Zivilrecht

Sonstige vertragliche Schuldverhältnisse

Schenkung, §§ 516ff. BGB

Zuwendung aus dem Vermögen des Schenkers – Leistungen, die sich lediglich auf eine zeitweise Gebrauchsüberlassung von Vermögensgütern richten

Zuwendung aus dem Vermögen des Schenkers – Leistungen, die sich lediglich auf eine zeitweise Gebrauchsüberlassung von Vermögensgütern richten

21. Dezember 2024

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Vater V verspricht seinem Sohn S, dass dieser bis an sein Lebensende unentgeltlich in dem großen Herrenhaus des V wohnen könne. V selbst lebt mittlerweile eh in einer Mietwohnung in der Stadt. S bedankt sich überschwänglich.

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Einordnung des Falls

Zuwendung aus dem Vermögen des Schenkers – Leistungen, die sich lediglich auf eine zeitweise Gebrauchsüberlassung von Vermögensgütern richten

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Eine Schenkung setzt eine Zuwendung, also eine Entäußerung eines Vermögensbestandteils zum Vorteil eines Anderen voraus.

Genau, so ist das!

Eine Zuwendung (§ 516 Abs. 1 BGB) ist die rechtliche Entäußerung eines Vermögensbestandteils zum Vorteil eines anderen. Der Begriff der Zuwendung erfordert also eine Vermögensminderung auf Seiten des Schenkers sowie eine Vermögensmehrung auf der Seite des Beschenkten.
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2. V hat dem S ein unentgeltliches lebenslanges Wohnrecht zugewendet, sodass eine Schenkung vorlag.

Nein, das trifft nicht zu!

Eine Zuwendung (§ 516 Abs. 1 BGB) ist die dauerhafte rechtliche Entäußerung eines Vermögensbestandteils zum Vorteil eines anderen. Erforderlich ist also eine Vermögensminderung auf Seiten des Schenkers sowie eine Vermögensmehrung auf der Seite des Beschenkten. Die vorübergehende Gebrauchsüberlassung von Sachen ist regelmäßig keine das Vermögen mindernde Zuwendung, da der Leistende Eigentümer bleibt und auch der unmittelbare Besitz nur vorübergehend aus der Hand gegeben wird. V und S haben sich über die unentgeltliche vorübergehende Gebrauchsüberlassung des Hauses geeinigt. Da V Eigentümer des Hauses bleibt und auch der unmittelbare Besitz nicht endgültig, sondern nur vorübergehend aus der Hand gegeben wird, liegt keine Vermögensminderung bei V vor. Dass die Gebrauchsüberlassung bis zum Tod des S also wahrscheinlich auch über den Tod des V hinaus erfolgt, macht für die rechtliche Betrachtung keinen Unterschied. Allein das Merkmal der Unentgeltlichkeit macht die Leistung noch nicht zu einer Schenkung. Es muss genau subsumiert werden, ob auch eine Zuwendung vorliegt.

3. V und S haben einen Leihvertrag (§ 598 BGB) geschlossen.

Ja!

Wer sich vertraglich verpflichtet, einem anderen den Gebrauch einer Sache unentgeltlich und zeitlich begrenzt zu gestatten, begründet einen Leihvertrag (§ 598 BGB). Es fehlt an einer Vermögensminderung, sodass keine Schenkung vorliegt. Vielmehr wird nur der bloße Gebrauch des Vermögens gestattet. V hat S den Gebrauch des Hauses als Wohnhaus bis zu S Tod unentgeltlich gestattet. Die beiden haben daher einen Leihvertrag (§ 598 BGB) geschlossen.

4. Der Leihvertrag ist formnichtig (§ 125 BGB).

Nein, das ist nicht der Fall!

Ein Schenkungsversprechen bedarf nach § 518 BGB der notariellen Beurkundung, es sei denn es liegt eine Handschenkung nach § 516 BGB vor. Ein Leihvertrag ist hingegen formlos wirksam. V und S haben einen Leihvertrag über das Wohnhaus geschlossen, welcher formlos wirksam ist. Da eine Leihe gerade die Gestattung des unentgeltlichen Gebrauchs zum Gegenstand hat, kann auch in der damit verbundenen Zuwendung des Werts einer sonst möglich gewesenen Eigennutzung der Sache keine Schenkung gesehen werden.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Isabell

Isabell

14.1.2022, 09:24:31

Warum wird die durch das lebenslange Wohnrecht verursachte Minderung des Verkehrswertes nicht berücksichtigt?

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

14.1.2022, 18:48:19

Spannende Frage, Isabell! Maßgeblich ist hier, dass der Schenker eine "dauerhafte Verminderung" seines Vermögens erleiden muss (Gehrlein, in: BeckOK, BGB, 60. Ed. 1.11.2021, § 516 RdNr. 4). Daran fehlt es aber nach Auffassung des BGH bei lediglich vorübergehender Gebrauchsüberlassung (vgl. BGH NJW 1982, 820). Dem stehe es auch nicht entgegen, dass die Überlassung für den Eigentümer mit wirtschaftlichen Nachteilen verbunden ist. Denn ungeachtet solcher Nachteile seien solche Verträge durch das BGB der Leihe unterstellt. Wir haben die entsprechende Entscheidung nun auch in den Quellen verlinkt, falls Dich der Volltext interessiert :-). Beste Grüße, Lukas

Isabell

Isabell

14.1.2022, 19:05:02

Oh cool. Dankeschön! Reines Eigeninteresse aus Selbstbetroffenheit 😅

EVA

evanici

5.9.2023, 12:03:24

Das

Verfügungsgeschäft

gem. § 1093 wäre aber schon formbedürftig, oder?

LELEE

Leo Lee

8.9.2023, 17:07:25

Hallo evanici, der Grundsatz im BGB ist, dass falls nicht explizit geregelt, keine Formbedürftigkeit vorgesehen ist. Somit besteht auch hier bei § 10

93 BGB

kein

Formzwang

:). Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo

Steinfan

Steinfan

23.4.2024, 16:37:38

Da hier explizit die Form abgefragt wird, hier ergänzend ein neueres Urteil zur analogen Anwendung von §

518 BGB

: „Die unentgeltliche Gebrauchsüberlassung von Wohn- oder Geschäftsräumen ist regelmäßig auch bei langer Vertragslaufzeit Leihe und selbst dann nicht formbedürftig, wenn das Recht des Verleihers zur Eigenbedarfskündigung vertraglich ausgeschlossen ist. […] Zwar ist die Kündigungsbefugnis nach § 605 Nr. 1 BGB eine Rechtfertigung dafür, dass das Gesetz die Belange des Verleihers auch ohne

Formzwang

als ausreichend gewahrt ansieht. Deshalb wird teilweise vertreten, dass im Falle des Ausschlusses der Eigenbedarfskündigung die analoge Anwendung des §

518 BGB

in Betracht zu ziehen sei. Dem ist jedoch nicht zu folgen. Auch bei Ausschluss der Eigenbedarfskündigung stellt die Leihe ein Minus zur Schenkung dar, weil das Eigentum beim Verleiher verbleibt und der Entleiher die geliehene Sache nur als Fremdbesitzer nutzt. Darüber hinaus steht dem Verleiher bei Dauerschuldverhältnissen wie der Leihe auf Zeit jedenfalls die Kündigung aus wichtigem Grund gemäß § 314 BGB offen, um sich bei

Unzumutbarkeit

der Fortsetzung des Vertragsverhältnisses von diesem zu lösen. (BGH v. 27.1.2016 - XII ZR 33/15)

FERD

Ferdinand

3.5.2024, 22:06:38

Gilt es ebenfalls als Leihe, wenn der Sohn die Nebenkosten des Gutshauses für die Zeit der Nutzung übernimmt? Daran anschließend: Gilt es auch als Leihe, wenn zwar keine Kaltmiete aber die Zahlung von Nebenkosten vereinbart wird? Falls es nicht als Leihe gilt, kommt es dann zu einem Mietverhältnis und wäre in diesem Fall die erlassene Kaltmiete eine Schenkung?

Maximilian Puschmann

Maximilian Puschmann

7.5.2024, 13:22:03

Hallo Ferdinand,  ein solcher Fall lag dem OLG Dresden zur Entscheidung vor. Die Übernahme von Nebenkosten für die Nutzung einer Wohnung ist keine Entgeltvereinbarung, womit weiterhin ein Leihvertrag anzunehmen ist. Fundstelle: OLG Dresden, Beschluss vom 07.11.2002 - 4 W 1324/02.  Der BGH hält die Übernahme von Kosten, die zur Erhaltung erforderlich sind und regelmäßig wiederk

ehre

n, als Kriterium für einen Leihvertrag. Fundstelle: BGH Urt. v. 20.9.2017 – VIII ZR 279/16, NZM 2017, 729.  Wichtig ist jedoch, dass es sich um verbrauchsabhängige Nebenkosten handelt. Wenn Kosten wie die Übernahme von Steuern und Versicherungen vereinbart werden, hat der BGH einen Mietvertrag angenommen. BGH Urt. v. 4.5.1970 – VIII ZR 179/68, WM 1970, 1197. Es muss also im

Einzelfall

genau hingeguckt werden, welche Kosten übernommen werden.  Einen ausführlichen Überblick, wann eine Kostenübernahme zu einer Entgeltvereinbarung führt und damit zu einem Mietvertrag, findest du im MAH MietR, § 44 Rechtliche Einordnung der Gewerberaummiete Rn. 46.  Beste Grüße Max – für das Jurafuchs-Team

Dogu

Dogu

19.8.2024, 17:19:48

Wäre dies bei der Einräumung eines dinglichen Wohnungsrechts anders zu beurteilen?

Jakob G.

Jakob G.

19.10.2024, 21:38:36

Ich würde sagen, ja. Im Unterschied zur Leihe wird ja das Eigentum dinglich belastet, § 10

93 BGB

. Hieraus ergibt sich - grundsätzlich im Gegensatz zur Leihe - das Recht der dinglich wohnberechtigten Person, ihre Familienangehörigen aufzunehmen (§ 1093 II BGB). PS: "standesgemäße Bedienung" in Abs. 2 klingt, als würde ein dingliches Wohnrecht adeligen Kindern zugesprochen werden. :D

JulianF

JulianF

28.8.2024, 13:53:45

Ein Nießbrauchsrecht hätte doch Vermögenswert, würde also als Schenkung qualifiziert werden können. Woher weiß ich, wann neben einer einfachen Leihe ein solches bestellt ist? Der Entleiher kann die Sache doch schon aufgrund schuldvertraglicher Abrede gebrauchen und evtl. Nutzungen ziehen.

0815jurafuchs

0815jurafuchs

26.9.2024, 21:24:41

Hallo JulianF, maßgeblicher Unterschied zwischen Leihe und Nießbrauch ist, dass bei der Leihe dem Entleiher nur der Gebrauch der Sache unentgeltlich ermöglicht wird. Im Gegensatz dazu wird beim Nießbrauch dem Nießbrauchberechtigten erlaubt, Nutzungen der Sache zu ziehen (vgl. 1030 BGB). Zur Abgrenzung ist daher entscheidend was zwischen den beiden Vertragspartnern vereinbart ist. Ist der eine Vertragspartner berechtigt Früchte aus der Sache zu ziehen wie z.B. die Wohnung weiter zu vermieten, liegt keine Leihe vor, sondern entweder ein mit Schenkung gemischter Vertrag oder ein Nießbrauchsrecht. Was davon vorliegt, hängt wiederum vom vereinbarten Pflichtenprogramm. So ist der Nießbrauchsberechtigte bspw. verpflichtet, auf eigene Kosten für die Erhaltung der Sache zu sorgen (vgl. 1041 BGB). Es kommt hier also dann auf den konkreten Sachverhalt an.


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