Zivilrecht

Geschäftsführung ohne Auftrag (GoA)

Die echte GoA – Rechtsfolgen

Schadensersatzanspruch GH gegen GF aus §§ 677, 280 Abs. 1 BGB (Ausführungsverschulden) - Fall: berechtigte GoA, Schaden wegen unsachgemäßer Ausführung/Erfolglosigkeit, Haftungsprivilegierung § 680 BGB

Schadensersatzanspruch GH gegen GF aus §§ 677, 280 Abs. 1 BGB (Ausführungsverschulden) - Fall: berechtigte GoA, Schaden wegen unsachgemäßer Ausführung/Erfolglosigkeit, Haftungsprivilegierung § 680 BGB

8. April 2025

3 Kommentare

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Spaziergängerin S sieht, dass die Garage des abwesenden G brennt. S ruft die Feuerwehr und versucht zwischenzeitlich erfolglos, den Brand mit dem Gartenschlauch zu löschen. Dabei zertrampelt S aus Unachtsamkeit Gs Blumen. Als die Feuerwehr eintrifft, ist die Garage abgebrannt.

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Einordnung des Falls

Schadensersatzanspruch GH gegen GF aus §§ 677, 280 Abs. 1 BGB (Ausführungsverschulden) - Fall: berechtigte GoA, Schaden wegen unsachgemäßer Ausführung/Erfolglosigkeit, Haftungsprivilegierung § 680 BGB

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 7 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. G verlangt von S Schadensersatz für die zerstörten Blumen (§§ 677, 280 Abs. 1 BGB). Liegen die Grundvoraussetzungen einer echten GoA (§ 677 BGB) vor?

Ja, in der Tat!

Für einen Schadensersatzanspruch aus §§ 677, 280 Abs. 1 BGB musst Du zunächst feststellen, dass eine echte GoA (= gesetzliches Schulverhältnis) bestand. Eine echte GoA (§ 677 BGB) liegt vor, wenn der Geschäftsführer (1) ein fremdes Geschäft (2) mit Fremdgeschäftsführungswillen ausführt, (3) ohne vom Geschäftsherrn beauftragt oder ihm gegenüber sonst dazu berechtigt zu sein. Das Löschen des Brandes mit dem Gartenschlauch ist ein für S objektiv fremdes Geschäft. Der Fremdgeschäftsführungswille wird vermutet. G hat S weder zum Löschen beauftragt, noch war S gegenüber G sonst dazu berechtigt.
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2. Die GoA ist berechtigt im Sinne des § 683 S. 1 BGB.

Ja!

Eine GoA ist nach § 683 S. 1 BGB berechtigt, wenn sie dem Interesse und dem wirklichen oder dem mutmaßlichen Willen des Geschäftsherrn entspricht. Der wirkliche Wille des Geschäftsherrn ist dabei stets vorrangig zu prüfen. Sein mutmaßlicher Wille wird erst relevant, wenn sein wirklicher Wille nicht ermittelbar ist, weil er diesen nicht geäußert hat. Der mutmaßliche Wille des Geschäftsherrn ergibt sich in der Regel aus seinem objektiven Interesse. G war nicht vor Ort, als seine Garage brannte. Er konnte keinerlei Willen in Bezug auf das Löschen äußern. Das Löschen entspricht jedoch dem objektiven Interesse und damit Gs mutmaßlichen Willen.

3. Indem S unachtsam die Blumen kaputt gemacht hat, könnte sie die Pflicht zur ordentlichen Ausführung nach § 677 BGB verletzt haben.

Genau, so ist das!

Nach § 677 BGB hat der Geschäftsführer das Geschäft so zu führen, wie das Interesse des Geschäftsherrn mit Rücksicht auf dessen wirklichen oder mutmaßlichen Willen es erfordert. S hat beim Versuch, den Brand zu löschen, die Blumen des G zertrampelt. Dies läuft dem mutmaßlichen Willen des G, der sich aus seinem objektiven Interesse ergibt, zuwider. S hat eine Pflicht aus § 677 BGB verletzt. Mache dir hier das Zusammenspiel von § 280 Abs. 1 BGB und § 677 BGB bewusst: Der Schadensersatz nach § 280 Abs. 1 BGB setzt eine Pflichtverletzung voraus. § 677 BGB definiert den Inhalt der Pflicht des Geschäftsführers. Aus § 677 BGB ergibt sich somit der Maßstab für die Pflichtverletzung i.S.v. § 280 Abs. 1 BGB.

4. Über §§ 677, 280 Abs. 1 BGB kann der Geschäftherr nur Ersatz für Schäden verlangen, die auf der unsachgemäßen Ausführung der GoA beruhen. Kann G hiernach Ersatz für die Blumen und die abgebrannte Garage verlangen?

Nein, das trifft nicht zu!

Im Rahmen eines Anspruchs aus §§ 677, 280 Abs. 1 BGB sind nur diejenigen Schäden ersatzfähig, die eine Folge der unsachgemäßen Ausführung des Geschäfts sind. Schäden, die dagegen auf der Erfolglosigkeit der Geschäftsführung beruhen, sind hiernach nicht ersatzfähig. § 677 BGB definiert nicht die Pflicht, dass die Geschäftsführung erfolgreich sein muss, sondern legt lediglich Rücksichtsnahmepflichten des Geschäftsführers fest. Nur die Schäden an den Blumen sind Folge der unsachgemäßen Ausführung des Geschäfts durch S. Der Schaden an der Garage beruht dagegen auf der Erfolglosigkeit der Geschäftsführung.

5. S hat vorliegend auch einfache Fahrlässigkeit zu vertreten (vgl. § 680 BGB).

Nein!

Beim Anspruch aus §§ 677, 280 Abs. 1 BGB greifst Du grundsätzlich auf die allgemeinen Regeln zum Vertretenmüssen zurück.Nach § 276 Abs. 1 BGB hat der Geschäftsführer Vorsatz und Fahrlässigkeit zu vertreten, sofern nichts anderes bestimmt ist. Eine anderweitige Regelung enthält § 680 BGB, wonach der Geschäftsführer nur Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit zu vertreten hat, wenn die Geschäftsführung die Abwendung einer dem Geschäftsherrn drohenden dringenden Gefahr bezweckt. Dringend ist eine Gefahr, wenn die hohe Wahrscheinlichkeit besteht, dass bei ungehindertem Geschehensablauf in zeitlich unmittelbarem Zusammenhang ein erheblicher Schaden an Rechtsgütern des Geschäftsherrn eintritt. Die Garage des G brannte. Ein erheblicher Schaden für G stand unmittelbar bevor. Die Anwendung der Haftungsprivilegierung des § 680 BGB hängt auch nicht davon ab, ob die Geschäftsführung beziehungsweise die Abwendung der Gefahr letztendlich erfolgreich war.

6. S handelte fahrlässig (§ 276 Abs. 2 BGB), jedoch nicht grob fahrlässig.

Genau, so ist das!

Nach § 276 Abs. 2 BGB handelt fahrlässig, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt. Grob fahrlässig handelt dagegen, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt. S hat die Blumen aus Unachtsamkeit zertrampelt. Sie hat die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht gelassen, jedoch nicht in besonders schwerem Maße verletzt.

7. G hat einen Schadensersatzanspruch gegen S aus §§ 677, 280 Abs. 1 BGB wegen der zertrampelten Blumen.

Nein, das trifft nicht zu!

Ein Schadensersatzanspruch wegen Ausführungsverschuldens aus §§ 677, 280 Abs. 1 BGB setzt (1) eine berechtigte GoA, (2) die Verletzung der Pflicht zur ordentlichen Ausführung nach § 677 BGB, (3) das Ausführungsverschulden des Geschäftsführers und (4) einen ersatzfähigen Schaden voraus. S hat innerhalb einer berechtigten GoA die Pflicht zur ordentlichen Ausführung verletzt. Die zertrampelten Blumen sind auch grundsätzlich ersatzfähig. Jedoch trifft S kein Ausführungsverschulden, da er fahrlässig gehandelt und nach § 680 BGB einfache Fahrlässigkeit nicht zu vertreten hat.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

BE

Bioshock Energy

17.2.2024, 13:05:05

Hallo, es sind ja nur diejenigen Schäden, die Folge der unsachgemäßen Ausführung sind ersatzfähig und nicht solche die aus der Erfolgslosigkeit der Ausführung resultieren. Wie ist es mit einem

Schaden

, der aus der Erfolgslosigkeit resultiert und das aufgrund einer unsachgemäßen Ausführung? Also wenn hier im vorliegenden Fall z.B. die Nachbarin (grob fahrlässig) völlig unzureichende oder sogar noch verschlimmerndere Mittel anwendet, die den

Schaden

in Intensität und Ausmaß sogar noch steigern? Sind solche Schäden auch ersatzfähig über §§ 677, 280 I? oder sind sie einfach nur streng unter der Erfolglosigkeit der Ausführung zu subsumieren und nicht ersatzfähig? Liebe Grüße

QUAR

Quarklo

24.8.2024, 17:16:00

Nach §§ 677, 280 I sind Schäden zu ersetzen, die aus der nicht ordnungsgemäßen Geschäftsführung resultieren. Im vorherigen Fall fällt der

Schaden

an der Garage nicht darunter, da der GF nicht den Brand verursacht hat, der zum

Schaden

geführt hat. Falls der GF aber durch seine Handlung einen zu vertretenden

Schaden

verursacht, hat er hierfür auch einzustehen. Beispiel: Der GF versucht die Garage mit einem Feuerlöscher zu löschen, zielt aber grob fahrlässig auf den Raum neben der Garage, in dem sich Computer befinden. Die Computer sind zerstört. In diesem Fall hat der GF den

Schaden

zu ersetzen

AS

as.mzkw

4.10.2024, 16:18:27

Kann ein Brand einer Garage nicht durchaus eine drohende dringende Gefahr darstellen, sodass die

Haftungsprivilegierung

des §

680 BGB

greift? Erst recht, wenn man davon ausgeht, dass es nicht ausgeschlossen ist, dass der Brand auf das gesamte Haus übergreifen kann und so einen noch größeren

Schaden

verursachen würde?


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