Zivilrecht
Examensrelevante Rechtsprechung ZR
Entscheidungen von 2021
Rückabwicklung bei Kaufvertrag über Dressurpferd
Rückabwicklung bei Kaufvertrag über Dressurpferd
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Pferdehändlerin P verkauft Verbraucher V ein Dressurpferd. Drei Monate nach Übergabe zeigt sich eine Vernarbung im Maul, die einen Beritt des Pferdes erschwert. Diese lag bei Übergabe noch nicht vor und wird durch fehlerhafte Haltung verursacht. V ist auch generell mit der "Rittigkeit" des Pferds unzufrieden.
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Einordnung des Falls
Rückabwicklung bei Kaufvertrag über Dressurpferd
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 8 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. V könnte ein Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises zustehen (§§ 346 Abs. 1, 437 Nr. 2, 323 Abs. 1 Alt. 2 BGB).
Genau, so ist das!
Jurastudium und Referendariat.
2. Weicht das Pferd aufgrund der eingeschränkten Rittigkeit (=Akzeptanz reiterlicher Befehle) von der vereinbarten Beschaffenheit ab (§ 434 Abs. 1, Abs. 2 S. 1 Nr. 1 BGB n.F.?
Nein, das trifft nicht zu!
3. Aufgrund der eingeschränkten Rittigkeit ist das Pferd ungeeignet für die vertraglich vorausgesetzte Verwendung als Dressurpferd (§§ 434 Abs. 1, Abs. 2 S. 1 Nr. 2 n.F., 90a S. 3 BGB).
Nein!
4. Hätte die Vernarbung des Mauls bereits bei Gefahrübergang vorgelegen, so wäre das Pferd ungeeignet für die vertraglich vorausgesetzte Verwendung (§§ 434 Abs. 1, Abs. 2 S. 1 Nr. 2 n.F., 90a S. 3 BGB).
Genau, so ist das!
5. Obwohl feststeht, dass die akute Vernarbung bei Gefahrübergang nicht vorlag, wird vermutet, dass das Pferd mangelhaft war, wenn zugunsten des V die Beweislastumkehr des § 477 Abs. 1 BGB gilt.
Ja, in der Tat!
6. Allerdings ist die Vermutung mit einem Tier als Kaufsache unvereinbar (§ 477 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 Alt. 1 BGB n.F.).
Nein!
7. Die Vermutung ist mit der Art des Mangels "Maulvernarbung" unvereinbar (§ 477 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 Alt. 2 BGB n.F.).
Genau, so ist das!
8. Steht V ein Rücktrittsrecht zu (§§ 437 Nr. 2, 323 Abs. 1 Alt. 2 BGB)?
Nein, das trifft nicht zu!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Katzenkönigin
12.3.2022, 13:32:12
Wie verträgt sich diese Rechtsprechung mit dem neuen 477 I S.2 BGB?
Lukas_Mengestu
14.3.2022, 13:36:45
Hallo
Katzenkönigin, durch die Neufassung des Kaufrechts hat sich hieran nichts geändert. § 477 Abs. 1 S. 2 BGB stellt lediglich klar, dass für Tiere die Beweislastumkehr weiterhin nur innerhalb der ersten 6 Monate gilt. Auch bei Tieren greift sie aber nicht, wenn die Vermutung mit der Art des mangelhaften Zustands unvereinbar ist (§ 477 Abs. 1 S. 1 BGB). Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
Johannes Nebe
16.2.2024, 11:02:28
Einen Hinweis auf Satz 2 habe ich bei der Diskussion vermisst, ob § 477 I BGB auch auf den Kauf von Tieren angewendet werden kann.
GemäßigtSozialdemokratischerKoalabär
31.5.2022, 11:40:31
Hallo, vielleicht wäre es sinnvoll, im Sachverhalt aufzunehmen, dass die Krankheit durch fehlerhaftes Bereiten (s
tatt „Haltung“) verursacht wird, dann passt es besser zur vorletzten Frage.
Lukas_Mengestu
2.6.2022, 17:30:10
Vielen Dank für den Hinweis :-) Das fehlerhafte Bereiten haben wir hier aber unter dem Oberbegriff "fehlerhafte Haltung" zusammengefasst, damit man gedanklich besser unterscheiden kann, zwischen dem fehlerhaften Bereiten und den Rittigkeitsproblemen. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
Pilea
14.12.2023, 10:38:15
Zur Unvereinbarkeit der Vermutung bzgl. der Maulvernarbung: ich fand die Begründung (noch) nicht überzeugend bzw. verständlich. Wenn es um Haltungsprobleme geht, dann können diese doch ohne weiteres auf den ursprünglichen Eigentümer zurückgehen. Oder war das Pferd vor Übergabe noch nicht beritten, sodass die Vernarbung nur vom neuen Eigentümer stammen kann?
GO
31.12.2023, 12:01:31
Ich verstehe die Begründung teils auch nicht. Laut Sachverhalt musste man davon ausgehen, dass es sich bei der Vernarbung um einen Mangel handelt, der nur aufgrund des fehlerhaften Reitens eingetreten ist. Also der Mangel (Vernarbung) lag nach Gefahrübergang vor. Fraglich war jetzt, ob man auch hier §477 (Beweistlastumkehr) anwenden kann, indem man sagt, dass der Mangel (Vernarbung) auf einem latenten Grundmangel bei Gefahrübergang beruht. Aber hier verstehe ich die Begründung leider auch nicht weiter. Warum ist jetzt §477 hier nicht genau nicht anwendbar?
Simon
21.2.2024, 00:03:46
Der konkrete Mangel (Vernarbung und infolgedessen fehlende Reitbarkeit) lag unstrittig bei Gefahrübergang noch nicht vor, sodass diesbezüglich die Vermutung des § 477 I BGB widerlegt ist (vgl. § 292 S. 1 ZPO). In Betracht kommt daher nur, dass die Vernarbung auf einem Grundmangel beruhte, der schon bei Gefahrübergang vorlag. Auch insoweit greift grds. die Beweislastumkehr des § 477 I BGB. Allerdings entsteht eine Vernarbung (nur) aufgrund falscher Haltung des Tieres. Damit ist es unvereinbar zu vermuten, dass ein entsprechender Grundmangel schon bei Gefahrübergang vorlag, denn bei dieser Art von Mängeln gibt es schlichtweg keinen Grundmangel: Hätte der Verkäufer das Pferd falsch gehalten, hätte die Vernarbung bereits bei Übergabe bestanden. Eine andere Ursache der Vernarbung ist nicht denkbar, sodass auch kein Grundmangel bei Gefahrübergang vorgelegen haben kann. Daher ist die Beweislastumkehr mit der Art des mangelhaften Zustands unvereinbar, § 477 I 1 BGB a.E.
Isabelle.Sophie
16.1.2024, 11:42:52
Felix
12.4.2024, 12:30:29
Ich finde auch, dass hier eher der Weg über §§ 437 Nr. 2,
326 V, 323 VI, 349 I passt, da jegliche Art der Nacherfüllung unmöglich ist.
Sebastian Schmitt
25.11.2024, 10:01:33
Hallo @[Isabelle.Sophie](221527), hallo @Felix, es ist gut, dass Ihr hier an die gerne mal übersehene
Unmöglichkeitdenkt. Nach unserer Sachverhaltsdarstellung kann man darüber zwar durchaus nachdenken, für eine
Unmöglichkeithaben wir aber mE zu wenige Anhaltspunkte. Insbesondere ergibt sich aus der Darstellung nicht, dass die Auswirkungen der Vernarbung nicht durch einen gezielten (ggf operativen) Eingriff behebbar sind oder zumindest deutlich gemildert werden können (dahingehend stünde in einer Klausur natürlich mehr). Vorsichtig deshalb mit der vorschnellen Annahme, dass jegliche Art der Nacherfüllung unmöglich ist. Sowohl in der unserem Fall zugrunde liegenden und in den Quellen genannten Entscheidung des OLG Frankfurt als auch im Urteil der Vorinstanz (LG Frankfurt, BeckRS 2020, 51364) wird die
Unmöglichkeitauch überhaupt nicht erwähnt. Vielmehr hat das OLG Frankfurt unter den konkreten Umständen des dortigen Falls sogar implizit anerkannt, dass die Nacherfüllung noch möglich war (OLG Frankfurt, BeckRS 2021, 28243, Rn 16). Viele Grüße, Sebastian - für das Jurafuchs-Team