Erbschaft – Einzelfälle: Leichnam (Totenfürsorge) 1/4
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Oma O verunglückt beim Fallschirmspringen tödlich. O's nächste noch lebende Angehörige ist die Tante T. O's Erbe E möchte den Leichnam nun, wie von O gewünscht, in einem Körperwelten-Museum ausstellen. T möchte den Leichnam bestatten. (1/4)
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Einordnung des Falls
Erbschaft – Einzelfälle: Leichnam (Totenfürsorge) 1/4
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Da der Leichnam im Eigentum des E steht, darf E damit verfahren, wie er möchte.
Nein!
Jurastudium und Referendariat.
2. Es ist Aufgabe der T, sich um den Leichnam zu kümmern.
Genau, so ist das!
3. T darf bestimmen, dass der Leichnam der O bestattet wird.
Nein, das trifft nicht zu!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Jose
26.7.2021, 19:18:45
Tigerwitsch
27.7.2021, 11:24:08
Maßgeblich ist der Wille des Erblassers. Dieser kann zB auch Dritte mit den Angelegenheiten der Bestattung betrauen (durch Vollmacht oder schlüssiges Verhalten). Diese Aufgabenzuweisung ist losgelöst vom Erbrecht i.S.d. §§ 1922 ff. BGB und muss nicht in den Formen, die für Verfügungen von Todes wegen vorgegeben sind, erfolgen. Der Betraute muss daher auch nicht dem Kreis der engen Angehörigen entspringen. Siehe nur BGH, U. v. 26.10.1977 - AZ.: IV ZR 151/76; LG Nürnberg-Fürth, B. v. 19.06.2018 - AZ.: 6 O 1949/18. Bestimmt der Verstorbene niemanden, sind
gewohnheitsrechtlich die Angehörigen entsprechend ihrer familiären Nähe zum Verstorbenen für die Totenfürsorge zuständig. Das richtet sich dann grundsätzlich nach dem entsprechenden Bestattungsgesetz des Bundeslandes. Im Wesentlichen lässt sich folgende Reihenfolge feststellen: Ehegatte/Lebenspartner - Eltern - Kinder - Großeltern - Enkel - Geschwister. Vgl. etwa Art. 15 Abs. 2 Satz 1 BayBestG. Es können auch m
ehrere Personen betraut werden, die sich zB gegenseitig überwachen. Vgl. nur LG Nürnberg-Fürth, B. v. 19.06.2018 - AZ.: 6 O 1949/18.
ri
27.7.2021, 00:59:12
Ist das irgendwo normiert, also Totenfürsorge und maßgeblicher Wille?
Tigerwitsch
27.7.2021, 11:08:10
Diese Totenfürsorgepflicht der nächsten Familienangehörigen leitet sich vom
Gewohnheitsrechtin Verbindung mit den Art. 1 Abs. 1, Art. 2, Art. 3 und Art. 6 GG und den ergänzend heranzuziehenden öffentlich-rechtlichen Bestimmungen des ehemaligen Reichsgebiets (§ 2 Abs. 3 des Reichs-Feuerbestattungsgesetzes vom 15. Mai 1934) und der Bestattungsgesetze der jetzigen Bundesländer ab. So ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass die nächsten Angehörigen, wenn und soweit ein erkennbarer Wille des Verstorbenen hinsichtlich seiner Bestattung nicht vorliegt, das Recht und die Pflicht trifft, über den Leichnam zu bestimmen und über die Art der Bestattung sowie die letzte Ruhestätte zu entscheiden. Siehe nur BGH, B. v. 14.12.2011 - AZ.: IV ZR 132/11; U. v. 26.10.1977 - AZ.: IV ZR 151/76; U. v. 26.02.1992 - AZ.: XII ZR 58/91. Daraus leistet sich ferner ab, dass der Wille des Erblassers im Rahmen der privaten Totenfürsorge maßgeblich ist. Dieser kann - nach höchstrichterlicher Rechtsprechung - nicht nur die Art und Weise seiner Beerdigung, sondern auch diejenige Person, die er mit der Wahrnehmung dieser Belange betraut, bestimmen, selbst wenn sie nicht unmittelbar zum Kreis der sonst berufenen Angehörigen zählt. Vgl. nur BGH, B. v. 14.12.2011 - AZ.: IV ZR 132/11.
Tigerwitsch
27.7.2021, 11:12:24
Ergänzung: Die Kosten der Beerdigung trägt übrigens allein der Erbe - und gerade nicht der Totenfürsorgeberechtigte, vgl. § 1968 BGB.
Isabell
14.8.2021, 16:48:39
Wie würden denn in einer entsprechenden gerichtlichen Auseinandersetzung die Paragraphenkette aussehen? 🤔
Lukas_Mengestu
19.11.2021, 11:03:27
Hallo Isabell, wie Tigerwitsch schon im parallelen Thread ausgeführt hat, handelt es sich bei der Totenfürsorge um ein primär
gewohnheitsrechtlich anerkanntes Recht. Eine konkrete Anknüpfung an eine Norm ist insofern nicht möglich (mit Ausnahme der von Tigerwitsch bereits genannten Herleitung). Zu beachten ist, dass Vorrang immer der Erblasserwille hat. Das heißt auch eine in den Ländergesetzen vorgesehene Reihenfolge (idR Ehegatte, Kinder u. Enkelkinder, Eltern u. Großeltern, Geschwister) tritt dahinter zurück. Häufiger wird es indes nicht darüber Streit geben, wer die Bestattung vornimmt, sondern wer die Kosten trägt. Neben einem Anspruch aus § 1968 BGB kommen hier auch Ansprüche aus GoA in Betracht. Und zwar nicht nur gegen den Erben, sondern ggfs. auch gegen den Totenfürsorgeberechtigten, sofern der Erbe nicht feststeht, der nachlass überschuldet ist oder der Fiskus als erbe die Haftungsbeschränkung auf den Nachlass geltend macht (vgl. BGH NJW 2012, 1651). Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team