Öffentliches Recht
Grundrechte
Versammlungsfreiheit (Art. 8 Abs. 1 GG)
Fuckparade – ist das noch eine grundrechtlich geschützte Versammlung? („Fuckparade“)
Fuckparade – ist das noch eine grundrechtlich geschützte Versammlung? („Fuckparade“)
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Veranstalter A meldet bei Polizeipräsidentin P in Berlin die „Fuckparade“ als Versammlung an. Geplant sind Wagen mit Techno-Musik und Bannern gegen die Kulturpolitik der Stadt. Flyer und Podiumsdiskussion gehören zum Programm. P meint, die Veranstaltung sei keine Versammlung.
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Einordnung des Falls
Fuckparade – ist das noch eine grundrechtlich geschützte Versammlung? („Fuckparade“)
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 6 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Eine Versammlung setzt voraus, dass die Teilnehmer einen gemeinsamen Zweck verfolgen.
Ja!
Jurastudium und Referendariat.
2. Nach dem weiten Versammlungsbegriff stellt die „Fuckparade“ eine Versammlung dar.
Genau, so ist das!
3. Auch nach dem erweiterten Versammlungsbegriff stellt die „Fuckparade“ eine Versammlung dar.
Ja, in der Tat!
4. Nach der Rechtsprechung wird eine Musik- und Tanzveranstaltung allein dadurch zu einer Versammlung, dass bei ihrer Gelegenheit auch Meinungskundgaben erfolgen.
Nein!
5. Entscheidend für die Einordnung des Gesamtgepräges der Veranstaltung ist der Wille der Beteiligten.
Nein, das ist nicht der Fall!
6. Im Zweifel liegt eine Versammlung vor.
Ja, in der Tat!
Fundstellen
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Pekunia
13.2.2020, 18:43:55
„Noch 2001 hat das BVerfG...“ Und was hat sich seit 2001 geändert? Warum wird es jetzt anders bewertet? Ist hier nicht so verständlich formuliert.
Gravenstein
26.2.2020, 10:24:43
Dem Sachverhalt hier lässt sich m. E. kein klares Gewicht des einen oder anderen Zwecks erkennen, so dass die Zweifelsregel m. E. eingreift. Der abschließende Satz in der Erklärung wirkt für mich wie ein disclaimer.
GingerCharme
11.4.2020, 13:23:07
So wie ich das verstanden habe, hat das BVerfG diese Veranstaltungen noch als überwiegend der Musik und dem Tanz gewidmet gewertet - es liegt also keine Versammlung vor. Das Bundesverwaltungsgericht hat 6 Jahre später keinen solchen Schwerpunkt ausmachen können - im Zweifel gilt es ist eine Versammlung. Habe aber die Urteile nicht gelesen, vllt liegt es auch einfach daran, dass die "Fuckparade" ja auch Podiumsdiskussionen beinhaltete und die "Loveparade" rein Ausdruck eines Lebensgefühls war.
Lukas_Mengestu
6.5.2021, 09:51:46
Hallo zusammen, vielen Dank für den wertvollen Hinweis. An den rechtlichen Maßstäben hat sich tatsächlich nichts geändert. Diese wurden bereits vom BVerfG in seinen Beschlüssen vom 12.Juli 2001 (1 BvQ 28/01 bzw. 1 BvQ 30/01) so aufgestellt. Der zentrale Unterschied ist indes die Prüfdichte. Es handelte sich bei den Verfahren vor dem BVerfG um Eilverfahren. Aus diesem Grund hat es klargestellt, dass es die Beurteilung des Gesamtgepräges einer Veranstaltung im Eilverfahren nur bedingt überprüfen kann und von der Einschätzung der Fachgerichte nur dann abweicht, wenn diese Einschätzung offensichtlich fehlerhaft ist. Dies konnte es nicht feststellen. Das Bundesverwaltungsgericht hat dagegen das Gesamtgepräge eigenständig und vollumfänglich überprüft und ist insoweit aufgrund des Zweifelsatzes
Lukas_Mengestu
6.5.2021, 09:52:24
zum Ergebnis gekommen, dass hier eine Versammlung vorliegt. Wir haben das nun in einem Vertiefungshinweis noch etwas mehr ausgeführt. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
QuiGonTim
27.10.2024, 14:16:10
Wie sind der enge und der erweiterte Versammlungsbegriff voneinander abzugrenzen? Eine Ansammlung, die zwar der Meinungskundgabe, aber nicht der Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung dient ist doch kaum vorstellbar. Denn dann müssten die Teilnehmer der Ansammlung davon ausgehen, dass die von ihnen kundgetane Meinung für andere völlig irrelevant sei.
Wendelin Neubert
30.10.2024, 14:20:31
Danke für Deine Nachfrage @[QuiGonTim](133054). Ich kann Deine Kritik nachvollziehen, dass der enge und der erweiterte Versammlungsbegriff im Einzelfall oft zu den gleichen Ergebnissen führen. Dennoch sind Konstellationen vorstellbar, in denen die Meinungskundgabe nicht auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung abzielt. So haben wir das ja in dem Fall, der diesem hier vorangeht, ausführlich dargestellt (hier zu finden: https://applink.jurafuchs.de/ufbWpcwj7Nb). In dem dargestellten Fall – ausgehend von der Diskussion des Falles durch Rechtsprechung und Literatur – gegen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der „Love Parade“ Ender 1990er Jahre zwar ihre Meinung in Bezug auf ihr Lebensgefühl kund, aber zielen damit nicht auf eine Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung ab (das kann man – je nach Sachverhalt – natürlich auch anders sehen). Hoffe das hilft! Beste Grüße - Wendelin für das Jurafuchs-Team