Öffentliches Recht

VwGO

Normenkontrollverfahren

Standardfall: Überprüfung von Bebauungsplan gemäß § 10 BauGB (§ 47 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1 VwGO)

Standardfall: Überprüfung von Bebauungsplan gemäß § 10 BauGB (§ 47 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1 VwGO)

21. November 2024

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Karl-Heinz Knülle (K) wohnt im Geltungsbereich eines Bebauungsplans, der das Gebiet als reines Wohngebiet ausweist. Die Gemeinde G beschließt eine Änderung des Bebauungsplans. Da das Gebiet nun als Gewerbegebiet ausgewiesen ist, will K gerichtlich gegen den Bebauungsplan vorgehen.

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Einordnung des Falls

Standardfall: Überprüfung von Bebauungsplan gemäß § 10 BauGB (§ 47 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1 VwGO)

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. In Betracht kommt ein Normenkontrollantrag nach § 47 Abs. 1 VwGO. Dafür müsste zunächst der Verwaltungsrechtsweg eröffnet sein.

Genau, so ist das!

Auch im Rahmen eines Normenkontrollantrags gemäß § 47 Abs. 1 VwGO müssen die allgemeinen Zulässigkeitsvoraussetzungen vorliegen und der Verwaltungsrechtsweg eröffnet sein. Wird eine untergesetzliche Rechtsvorschrift angegriffen, ist der Verwaltungsrechtsweg gemäß § 40 Abs. 1 S. 1 VwGO eröffnet, wenn sich aus der Anwendung der Vorschrift Rechtsstreitigkeiten ergeben, die im Verwaltungsrechtsweg auszutragen sind. Die Geltung des neuen Bebauungsplans führt dazu, dass bestimmte Bauvorhaben in dem Gebiet genehmigt oder nicht genehmigt werden können. Sich hieraus ergebende Rechtsstreitigkeiten um die Erteilung einer Baugenehmigung sind öffentlich-rechtliche Streitigkeiten nichtverfassungsrechtlicher Art. Folglich ist der Verwaltungsrechtsweg (§ 40 Abs. 1 S. 1 VwGO) hier eröffnet.
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2. § 47 Abs. 1 VwGO regelt zwei Fälle, in denen die verwaltungsgerichtliche Normenkontrolle statthaft ist.

Ja, in der Tat!

Ein Normenkontrollantrag ist statthaft(1) gegen Satzungen, die nach den Vorschriften des Baugesetzbuchs erlassen wurden, und gegen Rechtsverordnungen aufgrund des § 246 Abs. 2 BauGB (§ 47 Abs. 1 Nr. 1 VwGO), sowie (2) gegen andere im Rang unter den Landesgesetz stehende Rechtsvorschriften erhoben werden, sofern das Landesrecht dies bestimmt (§ 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO). Der in § 47 Abs. 1 VwGO geregelte Rechtsbehelf kann als Normenkontrollverfahren, (verwaltungsgerichtliche) Normenkontrolle oder Normenkontrollantrag benannt werden. Der Begriff der Klage wäre ausweislich des Gesetzeswortlauts unpräzise.

3. G hat den Bebauungsplan durch Erlass einer Rechtsverordnung geändert.

Nein!

Rechtsverordnungen werden von einem Exekutivorganen erlassen. Satzungen hingegen werden nicht unmittelbar von einer staatlichen Stelle direkt erlassen, sondern von mit Hoheitsrechten ausgestatteten Körperschaften, die vom Staat rechtlich unabhängig, aber in den Staat eingegliedert sind (regelmäßig bezeichnet als mittelbare Staatsverwaltung). Solche Stellen sind etwa Hochschulen, aber vor allem die Gemeinden, die nach Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG kommunale Selbstverwaltungsgarantie genießen. Gemeinden erlassen Bebauungspläne als Satzung (§ 10 Abs. 1 BauGB). Will die Gemeinde einen bestehenden Bebauungsplan ändern, so erfolgt dies ebenfalls durch Erlass einer Satzung. G hat den Bebauungsplan durch den Erlass einer Satzung geändert. Gemeinden sind staatsrechtlich keine „dritte Ebene“ neben Bund und Ländern, sondern gehören zu den Ländern. Allerdings sind sie durch Art. 28 Abs. 2 GG mit eigenen Rechten ausgestattet. Eine Folge daraus ist, dass Gemeinden in Ausübung ihrer eigenen Rechte u.a. Satzungen erlassen, nicht etwa Rechtsverordnungen. Aber auch hier gibt es Durchbrechungen: So werden etwa Bebauungspläne in Berlin auf gesetzlicher Grundlage als Rechtsverordnungen erlassen.

4. G hat die Satzung nach den Vorschriften des Baugesetzbuchs erlassen. Ist Ks Normenkontrollantrag gemäß § 47 Abs. 1 Nr. 1 VwGO statthaft?

Genau, so ist das!

§ 47 VwGO regelt zwei Fälle, in denen der Normenkontrollantrag statthaft ist. In § 47 Abs. 1 Nr. 1 VwGO steht der speziellere Fall. Danach ist der Normenkontrollantrag gegen Satzungen, die nach den Vorschriften des Baugesetzbuchs erlassen wurden, sowie gegen Rechtsverordnungen aufgrund des § 246 Abs. 2 BauGB statthaft. Ein Bebauungsplan wird aufgrund § 10 Abs. 1 BauGB als Satzung durch die Gemeinde beschlossen. Damit ist § 47 Abs. 1 Nr. 1 VwGO einschlägig, wenn die Gültigkeit eines Bebauungsplans überprüft werden soll. Zur Überprüfung der Gültigkeit des Bebauungsplans der Gemeinde G ist nach § 47 Abs. 1 Nr. 1 VwGO die verwaltungsgerichtliche Normenkontrolle statthaft. Der Normenkontrollantrag gemäß § 47 Abs. 1 Nr. 1 VwGO gegen Bebauungspläne i.S.d. § 10 Abs. 1 BauGB ist der häufigste Klausurfall des § 47 VwGO.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Isabell

Isabell

6.2.2022, 13:08:39

Je nach Bundesland läuft die Kontrolle der CovidSchutzVO auch über diesen Paragraphen.

Steinfan

Steinfan

23.7.2024, 15:18:35

Die Prüfung des Verwaltungsrechtswegs ergibt sich aus dem Wortlaut „im Rahmen seiner Gerichtsbarkeit“, vgl. § 47 I VwGO. Macht sich immer ganz gut die Formulierung im Gutachten zu übernehmen.

Wendelin Neubert

Wendelin Neubert

23.7.2024, 16:51:21

Hallo @[Steinfan](235363), danke für Deinen ergänzenden Hinweis, aber der ist in dieser Form jedenfalls missverständlich: Die notwendige Prüfung der

Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs

ergibt sich für Verfahren nach § 47 Abs. 1 VwGO – wie für alle anderen verwaltungsprozessrechtlichen Verfahren auch – direkt aus § 40 Abs. 1 S. 1 VwGO. Die Formulierung „Das Oberverwaltungsgericht entscheidet im Rahmen seiner Gerichtsbarkeit...“ in § 47 Abs. 1 VwGO greift die Rechtswegzuständigkeit auf, zielt aber auf etwas anderes ab: Die Vorschrift soll vermeiden, dass es verwaltungsgerichtliche Präjudizien für Streitigkeiten gibt, für die ausschließlich Gerichte anderer Gerichtszweige zuständig sind (Panzer/Schoch, in: Schoch/Schneider, VwGO, 45.EL. 2024, § 47 RdNr. 32). Praktisch relevant wird das dort, wo mithilfe der Normenkontrolle eine untergesetzliche Rechtsnorm angegriffen wird, die zwar überwiegend dem öffentlichen Recht zuzuordnen ist (§ 40 Abs. 1 S. 1 VwGO), die aber auch Vorschriften enthält, für die andere Gerichte zuständig sind (z.B. eine Abfallwirtschaftssatzung, die neben Bestimmungen, für die der

Verwaltungsrechtsweg eröffnet

ist, auch Bestimmungen enthält, die dem Ordnungswidrigkeitenrecht zuzuordnen sind, vgl. BVerwG, NVwZ 2024, 614, 616; BVerwG, NVwZ 2005, 695f.). In solchen Fällen beschränkt sich die Entscheidungsbefugnis des OVG/VGH „im Rahmen seiner Gerichtsbarkeit“ auf die Überprüfung der öffentlich-rechtlichen Bestimmungen; die Bestimmungen rein ordnungswidrigkeitsrechtlichen Inhalts unterliegen nicht der Prüfung nach

§ 47 VwGO

, weil gegen die auf solche Normen gestützten Bußgeldbescheide nach § 68 OWiG allein die ordentlichen Gerichte angerufen werden können. Hoffe das hilft! Beste Grüße - Wendelin für das Jurafuchs-Team

Steinfan

Steinfan

23.7.2024, 21:06:44

Danke für die schnelle Antwort, die einleuchtet. Leider steht es im Unirep-Münster Skript von Wittreck anders, nämlich „Verwaltungsrechtsweg: Gem. § 47 I VwGO entscheidet das OVG im Rahmen seiner Gerichtsbarkeit. Diese ist eröffnet, wenn der Verwaltungsrechtsweg gem. § 40 I 1 VwGO eröffnet ist.“ Bei Juracademy steht es leider auch anders: „Auch wenn in der Sache kein Unterschied besteht, sollten Sie sich in der Fallbearbeitung am Wortlaut des § 47 I VwGO orientieren, der „im Rahmen seiner Gerichtsbarkeit“ lautet. Dadurch zeigen Sie, dass Sie den kleinen Unterschied zur üblichen Vorgehensweise über § 40 I VwGO erkannt haben. LG

L.G

L.Goldstyn

25.8.2024, 13:24:07

Ich habe im Repertorium gelernt, dass die von Euch diskutierte Frage sowohl in der Kommentar- als auch in der klassischen Ausbildungsliteratur sehr umstritten ist. Allerdings wird dies – soweit ich sehen kann – kaum irgendwo ausdrücklich diskutiert, sondern jeweils nur der eine oder der andere Ansatz mit oder ohne Begründung vertreten. Der von @[Steinfan](235363) zitierte Satz aus dem Unirep-Skript wurde mir als „Kompromisslösung“ für die Klausur vorgeschlagen, allerdings mit dem Hinweis, dass es hier leider keinen „sicheren“ Weg gibt.


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