anspruch gegen B auf Zahlung von Arbeitsentgelt für ihre erbrachte Arbeitsleistung (§ 611a Abs. 2 BGB).
Ja, in der Tat!
Jurastudium und Referendariat.
2. Die Voraussetzungen für den Untergang von As Vergütungsanspruch für den 22.2 liegen vor (§ 326 Abs. 1 S. 1 BGB).
Ja!
3. Der Lohnanspruch besteht fort, da sich B im Annahmeverzug befindet (§ 615 S. 1 BGB).
Nein, das ist nicht der Fall!
4. Der Lohnanspruch besteht fort, da das Risiko, dass A zur Arbeit kommen kann (Wegerisiko), zum Betriebsrisiko des B gehört (§ 615 S. 3 BGB iVm § 615 S. 1 BGB).
Nein, das trifft nicht zu!
5. Der Lohnanspruch besteht fort, da ein persönlicher Hinderungsgrund vorlag (§ 616 S. 1 BGB).
Nein!
6. Kann A für den 22.2 von B Lohn fordern?
Nein, das ist nicht der Fall!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
IsiRider
28.4.2022, 14:59:31
Was wäre ein Beispiel für 616? Bei Krankheit des Kindes?
Lukas_Mengestu
28.4.2022, 19:09:14
Hallo IsiRider, die Krankheit des Kindes wird dazu gezählt (hier gibt es aber auch Kinderkrankengeld, § 45 SGB V), aber auch Familienereignisse (eigene Hochzeit, Todesfälle enger Verwandter..) oder die Erfüllung öffentlicher Pflichten (zB Wahlhelfer, Ladung zu Gericht). Weitere Beispiele findest Du u.a. bei MüKoBGB/Henssler, 8. Aufl. 2020, BGB § 616 Rn. 22 ff. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
Fuchsfrauchen
27.8.2022, 23:37:16
Das mit der Hochzeit wundert mich ehrlich gesagt. Das ist doch ein planbares Event, wo ich als AG doch erwarten kann, dass der AN Urlaub nimmt und nicht einfach weg bleibt. Es klang in dem Fall zumindest so.
Blackpanther
4.2.2023, 17:16:24
Ich könnte mir vorstellen, dass für nahestehende Gäste der § 616 greift, während für das Brautpaar selbst keine Lohnfortzahlung in Betracht kommt, weil sie hinsichtlich der Terminauswahl Verschulden ggü. sich selbst trifft.
donjuan
9.2.2023, 22:25:27
@[Blackpanther](163646) Das Brautpaar selbst hat in der Praxis ja sowieso gesetzlich Anspruch auf Sonderurlaub.
Lukas_Mengestu
20.2.2023, 14:35:53
Hallo ihr drei, in der Tat muss man hier verschiedene Prüfungsebenen unterscheiden. Zunächst muss ein Grund überhaupt als "persönlicher Hinderungsgrund" qualifizieren. Hierzu zählt unstreitig die eigene Hochzeit, sowie sonstige besondere Familienereignisse (zB Hochzeit der eigenen Kinder, Todesfälle sehr enger Verwandter, also zB Eltern u. Kinder). Der persönliche Hinderungsgrund muss aber auch "ohne Verschulden" des Arbeitnehmers vorliegen. Der Arbeitnehmer ist im Anwendungsbereich des § 616 verpflichtet, den Arbeitsausfall gering zu halten. Regelmäßig wird es ihm zumutbar sein, zumindest einen Termin auf einen arbeitsfreien Tag zu legen. Sofern es also um die eigene Hochzeit geht, wird eine Anspruchserhaltung nach § 616 BGB im Ergebnis also ausscheiden (vgl. MüKoBGB/Henssler, 9. Aufl. 2023, BGB § 616 Rn. 44). @[donjuan](179904) einen „gesetzlichen“ Urlaubsanspruch im Falle der eigenen Hochzeit gibt es tatsächlich nicht. Allerdings hast Du recht, dass zahlreiche Tarif- und Arbeitsverträge einen Anspruch auf Sonderurlaub gewähren. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
IsiRider
28.10.2022, 19:09:55
Die Vertiefung passt nicht zum Fall. Welche anspruchserhaltende Normen gibt es im Arbeitsrecht noch? Wie erkenne ich die?
Lukas_Mengestu
3.11.2022, 15:08:03
Danke IsiRider, die haben wir rausgenommen. Weitere anspruchserhaltende Normen findest Du hier: https://applink.jurafuchs.de/2h1anZZJEub Beste Grüße, Lukas
Grenzbaum
8.1.2024, 20:49:53
wäre das Schreiben der Examensklausuren oder der Tag der Mündlichen Prüfung ein Fall des § 616 BGB?
dario.b
6.7.2024, 07:59:20
Da der Tag der schriftlichen oder mündlichen Prüfung in der Regel ohne Einfluss des Arbeitnehmers festgelegt wird, liegt ein persönlicher Hinderungsgrund vor. Es dürfte sich um einen Fall der Pflichtenkollision handeln. Zu berücksichtigen wäre jedoch, dass das Fehlen bloß für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit vorliegen darf. Bei den schriftlichen Klausuren wäre die Fehlzeit (je nach Fallkonstellation) ggfs. bereits erheblich.