Öffentliches Recht

Grundrechte

Versammlungsfreiheit (Art. 8 Abs. 1 GG)

Fridays For Future (klassische Demonstration, bei der nach allen Versammlungsbegriffen eine Versammlung gegeben ist)

Fridays For Future (klassische Demonstration, bei der nach allen Versammlungsbegriffen eine Versammlung gegeben ist)

leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs
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Klassisches Klausurproblem

Von der Klimaschutzrede Greta Thunbergs motiviert organisiert A mit ihren Mitschülern regelmäßig die Demonstration „Fridays for Future“, die immer freitags während der Schulzeit auf dem Marktplatz stattfindet.

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Einordnung des Falls

Fridays For Future (klassische Demonstration, bei der nach allen Versammlungsbegriffen eine Versammlung gegeben ist)

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Nach dem weiten Versammlungsbegriff, der keine besonderen Anforderungen an den Zweck stellt, erfüllt die von A organisierte Demonstration „Fridays for Future“ die Voraussetzungen einer Versammlung.

Ja, in der Tat!

Nach dem weiten (teilweise auch offen genannten) Versammlungsbegriff ist eine Versammlung das Zusammenkommen mehrerer Menschen zur gemeinsamen Zweckverfolgung. An den Zweck, der verfolgt wird, werden nach dem weiten Versammlungsbegriff keine Anforderungen gestellt. Geschützt sind nach dem weiten Versammlungsbegriff daher auch reine Spaßveranstaltungen. Für den weiten Versammlungsbegriff spricht der offene Wortlaut des Art. 8 Abs. 1 GG, dagegen, dass er auch Veranstaltungen umfasst, die keines Schutzes über Art. 8 GG bedürfen (z.B. Mannschaftssport). Die Kinder verfolgen den gemeinsamen Zweck, auf die Klimaschutz-Problematik aufmerksam zu machen. Nach dem weiten Versammlungsbegriff liegt eine Versammlung vor.
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2. Auch nach einem erweiterten Versammlungsbegriff, der eine gemeinsame Meinungsbildung bzw. Meinungsäußerung verlangt, erfüllt die Demonstration die Voraussetzungen einer Versammlung.

Ja!

Nach einem erweiterten Versammlungsbegriff setzt eine Versammlung voraus, dass die Teilnehmer gemeinsam eine Meinung bilden bzw. kundtun. Eine Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung ist dabei nicht erforderlich. Gegen dieses Begriffsverständnis spricht, dass die Meinungsbildung und -äußerung auch über Art. 5 Abs. 1 GG geschützt ist; dafür spricht wiederum, dass eine Versammlung ohne Meinungsbildung oder Kundgabe nur schwer von einer Ansammlung zu unterscheiden ist. Die Kinder äußern auf der Demo gemeinsam ihre Meinung über die Klimaschutz-Problematik.

3. Auch nach dem engen Versammlungsbegriff, der eine auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichtete Erörterung oder Kundgabe voraussetzt, liegt eine Versammlung vor.

Genau, so ist das!

Nach dem engen Versammlungsbegriff (BVerfG, st. Rspr.) ist eine Versammlung (1) eine örtliche Zusammenkunft (2) mehrerer Personen (3) zur gemeinschaftlichen, auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichteten Erörterung oder Kundgebung. Historisch betrachtet bedarf die kommunikative Einflussnahme auf die öffentliche Meinung eines besonderen Schutzes. Denn gerade bei politischen Versammlungen, bei denen kommunikativ auf die öffentliche Meinungsbildung Einfluss genommen werden sollte, griff (und greift) der Staat ein. Gerade diesen Schutz soll Art. 8 Abs. 1 GG gewährleisten (Historie und Telos). Für den engen Versammlungsbegriff spricht auch, dass er – im Gegensatz zum weiten und zum erweiterten Versammlungsbegriff – eine klarere Abgrenzung zum Schutz der Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG) ermöglicht (Systematik). Die Kinder nehmen durch ihre Demo an der öffentlichen Meinungsbildung teil. In diesem Fall kommen alle drei Versammlungsbegriffe zu dem gleichen Ergebnis, nämlich dass eine Versammlung vorliegt. In der Klausur würdest Du dann schreiben, dass der Streit keiner Entscheidung bedarf.

4. Damit der sachliche Schutzbereich des Art. 8 Abs. 1 GG eröffnet ist, bedarf es einer Versammlung.

Ja, in der Tat!

Nach dem Versammlungsbegriff ist eine Versammlung (1) eine örtliche Zusammenkunft (2) mehrerer Personen (3) zu einem gemeinsamen Zweck. Der gemeinsame Zweck der Teilnehmer sowie deren dadurch entstehende innere Verbundenheit sind das Abgrenzungskriterium zur bloßen Ansammlung, die nicht in den Schutzbereich von Art. 8 Abs. 1 GG fällt. Welche Anforderungen an den gemeinsamen Zweck gestellt werden, ist umstritten. Hierzu werden im Wesentlichen drei Ansichten vertreten: (1) der weite Versammlungsbegriff, (2) der erweiterte Versammlungsbegriff und (3) der enge Versammlungsbegriff. Die Frage, ob eine Veranstaltung als Versammlung von Art. 8 Abs. 1 GG geschützt ist, ist ein beliebtes Klausurproblem. Dann wird von Dir erwartet, die Versammlung nach Maßgabe der verschiedenen Versammlungsbegriffe einzuordnen und bei Bedarf den Streit zu entscheiden.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Edward Hopper

Edward Hopper

29.6.2022, 21:39:11

Ich dachte das BVerfG vertritt die mittelnde Auffassung, also zwar nicht die weite aber auch nicht die enge Theorie?

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

30.6.2022, 11:17:08

Hallo besserwisser, während in der Vergangenheit (zB Brokdorf-Beschluss = BVerfG NJW 1985, 2395 (2396)) der Schutzbereich noch etwas offener formuliert wurde, vertritt das BVerfG heutzutage klar den engen Versammlungsbegriff (zB BVerfG NVwZ 2022, 324 RdNr. 5: "Art. 8 I GG schützt die Freiheit, mit anderen Personen zum Zwecke einer gemeinschaftlichen, auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichteten Erörterung oder Kundgebung örtlich zusammen zu kommen"), der deshalb auch so in die Landesversammlungsgesetze übernommen wurde (zB § 2 Abs. 1 VersFG SH). Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

JCF

JCF

23.9.2023, 21:55:18

Bei dem ersten Erklärungstext ist wohl etwas schiefgelaufen: "Versammlung(1) eine örtliche Zusammenkunft (2) mehrerer Personen (3) zu einem gemeinsamen ZweckArt. 8 Abs. 1 GGWelche Anforderungenumstrittenweiteerweiterteenge" [sic!]


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