Meinungsfreiheit 1

22. November 2024

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

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Klassisches Klausurproblem

T fährt mit überhöhter Geschwindigkeit und wird bei einer Geschwindigkeitskontrolle durch den Polizisten P angehalten. Während P sich um die Formalia kümmert, bezeichnet die über diese Art von Verkehrsmessungen verärgerte T den P als "Wegelagerer" (= Straßenräuber).

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Einordnung des Falls

Meinungsfreiheit 1

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Es handelt sich um eine Tatsachenbehauptung.

Nein, das trifft nicht zu!

Die Beleidigung (§ 185 StGB) erfasst Tatsachenbehauptungen gegenüber dem Betroffenen und Werturteile gegenüber dem Betroffenen oder Dritten. Denn für Werturteile gilt ausschließlich § 185 StGB. Tatsachen sind Geschehnisse oder Zustände der Vergangenheit oder Gegenwart, die dem Beweis zugänglich sind. Werturteile sind Äußerungen, die durch Elemente subjektiver Überzeugung oder Meinung geprägt sind und deshalb nicht wahr oder unwahr, sondern je nach der persönlichen Überzeugung nur falsch oder richtig sein können (z.B. Meinungsäußerungen). Wenn eine Äußerung Tatsachen und Werturteile enthält, erfolgt die Abgrenzung nach dem überwiegenden Element. T will durch die Bezeichnung ihre persönliche Meinung über P bzw. Geschwindigkeitskontrollen zum Ausdruck bringen, es handelt sich um ein Werturteil.
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2. Für § 185 StGB muss das Werturteil ehrverletzend sein.

Ja!

Eine Beleidigung setzt voraus, dass die Äußerung ehrverletzenden Inhalt hat. Verletzt wird die Ehre durch die Äußerung dann, wenn diese die eigene Nicht- oder Missachtung bzgl. eines erkennbar Betroffenen zum Ausdruck bringt. Maßgeblich ist, wie der objektive Sinngehalt der Äußerung aus der Sicht eines unbefangenen Erklärungsempfängers zu verstehen ist. Ob eine Verletzung der Ehre vorliegt, ist unter Gesamtbetrachtung aller Umstände des Einzelfalls zu werten (Wortlaut, Kontext, Verhältnis zwischen Täter und Opfer usw.).

3. Bei der Würdigung der Äußerung der T als ehrverletzend ist deren Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG) zu beachten.

Genau, so ist das!

Bei der Auslegung des Werturteils ist die Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG) zu beachten. Auf der ersten Ebene ist zu prüfen, ob es sich um eine solche herabsetzenden Äußerungen handelt, bei denen nicht die Sache, sondern die Diffamierung der Person im Vordergrund steht (Schmähkritik). In diesem Fall tritt die Meinungsfreiheit regelmäßig hinter den Ehrschutz zurück. Auf der zweiten Ebene ist eine konkrete Abwägung zwischen Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG) und Ehrschutz (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) vorzunehmen. Zu berücksichtigen sind dabei insbesondere, (1) ob die Meinung im Rahmen einer privaten Auseinandersetzung zur Verfolgung von Eigeninteressen oder im Zusammenhang mit einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage Gebrauch gemacht wird sowie (2) Anlass und Kontext der Äußerung.

4. Die Äußerung der T ist ein ehrverletzendes Werturteil (§ 185 StGB).

Nein, das trifft nicht zu!

T könnte gegenüber P durch die Gleichstellung mit einem Straßenräuber lediglich ihre persönliche Missachtung gegenüber P kundgetan haben. Sie könnte jedoch auch ihre Kritik an der Verfolgung und Ahndung von Verkehrsordnungswidrigkeiten durch den Beamten im konkreten Fall formuliert haben. Außerdem könnte sie ihren Unmut über häufige Verkehrskontrollen zum Ausdruck gebracht haben, die überraschend stattfinden und bei denen Fahrer also "in eine Falle gelockt" werden. Wegen dieser Anlassbezogenheit der Äußerung kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Diffamierung des P im Vordergrund stand oder dass die Meinungsfreiheit zurücktreten muss. Die Äußerung ist im Lichte des Art. 5 Abs. 1 GG keine tatbestandliche Beleidigung des P.
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