Besonderer Vertraulichkeitsschutz 3 (situative Vertraulichkeit)

23. November 2024

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Junggeselle J ist auf einer großen Hochzeit eingeladen. In einem ruhigen Moment an der Bar vertraut er seinem geliebten Bruder B an, dass er jemandem umgebracht hat. B ist Polizist und verwertet diese Information in einem Strafverfahren gegen J.

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Einordnung des Falls

Besonderer Vertraulichkeitsschutz 3 (situative Vertraulichkeit)

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 2 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Das Gespräch mit B fällt in den Bereich der persönlichen Lebensführung des J.

Ja!

Eine Angelegenheit ist nicht dem Bereich der engeren Lebensführung zuzurechnen, sofern sie einen gewissen Sozialbezug aufweist. Ob ein Sozialbezug vorliegt, ist stets im situativen Einzelfall aus Sicht der Beteiligten zu bestimmen. Das Gespräch geschah auf einer großen Hochzeit und damit grundsätzlich in einem Rahmen mit hohem Sozialbezug. Konkret situativ fand das Gespräch aber in einem ruhigen Moment zwischen engen Familienmitgliedern statt. Aus Sicht der Beteiligten stellte sich die Situation deshalb sehr vertraulich dar. Das Gespräch weist damit einen geringen Sozialbezug auf und ist damit dem Bereich der engeren Lebensführung des J zuzurechnen.
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2. Die Verwertung durch B im Strafverfahren beeinträchtigt J in dessen allgemeinem Persönlichkeitsrecht.

Genau, so ist das!

Angelegenheiten, die von ihrem Inhalt her dem Bereich der engeren Lebensführung zugeschrieben werden, sind gem. Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG vertraulich und diskret zu behandeln. Das Gespräch fällt in den Bereich der engeren Lebensführung des J. Es ist deshalb von B vertraulich zu behandeln. Eine vertrauliche Behandlung liegt jedenfalls nicht vor, wenn ein Sachverhalt in einem öffentlichen Strafverfahren verwertet wird. Die Verwertung beeinträchtigt J somit in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

DeliktusMaximus

DeliktusMaximus

15.7.2022, 12:45:12

Man darf einem (verwandten) Polizisten privat erzählen, daß man jemanden umgebracht hat und er dürfte die Information nicht verwerten, weil man es ihm anvertraut hat?

Paul

Paul

20.7.2022, 12:26:16

Ich denke in der Aufgabe geht es vor allem um die Frage, ob der Schutzbereich eröffnet wurde. Auf der Ebene der Rechtfertigung wird man im Zuge der Angemessenheit mMn einen Eingriff in das

APR

bei einem derartigen Kapitalverbrechen in jedem Fall rechtfertigen können.

Nora Mommsen

Nora Mommsen

23.7.2022, 17:33:29

Hallo DeliktusMaximus, danke für deine Frage. Genau wie Paul gesagt hat, geht es in dieser Aufgabe darum zu prüfen ob der Schutzbereich des

APR

eröffnet ist. Über § 152 Abs. 2 StPO sind alle Amtsträger der Staatsanwaltschaft aber verpflichtet gegen verfolgbare Straftaten einzuschreiten, sofern zureichende tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen. Über § 163 Abs. 1 StPO werden

Behörde

n des Polizeidienstes davon miterfasst. Bei Tatsachen, deren Kenntnis ein Staatsanwalt außerdienstlich erlangt hat, steht die neuere Rechtsprechung auf dem Standpunkt, dass die Verfolgungspflicht des § 152 Abs. 2 bei privater Kenntniserlangung nur dann ausgelöst wird, wenn die strafbaren Handlungen noch in die Phase der Dienstausübung hineinreichen und in einer Abwägung das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung das Interesse des Staatsanwalts an der Wahrung seiner Privatsphäre überwiegt. Die Literatur trennt teilweise nach Verbrechen und Vergehen oder macht die Verfolgungspflicht vom Vorliegen einer Katalogtat des § 138 StGB abhängig. Peters/Mü-Ko preferiert eine Abwägungslösung im konkreten Fall. Die ältere Rechtsprechung stellte nur auf eine Abwägung zwischen Verfolgungsniteresse und Interesse am Schutz der Privatssphäre ab. Es gibt also ziemlich viele Ansätze - ganz eindeutig ist der Fall nie. Bei einem Tötungsdelikt spricht aber einiges dafür eine solche Verfolungspflicht auch bei außerdienstlicher Kenntniserlangung anzunehmen. Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team

BB14

BB14

10.7.2024, 16:46:12

Bei dem Fall in der Kirche (

Persönlichkeitssphäre

n 2) "C geht in die Sonntagsmesse in seiner Kirche. Er fühlt sich durch die Predigt des Pfarrers P so gelöst, dass er diesem beim Rausgehen von seiner Alkoholsucht erzählt. Ermittler E meint, er habe einen Anspruch darauf, vom Gesprächsinhalt zu erfahren." wird das Gespräch als Teil der Sozialsphäre eingeordnet. Auch wenn man beide Fälle jeweils als Sozialsphäre auslegen kann wäre es meiner Meinung nach konsequent die beiden Fälle gleich einzuordnen oder m

ehre

re Antworten als richtig zu werten.

AME

Amelie7

16.10.2024, 17:40:42

Das gleiche habe ich mir auch gedacht.


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