Zivilrechtliche Nebengebiete

Erbrecht

Einführung

Erbschaft – Einzelfälle: Leichnam (Totenfürsorge) 1/4

Erbschaft – Einzelfälle: Leichnam (Totenfürsorge) 1/4

5. November 2024

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

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Oma O verunglückt beim Fallschirmspringen tödlich. O's nächste noch lebende Angehörige ist die Tante T. O's Erbe E möchte den Leichnam nun, wie von O gewünscht, in einem Körperwelten-Museum ausstellen. T möchte den Leichnam bestatten. (1/4)

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Einordnung des Falls

Erbschaft – Einzelfälle: Leichnam (Totenfürsorge) 1/4

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Da der Leichnam im Eigentum des E steht, darf E damit verfahren, wie er möchte.

Nein!

Der Leichnam stellt nach herrschender Meinung eine Sache dar, die dem Rechtsverkehr entzogen ist. Es widerspreche den sittlichen Anschauungen, wenn der Erbe hieran ein Eigentumsrecht begründen kann. Der Leichnam stellt keinen Teil der Erbschaft des E dar. E hat somit kein Eigentum hieran begründet und kann mit der Sache daher nicht verfahren, wie er möchte. Nach anderer Ansicht fehlt dem Leichnam bereits die Sacheigenschaft, da dieser der letzte Rest der Persönlichkeit des Verstorbenen sei. Eine Vererbung wäre daher ebenfalls ausgeschlossen.
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2. Es ist Aufgabe der T, sich um den Leichnam zu kümmern.

Genau, so ist das!

Der Leichnam ist Gegenstand der Totenfürsorge. Diese obliegt gewohnheitsrechtlich den nächsten Angehörigen und nicht den Erben. Die T ist die nächste Angehörige. Ihr obliegt die Totenfürsorge und damit die Aufgabe, sich um den Leichnam zu kümmern.

3. T darf bestimmen, dass der Leichnam der O bestattet wird.

Nein, das trifft nicht zu!

Maßgeblich für Art und Ort der Bestattung ist der Wille des Verstorbenen. Der Wille der O ist es, nach ihrem Ableben in einem Körperwelten-Museum ausgestellt zu werden. Auch wenn der T die Totenfürsorge obliegt, darf sie sich nicht über den Willen der O hinwegsetzen. Eine bestimmte Form der Willensäußerung ist nicht erforderlich. Es ist ausreichend, wenn sich die Bestattungsanordnung des Verstorbenen mit Sicherheit ermitteln lässt.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

JO

Jose

26.7.2021, 19:18:45

Wonach bestimmt sich, wer zur Totenfürsorge berechtigt ist, wenn es m

ehre

re nahe Angehörige gibt?

Tigerwitsch

Tigerwitsch

27.7.2021, 11:24:08

Maßgeblich ist der Wille des Erblassers. Dieser kann zB auch Dritte mit den Angelegenheiten der Bestattung betrauen (durch Vollmacht oder schlüssiges Verhalten). Diese Aufgabenzuweisung ist losgelöst vom Erbrecht i.S.d. §§ 1922 ff. BGB und muss nicht in den Formen, die für Verfügungen von Todes wegen vorgegeben sind, erfolgen. Der Betraute muss daher auch nicht dem Kreis der engen Angehörigen entspringen. Siehe nur BGH, U. v. 26.10.1977 - AZ.: IV ZR 151/76; LG Nürnberg-Fürth, B. v. 19.06.2018 - AZ.: 6 O 1949/18. Bestimmt der Verstorbene niemanden, sind

gewohnheitsrecht

lich die Angehörigen entsprechend ihrer familiären Nähe zum Verstorbenen für die Totenfürsorge zuständig. Das richtet sich dann grundsätzlich nach dem entsprechenden Bestattungsgesetz des Bundeslandes. Im Wesentlichen lässt sich folgende Reihenfolge feststellen: Ehegatte/Lebenspartner - Eltern - Kinder - Großeltern - Enkel - Geschwister. Vgl. etwa Art. 15 Abs. 2 Satz 1 BayBestG. Es können auch m

ehre

re Personen betraut werden, die sich zB gegenseitig überwachen. Vgl. nur LG Nürnberg-Fürth, B. v. 19.06.2018 - AZ.: 6 O 1949/18.

ri

ri

27.7.2021, 00:59:12

Ist das irgendwo normiert, also Totenfürsorge und maßgeblicher Wille?

Tigerwitsch

Tigerwitsch

27.7.2021, 11:08:10

Diese Totenfürsorgepflicht der nächsten Familienangehörigen leitet sich vom

Gewohnheitsrecht

in Verbindung mit den Art. 1 Abs. 1, Art. 2, Art. 3 und Art. 6 GG und den ergänzend heranzuziehenden öffentlich-rechtlichen Bestimmungen des ehemaligen Reichsgebiets (§ 2 Abs. 3 des Reichs-Feuerbestattungsgesetzes vom 15. Mai 1934) und der Bestattungsgesetze der jetzigen Bundesländer ab. So ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass die nächsten Angehörigen, wenn und soweit ein erkennbarer Wille des Verstorbenen hinsichtlich seiner Bestattung nicht vorliegt, das Recht und die Pflicht trifft, über den Leichnam zu bestimmen und über die Art der Bestattung sowie die letzte Ruhestätte zu entscheiden. Siehe nur BGH, B. v. 14.12.2011 - AZ.: IV ZR 132/11; U. v. 26.10.1977 - AZ.: IV ZR 151/76; U. v. 26.02.1992 - AZ.: XII ZR 58/91. Daraus leistet sich ferner ab, dass der Wille des Erblassers im Rahmen der privaten Totenfürsorge maßgeblich ist. Dieser kann - nach höchstrichterlicher Rechtsprechung - nicht nur die Art und Weise seiner Beerdigung, sondern auch diejenige Person, die er mit der Wahrnehmung dieser Belange betraut, bestimmen, selbst wenn sie nicht unmittelbar zum Kreis der sonst berufenen Angehörigen zählt. Vgl. nur BGH, B. v. 14.12.2011 - AZ.: IV ZR 132/11.

Tigerwitsch

Tigerwitsch

27.7.2021, 11:12:24

Ergänzung: Die Kosten der Beerdigung trägt übrigens allein der Erbe - und gerade nicht der Totenfürsorgeberechtigte, vgl. § 1968 BGB.

Isabell

Isabell

14.8.2021, 16:48:39

Wie würden denn in einer entsprechenden gerichtlichen Auseinandersetzung die Paragraphenkette aussehen? 🤔

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

19.11.2021, 11:03:27

Hallo Isabell, wie Tigerwitsch schon im parallelen Thread ausgeführt hat, handelt es sich bei der Totenfürsorge um ein primär

gewohnheitsrecht

lich anerkanntes Recht. Eine konkrete Anknüpfung an eine Norm ist insofern nicht möglich (mit Ausnahme der von Tigerwitsch bereits genannten Herleitung). Zu beachten ist, dass Vorrang immer der Erblasserwille hat. Das heißt auch eine in den Ländergesetzen vorgesehene Reihenfolge (idR Ehegatte, Kinder u. Enkelkinder, Eltern u. Großeltern, Geschwister) tritt dahinter zurück. Häufiger wird es indes nicht darüber Streit geben, wer die Bestattung vornimmt, sondern wer die Kosten trägt. Neben einem Anspruch aus § 1968 BGB kommen hier auch Ansprüche aus GoA in Betracht. Und zwar nicht nur gegen den Erben, sondern ggfs. auch gegen den Totenfürsorgeberechtigten, sofern der Erbe nicht feststeht, der nachlass überschuldet ist oder der Fiskus als erbe die Haftungsbeschränkung auf den Nachlass geltend macht (vgl. BGH NJW 2012, 1651). Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team


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