Einführung - "BAföG-Prüfung" [F]

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Jurastudentin J absolviert ein Praktikum im BAföG-Referat des Bundesministeriums für Bildung und Forschung. Sie erhält den Auftrag, die Gesetzgebungskompetenzen für die anstehende BAföG-Reform zu prüfen.

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Einordnung des Falls

Einführung - "BAföG-Prüfung" [F]

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 8 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Grundsätzlich haben die Länder die Gesetzgebungskompetenz inne (Art. 30 GG; Art. 70 Abs. 1 Hs. 1 GG).

Ja, in der Tat!

Art. 30 GG; Art. 70 Abs. 1 Hs. 1 GG regelt den Grundsatz der Länderzuständigkeit für die Gesetzgebung. Fehlt es an einer geschriebenen oder ungeschriebenen Gesetzgebungskompetenz des Bundes, sind demnach die Länder zuständig (Art. 70 Abs. 1 Hs. 1 GG). Der Grundsatz der Länderzuständigkeit (Art. 30 GG; Art. 70 Abs. 1 Hs. 1 GG) ist Ausgangspunkt jeder Prüfung der Gesetzgebungskompetenzen. Wenn Du diesen Grundsatz nicht zum Einstieg erläuterst, wird Dir unterstellt, dass Du die Aufteilung der Staatsgewalt zwischen Bund und Ländern nicht verstehst.
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2. Die BAföG-Reform fällt unter den konkurrierenden Kompetenztitel zur Regelung der Ausbildungsbeihilfen (Art. 74 Abs. 1 Nr. 13 GG).

Ja!

Mit Ausbildungshilfen sind Maßnahmen individueller Förderung für in Ausbildung befindliche Personen gemeint. Die Ausbildung erstreckt sich auf die weiterbildenden Schulen, die Berufsausbildung sowie das Hochschulstudium. Wenn der Bundesgesetzgeber das Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) reformiert, bezieht sich das zumindest auf den Besuch von weiterbildenden Schulen und Hochschulen (§ 2 Abs. 1 S. 1 BAföG). Das BAföG sieht Maßnahmen individueller Förderung vor (§§ 11-20 BAföG).

3. Die Erforderlichkeitsklausel soll der zunehmenden Verlagerung von bestimmten Gesetzgebungskompetenzen der Länder auf den Bund entgegenwirken.

Genau, so ist das!

Sind zur Verfolgung der Ziele des Art. 72 Abs. 2 Var. 1-3 GG Regelungen des Bundes gleich geeignet wie Regelungen der Länder, wird der Regelung durch die Länder durch Art. 72 Abs. 2 GG im Grundsatz der Vorrang eingeräumt. Um den grundsätzlichen Vorrang der Ländergesetzgebung im Einzelfall umzudrehen, muss der Bund positiv nachweisen, dass er die Ziele des Art. 72 Abs. 2 Var. 1-3 GG besser als die Länder erreichen kann, weil eine bundeseinheitliche Regelung erforderlich ist. Durch diese Grundregel werden die Gesetzgebungsrechte der Länder in besonders sensiblen Bereichen des Art. 74 Abs. 1 GG geschont. Dahinter steht der Subsidiaritätsgedanke.

4. Art. 72 Abs. 2 GG gilt für alle Kompetenztitel in Art. 74 Abs. 1 GG.

Nein, das trifft nicht zu!

Die Erforderlichkeitsklausel gilt nur für die in Art. 74 Abs. 2 GG explizit aufgezählten Kompetenztitel (Art. 74 Abs. 1 Nr. 4, 7, 11, 13, 15, 19a, 20, 22, 25 und 26 GG).

5. Die BAföG-Reform muss für die Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse im Bundesgebiet oder die Wahrung der Rechts- oder Wirtschaftseinheit im gesamtstaatlichen Interesse erforderlich sein (Art. 72 Abs. 2 GG).

Ja!

Die Erforderlichkeit muss nur auf den Gebieten des Art. 74 Abs. 1 Nr. 4, 7, 11, 13, 15, 19a, 20, 22, 25 und 26 GG nachgewiesen werden (Art. 74 Abs. 2 GG). Die BAföG-Reform wird auf den Kompetenztitel zur Regelung der Ausbildungsbeihilfen (Art. 74 Abs. 1 Nr. 13 GG) gestützt. Art. 74 Abs. 1 Nr. 13 GG wird in Art. 72 Abs. 2 GG aufgezählt.

6. Die Erforderlichkeit einer bundeseinheitlichen Regelung im Sinne des Art. 72 Abs. 2 GG kann auch ohne einen Kompetenztitel die Gesetzgebungskompetenz des Bundes begründen.

Nein, das ist nicht der Fall!

Art. 72 Abs. 2 GG ist nur eine partielle Beschränkung der Vorrangkompetenz des Art. 72 Abs. 1 GG. Zur Anwendung des Art. 72 Abs. 1 GG bedarf es eines konkurrierenden Kompetenztitel des Bundes (Art. 74 Abs. 1 GG). Art. 72 Abs. 2 GG kann also denklogisch niemals (!) einen Kompetenztitel des Bundes begründen! Es ist ein grober (aber leider häufiger) Fehler, aus Art. 72 Abs. 2 GG (oder aus dem Nichts) einen Kompetenztitel „wegen der Erforderlichkeit“ der bundesgesetzlichen Regelung herzuleiten! Ein Aufbaufehler ist es zudem, etwas über die Erforderlichkeit zu schreiben, bevor ein Kompetenztitel des Bundes aus Art. 74 Abs. 1 GG bejaht wurde.

7. Die Prüfung der Erforderlichkeitsklausel erfolgt in zwei Schritten.

Ja, in der Tat!

Dabei ist zu prüfen, (1) ob eine bundeseinheitlichen Regelung überhaupt zur Erreichung der Ziele des Art. 72 Abs. 2 GG erforderlich ist („wenn [...] erforderlich“) und (2) in welchem Umfang die bundesgesetzliche Regelung („soweit [...] erforderlich“) erforderlich ist. Der zweite Schritt (zum erforderlichen Umfang der Regelung) fehlt in den meisten Prüfungsarbeiten und in vielen Musterlösungen. Hier kannst Du dich allein durch eine strukturierte Prüfung besonders auszeichnen! Im Rahmen des Art. 72 Abs. 2 GG ist eine Prognoseentscheidung des Bundes gefordert. Insbesondere aus dem Gesetzgebungsverfahren und den Gesetzesmaterialien muss daher plausibel hervorgehen, dass zum Zeitpunkt der Verabschiedung des Gesetzes keine vernünftige Alternative zur bundesgesetzlichen Regelung (Schritt 1) und zum Umfang der konkreten Regelung (Schritt 2) ersichtlich war (= Erforderlichkeit). Dabei wird dem Bund ein gewisser Einschätzungs- und Prognosespielraum zugestanden.

8. Das Vorliegen der Erforderlichkeitsklausel kann gerichtlich überprüft werden.

Ja!

Die Erforderlichkeitsklausel kann in einem speziellen Verfahren (Art. 93 Abs. 1 Nr. 2a GG) oder inzident im Rahmen der abstrakten Normenkontrolle (Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG) gerichtlich überprüft werden.
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