Kein Erwerb der Forderung durch § 1138 BGB
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Bauunternehmer U nimmt ein Darlehen bei Bank B auf, dass durch eine Buchhypothek gesichert ist. U zahlt das Darlehen voll zurück. B überträgt die Hypothek durch Abtretung der Forderung dennoch an den unwissenden Kredithai H. H verlangt von U Darlehensrückzahlung.
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Einordnung des Falls
Kein Erwerb der Forderung durch § 1138 BGB
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. H hat die Hypothek nach §§ 398, 1154, 1153 BGB erworben.
Nein, das trifft nicht zu!
Jurastudium und Referendariat.
2. H hat die Hypothek gutgläubig nach §§ 398, 1154, 1153, 1138, 892 BGB erworben.
Ja!
3. H hat gegen U einen Anspruch auf Darlehensrückzahlung aus § 488 Abs. 1 S. 2 i.V.m. §§ 1138, 892 BGB.
Nein, das ist nicht der Fall!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Vincent
16.12.2021, 13:11:54
Ein Anspruch auf Darlehensrückzahlung besteht nicht, da die Forderung erloschen ist - finde ich logisch. Aber der Kredithai könnte trotzdem aus §
1147 BGBvorgehen soweit ich weiß, da ja die Hypothek (ohne Forderung) übergegangen ist. Ich finde das ist ein sehr komisches Ergebnis.. vielleicht kann jemand helfen :)
Lukas_Mengestu
17.12.2021, 10:18:24
Hallo Vincent, diese Rechtsfolge ist für U tatsächlich eher unbequem - er hatte es allerdings selbst in der Hand sich davor zu schützen. Denn gerade um eine solch doppelte Inanspruchnahme zu verhindern, gewährt § 1
144 BGBdem Eigentümer einen Anspruch darauf, dass er den Gläubiger lediglich Zug-um-Zug gegen Aushändigung des
Hypothekenbriefs bzw. sonstiger Urkunden, die zur Grundbuchberichtigung/Löschung der Hypothek erforderlich sind (z.B. Löschungsbewilligung, § 19 GBO), befriedigen muss. Dem Eigentümer obliegt es insofern, die Löschung des Rechts bzw. die Umschreibung (
Eigentümergrundschuld) herbeizuführen (vgl. Lieder, in: MüKo-BGB, 8.A. 2020, § 1144 RdNr. 1; Wenzel, in: Erman, BGB, 16.A. 2020, § 1144 RdNr. 1; Volmer, in: BeckOGK-BGB, 1.11.2021, § 1144 RdNr. 1, 2). Hätte U dies getan, so wäre die Hypothek im Grundbuch gelöscht worden und ein gutgläubiger Erwerb ausgeschlossen gewesen. Da er dies unterlassen hat, muss U also den Kredithai bezahlen oder die Zwangsvollstreckung in sein Grundstück dulden. Er kann sich aber nach § 816 Abs. 1 S. 1 BGB an B halten und insoweit das Geld herausverlangen, was B für die Hypothek vom Kredithai erlangt hat. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
Blotgrim
20.4.2024, 10:53:53
Kann er nicht über § 1137 die Einrede des Schuldners geltend machen, dass er schon geleistet hat und die Forderung daher nach § 362 untergegangen ist?
CR7
11.5.2024, 17:02:06
@[Blotgrim](167544) Hier kommt es dann auf den maßgeblichen Zeitpunkt an, der aus dem SV für mich so zu verstehen ist, dass B nach Zahlung abgetreten hat. Dann besteht ja keine Forderung und wir ziehen §§ 1138 Alt. 2 BGB heran und prüfen einen gutgläubigen, einredefreien Erwerb des X gem. §§ 1138 Alt. 2, 892 I BGB: Hier war es ja so, dass U gegenüber B den Einwand der Erfüllung erheben konnte (§ 1137), es handelte sich um ein RG iSe VG, die Einrede war nicht im GB eingetragen und auch kein sonstiger Widerspruch, H war insoweit nicht bösgläubig, so dass H dann gegen U einen Anspruch aus §
1147 BGBhat. Klingt trotzdem unbillig, ich weiß
CR7
6.8.2024, 23:16:16
@[Lukas_Mengestu](136780) Könnte man deine Erörterung zu der Frage nicht als Folgefragen noch mit an bringen? Gerade hier zeigt sich doch gut, wie vernetztes Lernen mit weiterführenden Fragen nochmal den § 816 I prüft oder man noch bisschen durch die §§ 1113 ff. BGB blättern muss, um auf den § 1
144 BGBzu stoßen. Und die meisten die SachenR machen (im 3/4 FS) hatten schon zumindest von § 816 BGB gehört :) - Nur ein Vorschlag von mir, wie man den Fall erweitern könnte: 4. U muss den H nicht bezahlen oder die Zwangsvollstreckung in sein Grundstück nicht dulden. Die Aussage stimmt nicht Da H die Hypothek gutgläubig erworben hat, kann U die Zahlung nicht verweigern. U muss entweder den Betrag an H zahlen oder die Zwangsvollstreckung in sein Grundstück dulden, obwohl er das Darlehen bereits an B zurückgezahlt hat. Dies zeigt die nachteiligen Folgen für den Eigentümer, wenn er die Löschung der Hypothek nach der Tilgung nicht veranlasst. 5. U hat gegen B einen Anspruch auf Herausgabe des vom Kredithai H erlangten Betrags. Die Aussage stimmt U hat gegen B einen Anspruch aus § 816 Abs. 1 S. 1 BGB auf Herausgabe des von H erlangten Betrags. B hat als Nichtberechtigter über die bereits erloschene Hypothek verfügt. Diese Verfügung ist dem gutgläubigen H gegenüber wirksam. Daher muss B das durch die Verfügung Erlangte an U herausgeben. 6. Hätte U nach der Tilgung die Aushändigung des
Hypothekenbriefs und die Löschung der Hypothek im Grundbuch veranlasst, wäre ein gutgläubiger Erwerb durch H nicht möglich gewesen. Die Aussage stimmt Gemäß § 1
144 BGBhätte U bei der Tilgung die Aushändigung des
Hypothekenbriefs oder einer Löschungsbewilligung verlangen können. Hätte U dann die Löschung der Hypothek im Grundbuch veranlasst, wäre das Grundbuch nicht mehr unrichtig gewesen. Ohne unrichtiges Grundbuch und ohne
Hypothekenbriefim Besitz von B wäre ein gutgläubiger Erwerb nach §§ 1138, 892 BGB durch H nicht möglich gewesen. Dies zeigt die Bedeutung der Grundbuchberichtigung und des Besitzes des
Hypothekenbriefs zum Schutz des Eigentümers. Fundstellen Lieder, in: MüKo-BGB, 8.A. 2020, § 1144 RdNr. 1 Wenzel, in: Erman, BGB, 16.A. 2020, § 1144 RdNr. 1 Volmer, in: BeckOGK-BGB, 1.11.2021, § 1144 RdNr. 1, 2
Kaiser Franz
6.9.2024, 16:18:39
@[CR7](145419) 816 direkt oder analog? Die Abtretung der Forderung wird ja genau genommen nur fingiert. Weißt du das auf die schnelle?