Zivilrecht
Sonstige vertragliche Schuldverhältnisse
Schenkung, §§ 516ff. BGB
Zuwendung aus dem Vermögen des Schenkers – Leistungen, die sich lediglich auf eine zeitweise Gebrauchsüberlassung von Vermögensgütern richten
Zuwendung aus dem Vermögen des Schenkers – Leistungen, die sich lediglich auf eine zeitweise Gebrauchsüberlassung von Vermögensgütern richten
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Vater V verspricht seinem Sohn S, dass dieser bis an sein Lebensende unentgeltlich in dem großen Herrenhaus des V wohnen könne. V selbst lebt mittlerweile eh in einer Mietwohnung in der Stadt. S bedankt sich überschwänglich.
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Einordnung des Falls
Zuwendung aus dem Vermögen des Schenkers – Leistungen, die sich lediglich auf eine zeitweise Gebrauchsüberlassung von Vermögensgütern richten
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Eine Schenkung setzt eine Zuwendung, also eine Entäußerung eines Vermögensbestandteils zum Vorteil eines Anderen voraus.
Genau, so ist das!
Jurastudium und Referendariat.
2. V hat dem S ein unentgeltliches lebenslanges Wohnrecht zugewendet, sodass eine Schenkung vorlag.
Nein, das trifft nicht zu!
3. V und S haben einen Leihvertrag (§ 598 BGB) geschlossen.
Ja!
4. Der Leihvertrag ist formnichtig (§ 125 BGB).
Nein, das ist nicht der Fall!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Isabell
14.1.2022, 09:24:31
Warum wird die durch das lebenslange Wohnrecht verursachte Minderung des Verkehrswertes nicht berücksichtigt?
Lukas_Mengestu
14.1.2022, 18:48:19
Spannende Frage, Isabell! Maßgeblich ist hier, dass der Schenker eine "dauerhafte Verminderung" seines Vermögens erleiden muss (Gehrlein, in: BeckOK, BGB, 60. Ed. 1.11.2021, § 516 RdNr. 4). Daran fehlt es aber nach Auffassung des BGH bei lediglich vorübergehender Gebrauchsüberlassung (vgl. BGH NJW 1982, 820). Dem stehe es auch nicht entgegen, dass die Überlassung für den Eigentümer mit wirtschaftlichen Nachteilen verbunden ist. Denn ungeachtet solcher Nachteile seien solche Verträge durch das BGB der Leihe unterstellt. Wir haben die entsprechende Entscheidung nun auch in den Quellen verlinkt, falls Dich der Volltext interessiert :-). Beste Grüße, Lukas
Isabell
14.1.2022, 19:05:02
Oh cool. Dankeschön! Reines Eigeninteresse aus Selbstbetroffenheit 😅
evanici
5.9.2023, 12:03:24
Steinfan
23.4.2024, 16:37:38
Da hier explizit die Form abgefragt wird, hier ergänzend ein neueres Urteil zur analogen Anwendung von §
518 BGB: „Die unentgeltliche Gebrauchsüberlassung von Wohn- oder Geschäftsräumen ist regelmäßig auch bei langer Vertragslaufzeit Leihe und selbst dann nicht formbedürftig, wenn das Recht des Verleihers zur Eigenbedarfskündigung vertraglich ausgeschlossen ist. […] Zwar ist die Kündigungsbefugnis nach § 605 Nr. 1 BGB eine Rechtfertigung dafür, dass das Gesetz die Belange des Verleihers auch ohne
Formzwangals ausreichend gewahrt ansieht. Deshalb wird teilweise vertreten, dass im Falle des Ausschlusses der Eigenbedarfskündigung die analoge Anwendung des §
518 BGBin Betracht zu ziehen sei. Dem ist jedoch nicht zu folgen. Auch bei Ausschluss der Eigenbedarfskündigung stellt die Leihe ein Minus zur Schenkung dar, weil das Eigentum beim Verleiher verbleibt und der Entleiher die geliehene Sache nur als Fremdbesitzer nutzt. Darüber hinaus steht dem Verleiher bei Dauerschuldverhältnissen wie der Leihe auf Zeit jedenfalls die Kündigung aus wichtigem Grund gemäß § 314 BGB offen, um sich bei
Unzumutbarkeitder Fortsetzung des Vertragsverhältnisses von diesem zu lösen. (BGH v. 27.1.2016 - XII ZR 33/15)
Ferdinand
3.5.2024, 22:06:38
Gilt es ebenfalls als Leihe, wenn der Sohn die Nebenkosten des Gutshauses für die Zeit der Nutzung übernimmt? Daran anschließend: Gilt es auch als Leihe, wenn zwar keine Kaltmiete aber die Zahlung von Nebenkosten vereinbart wird? Falls es nicht als Leihe gilt, kommt es dann zu einem Mietverhältnis und wäre in diesem Fall die erlassene Kaltmiete eine Schenkung?
Maximilian Puschmann
7.5.2024, 13:22:03
Hallo Ferdinand, ein solcher Fall lag dem OLG Dresden zur Entscheidung vor. Die Übernahme von Nebenkosten für die Nutzung einer Wohnung ist keine Entgeltvereinbarung, womit weiterhin ein Leihvertrag anzunehmen ist. Fundstelle: OLG Dresden, Beschluss vom 07.11.2002 - 4 W 1324/02. Der BGH hält die Übernahme von Kosten, die zur Erhaltung erforderlich sind und regelmäßig wiederk
ehren, als Kriterium für einen Leihvertrag. Fundstelle: BGH Urt. v. 20.9.2017 – VIII ZR 279/16, NZM 2017, 729. Wichtig ist jedoch, dass es sich um verbrauchsabhängige Nebenkosten handelt. Wenn Kosten wie die Übernahme von Steuern und Versicherungen vereinbart werden, hat der BGH einen Mietvertrag angenommen. BGH Urt. v. 4.5.1970 – VIII ZR 179/68, WM 1970, 1197. Es muss also im
Einzelfallgenau hingeguckt werden, welche Kosten übernommen werden. Einen ausführlichen Überblick, wann eine Kostenübernahme zu einer Entgeltvereinbarung führt und damit zu einem Mietvertrag, findest du im MAH MietR, § 44 Rechtliche Einordnung der Gewerberaummiete Rn. 46. Beste Grüße Max – für das Jurafuchs-Team
Dogu
19.8.2024, 17:19:48
Wäre dies bei der Einräumung eines dinglichen Wohnungsrechts anders zu beurteilen?
Jakob G.
19.10.2024, 21:38:36
Ich würde sagen, ja. Im Unterschied zur Leihe wird ja das Eigentum dinglich belastet, § 10
93 BGB. Hieraus ergibt sich - grundsätzlich im Gegensatz zur Leihe - das Recht der dinglich wohnberechtigten Person, ihre Familienangehörigen aufzunehmen (§ 1093 II BGB). PS: "standesgemäße Bedienung" in Abs. 2 klingt, als würde ein dingliches Wohnrecht adeligen Kindern zugesprochen werden. :D
JulianF
28.8.2024, 13:53:45
Ein Nießbrauchsrecht hätte doch Vermögenswert, würde also als Schenkung qualifiziert werden können. Woher weiß ich, wann neben einer einfachen Leihe ein solches bestellt ist? Der Entleiher kann die Sache doch schon aufgrund schuldvertraglicher Abrede gebrauchen und evtl. Nutzungen ziehen.
0815jurafuchs
26.9.2024, 21:24:41
Hallo JulianF, maßgeblicher Unterschied zwischen Leihe und Nießbrauch ist, dass bei der Leihe dem Entleiher nur der Gebrauch der Sache unentgeltlich ermöglicht wird. Im Gegensatz dazu wird beim Nießbrauch dem Nießbrauchberechtigten erlaubt, Nutzungen der Sache zu ziehen (vgl. 1030 BGB). Zur Abgrenzung ist daher entscheidend was zwischen den beiden Vertragspartnern vereinbart ist. Ist der eine Vertragspartner berechtigt Früchte aus der Sache zu ziehen wie z.B. die Wohnung weiter zu vermieten, liegt keine Leihe vor, sondern entweder ein mit Schenkung gemischter Vertrag oder ein Nießbrauchsrecht. Was davon vorliegt, hängt wiederum vom vereinbarten Pflichtenprogramm. So ist der Nießbrauchsberechtigte bspw. verpflichtet, auf eigene Kosten für die Erhaltung der Sache zu sorgen (vgl. 1041 BGB). Es kommt hier also dann auf den konkreten Sachverhalt an.