Drittanfechtung einer Baugenehmigung


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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Bauherr B plant auf seinem Grundstück ein 5-stöckiges Wohnhaus. Er hat auch bereits eine Baugenehmigung. Nachbar N fühlt sich durch das Vorhaben gestört und möchte dagegen vorgehen.

Einordnung des Falls

Drittanfechtung einer Baugenehmigung

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Die statthafte Klageart richtet sich nach dem Klagebegehren.

Ja!

Nach Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs ist zu prüfen, mit welcher Klageart der Kläger sein Vorhaben (= sein Klagebegehren) verfolgen will. Die statthafte Klageart richtet sich nach dem Klagebegehren (§§ 88, 86 Abs. 3 VwGO). Als verwaltungsgerichtliche Klagearten kommen in Betracht: (1) Anfechtungsklage (§ 42 Abs.1 1.Alt. VwGO), (2) Verpflichtungsklage (§ 42 Abs.1 2.Alt. VwGO), (3) Feststellungsklage (§ 43 VwGO), (4) Fortsetzungsfeststellungsklage (§ 113 Abs. 1 S. 4 VwGO), (5) allgemeine Leistungsklage, (6) Normenkontrollantrag (§ 47 VwGO). Daneben treten Anträge des vorläufigen Rechtsschutzes (§§ 80 Abs. 5, 123 Abs. 1, 47 Abs. 6 VwGO).

2. N begehrt die Aufhebung der Baugenehmigung.

Genau, so ist das!

N fühlt sich durch das Vorhaben des B gestört und möchte dagegen vorgehen. Voraussetzung für die rechtmäßige Verwirklichung des Vorhabens des B ist die Baugenehmigung. Aus rechtlicher Sicht begehrt N daher die Aufhebung der Baugenehmigung.

3. N begehrt einen Baustopp.

Nein, das trifft nicht zu!

N fühlt sich durch das Vorhaben des B gestört und möchte dagegen vorgehen. Voraussetzung für die rechtmäßige Verwirklichung des Vorhabens des B ist die Baugenehmigung. Aus rechtlicher Sicht begehrt N daher die Aufhebung der Baugenehmigung. Ein Baustopp entspricht nicht dem Klagebegehren des N: Noch baut B gar nicht. Wartet N erst darauf, dass B mit dem Bauen auf Grundlage der Baugenehmigung begonnen hat und möchte er dann einen Baustopp erwirken, wird es zu spät sein. Nur falls B ohne Baugenehmigung bauen sollte, würde das Klagebegehren des N darin liegen, einen Baustopp zu erreichen.

4. Die Baugenehmigung ist ein Verwaltungsakt. Statthafte Klageart ist die Anfechtungsklage.

Ja!

N begehrt die Aufhebung der Baugenehmigung. Die Anfechtungsklage ist gerichtet auf die Aufhebung eines den Kläger belastenden Verwaltungsakts (§ 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO) und damit hier statthaft, wenn die Baugenehmigung ein Verwaltungsakt (§ 35 VwVfG) ist. Ein Verwaltungsakt ist eine (1) hoheitliche Maßnahme einer (2) Behörde auf dem (3) Gebiet des öffentlichen Rechts (4) zur Regelung (5) eines Einzelfalls (6) mit Außenwirkung. Dies ist bei der Baugenehmigung der Fall. Dass diese nicht gegenüber N erlassen wurde, ist hier unerheblich (Frage der Klagebefugnis). Neben der (Dritt-)Anfechtungsklage ist auch ein Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung (§§ 80a Abs. 3, 80 Abs. 5 S. 1 Alt. 1 VwGO) statthaft, weil die (Dritt-) Anfechtungsklage hier keine aufschiebende Wirkung hat (§ 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 212a Abs. 1 BauGB).

5. Für eine Klage des Nachbarn gegen die Baugenehmigung ist der Verwaltungsrechtsweg eröffnet.

Genau, so ist das!

Mangels aufdrängender Sonderzuweisung richtet sich die Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs nach § 40 Abs. 1 VwGO.Danach bedarf es einer öffentlich-rechtlichen Streitigkeit nichtverfassungsrechtlicher Art. Eine Streitigkeit ist nach der Sonderrechtstheorie/modifizierten Subjektstheorie öffentlich-rechtlicher Natur, wenn die streitentscheidenden Normen notwendigerweise einen Hoheitsträger berechtigen oder verpflichten. Die hier einschlägigen streitentscheidenden Normen sind solche des öffentlichen Baurechts, insbesondere des BauGB. Das BauGB berechtigt den Hoheitsträger Gemeinde einseitig (vgl. § 145 BauGB). Eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit liegt somit vor. Da hier keine Verfassungsorgane über Verfassungsrecht streiten, liegt nach der Theorie der doppelten Verfassungsunmittelbarkeit auch eine nichtverfassungsrechtliche Streitigkeit vor. Weil auch keine abdrängenden Sonderzuweisungen ersichtlich sind, ist der Verwaltungsrechtsweg eröffnet.

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THE

the_david__b

23.8.2020, 16:16:45

Könntet ihr eine andere Formulierung wählen als "mangels auf- oder abdränger Sonderzuweisung ist der Verwaltungsrechtsweg in dieser öffentlich-rechtlichen Streitigkeit eröffnet" (oder so ähnlich). Dies wir häufig als falsch angestrichen und stellt sich bei Lektüre des § 40 VwGO auch als unzutreffend heraus. Denn zunächst stellt sich die Frage nach der aufdrängen Sonderzuweisung. Dann muss geprüft werden, ob eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit vorliegt. Nur wenn dies bejaht werden kann, stellt sich überhaupt die Frage eine abdrängen Sonderzuweisung.

Eigentum verpflichtet 🏔️

Eigentum verpflichtet 🏔️

23.8.2020, 20:51:21

Danke David! Wir haben die erste Frage/Antwortkombination komplett neuformuliert, jetzt sollte alles stimmen ;)

Isabell

Isabell

20.10.2020, 17:39:49

Kann es sein, dass ihr nur in diesem Antworten-Kanon die Formulierung angepasst habt?

FS

fsjura

27.8.2020, 13:34:46

natürlich muss die Aussage N begehrt Baustopp auch stimmen.. er möchte darüberhinaus nur auch dass die Baugenehmigung entzogen wird. Das macht aber die Aussage mit dem Baustopp doch nicht unrichtig?

Hamburger Michel

Hamburger Michel

1.9.2020, 16:14:02

Hallo fsjura, da B noch nicht mit dem Bau begonnen hat, begehrt N keinen Baustopp und möchte nur gegen die Baugenehmigung vorgehen, ohne den Baubeginn abwarten zu müssen. Da Widerspruch und Anfechtungsklage eines Dritten gegen die bauaufsichtliche Zulassung eines Vorhabens gemäß § 80 II 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 212a I BauGB keine aufschiebende Wirkung haben, ist dem N zudem als Anwalt einstweiliger Rechtsschutz (wie in der Antwort) anzuraten, sodass B bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens auch nicht mit dem Bau beginnen darf.

MO

Mona32145

6.11.2020, 16:41:29

woraus ergibt sich hier die Klagebefugnis des N?

Eigentum verpflichtet 🏔️

Eigentum verpflichtet 🏔️

6.11.2020, 20:30:46

Hallo Mona, danke für deine Frage. Die Klagebefugnis behandelt unser Fall nicht, da dafür weitere Informationen im Sachverhalt, wie Informationen zum einschlägigen Gebietstyp notwendig wären. Denn bei der

Drittanfechtung

bedarf es für die Klagebefugnis zwingend einer drittschützenden Norm. Innerhalb eines B-Plans käme bspw. § 30 Abs. 1 BauGB iVm. der Art der baulichen Nutzung (§§ 2ff. BauNVO) in Betracht. Im Innenbereich entsprechend § 34 Abs. 2 BauGB iVm. der Art der baulichen Nutzung. Es gibt noch viele mehr, such einfach mal nach "drittschützende Normen im Baurecht" LG ;)


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