Strafrecht
BT 2: Diebstahl, Betrug, Raub u.a.
Betrug (§ 263 StGB)
Erfordernis der Vermögensverfügung – Unterlassen
Erfordernis der Vermögensverfügung – Unterlassen
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
O hat gegen T eine Kaufpreisforderung (§ 433 Abs. 2 BGB). Zum 31.12.2019 verjährt die Forderung, was T auch weiß. T erklärt dem gutgläubigen O Mitte Dezember 2019 bewusst wahrheitswidrig, dass die Forderung schon zum 31.12.2018 verjährt sei. O glaubte dem T und machte die Forderung nicht mehr geltend.
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Einordnung des Falls
Erfordernis der Vermögensverfügung – Unterlassen
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. T hat den O getäuscht (§ 263 Abs. 1 StGB), indem er ihm vorgespiegelt hat, dass die Verjährung zum 31.12.2018 eingetreten sei.
Genau, so ist das!
Jurastudium und Referendariat.
2. O hat über die Verjährungsfrist seiner Forderung geirrt (§ 263 Abs. 1 StGB).
Ja, in der Tat!
3. Indem O die Geltendmachung der Forderung unterlässt, hat er eine Vermögensverfügung vorgenommen (§ 263 Abs. 1).
Ja!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Jenny Uni HH
7.4.2020, 15:52:45
Bei welchem TB Merkmal ist zu diskutieren dass O eine eigene Verantwortung und Möglichkeit hat die Verjährung zu prüfen?
Christian Leupold-Wendling
11.4.2020, 11:33:11
Hi, Danke für die gute Frage! Das kann (und sollte) man bei der Frage des Irrtums diskutieren. Wir haben das im Hinweistext ergänzt: „Aus der Vermeidbarkeit eines Irrtums (O hätte die Verjährung selbst prüfen können) lässt sich nach hM eine tatbestandliche Einschränkung des Betrugstatbestands nicht ableiten.“ Mehr dazu: Fischer, StGB, § 263 RdNr. 55a. Lieben Gruß, - Christian
Jokai
8.6.2020, 19:36:09
Aber O hat hier doch gar nicht freiwillig verfügt? Er ging ja davon aus, dass die Forderung bereits nicht mehr existierte. Er hat also gar keine Kenntnis vom Verlust der Forderung bei Verjährungseintritt. Würde mich über eine Antwort freuen. (:
Eigentum verpflichtet 🏔️
8.6.2020, 23:54:15
Du würdest also mangels
Verfügungsbewusstseinbzw. Freiwilligkeit iS. einer Wahlmöglichkeit, die Vermögensverfügung scheitern lassen?
Christian Leupold-Wendling
22.6.2020, 15:34:52
@Jokai, danke für die Frage! Fischer (StGB, 64.A., 2017 § 263 RdNr 74 mwN, u.a. BGH) sagt dazu: „Vermögensverfügungen sind … sowohl bewusst als auch unbewusst vermögensmindernde Handlungen; eine aktuelle Vorstellung des Verfügenden von der Wirkung seines Handelns ist jedenfalls beim Forderungsbetrug, insbesondere bei Verfügung durch Nicht-Geltendmachtung eines Anspruchs, nicht erforderlich.“
Edward Hopper
11.11.2022, 21:14:47
Wo fliege ich hier bei der Prüfung raus? Man kann doch jemanden nicht auferlegen des Gläubigers Rechte zu wissen. Man hat doch keine rechtliche Aufklärungspflicht, bzw gibt doch bestimmt ne Grenze für Naivität? Wenn ich zu jemanden gehe und sage ich bin Michael Jackson und darf umsonst Bahn fahren ist ja auch kein Betrug wenn der andere es glaubt?
Nora Mommsen
12.11.2022, 12:00:57
Hallo Edward Hopper, danke für die gute Frage! In der Tat entsteht hier ein leichtes Störgefühl. Dies ist im Prüfungspunkt "Irrtum" anzusprechen. Tatsächlich ist es aber so, dass sich aus der reinen Vermeidbarkeit des Irrtums keine Einschränkung des Betrugstatbestandes herleiten lässt. Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team
Saufen_Fetzt
23.12.2022, 01:13:03
Unterschreibe zu 100% die Bedenken von Edward. Leider ist der 263 weitgehend ein “Trottelschutz”-Tatbestand. Das ist zwar traurig, aber wen interessiert schon, was ich denke…
Sarah
22.1.2023, 17:56:01
Sind naive Personen etwa nicht strafrechtlich schützenswert? Gerade diese unterliegen ja leichter einem Betrug. Zudem ja der
Vorsatzabzulehnen wäre, wenn O sich selbst geirrt hätte oder einfach nichts gesagt hätte.
Rubinho
7.5.2024, 19:04:12
Würde man hier nicht bei Vermögensschaden rausfliegen? Eine Minderung des Vermögens ist doch eigentlich gar nicht eingetreten. Der Schuldner hat lediglich ein Leistungsverweigerungsrecht. Es könnte ja - im Falle von wechselseitigen Ansprüchen - ggf aufgerechnet werden.
Simon
11.7.2024, 15:27:33
@[Edward Hopper](174080) Natürlich besteht hier keine rechtliche Aufklärungspflicht bzgl. der Verjährung. Hier hat T dem O allerdings aktiv einen falschen Verjährungszeitpunkt genannt, sodass hier kein Unterlassen vorliegt und es mithin keiner Aufklärungspflicht (aus einer
Garantenstellung) bedarf. Im Übrigen halte ich die Kritik am Schutz "naiver" Personen durch § 263 StGB für unberechtigt. (1) Bzgl. leicht erkennbarer Täuschungen: Der Wortlaut der Norm gibt keinen Anhaltspunkt für ein Ausklammern von leicht erkennbaren Täuschungen, sondern stellt in dieser Hinsicht allein auf einen Irrtum des Verfügenden ab. Eine solche Einschränkung würde mE auch erheblichen Bedenken begegnen. Denn wie soll überhaupt festgestellt werden, was eine "leicht zu durchschauende" Täuschung ist? Welchen Maßstab sollte man hier anlegen: Den des beurteilenden Richters? Den eines durchschnittlichen Bürgers - den man wie genau bestimmt? Zudem wäre das auch vor Art. 3 I GG wohl nicht haltbar, denn warum sollte eine unterdurchschnittlich intelligente bzw. unerfahrene Person weniger geschützt werden? Letztlich kann man also entweder (a) auf die subjektiven Erkenntnismöglichkeiten des jeweiligen Opfers abstellen oder (b) man betrachtet nur solche Täuschungen als relevant, die objektiv nicht zu durchschauen waren. (a) dürfte wohl praktisch nur schwer möglich sein, (b) würde eine Täuschung über äußere Tatsachen unmöglich machen. (2) Sofern es um eine mangelnde Nachforschung durch das Opfer geht (wie wohl auch hier), so würde man das im Zivilrecht über § 254 I BGB berücksichtigen, was im Strafrecht wegen seines Alles-oder-Nichts-Prinzip (entweder strafbar oder eben nicht) nicht geht. Aber auch wenn das Opfer ein Mitverschulden trifft, so ändert das doch nichts an der Strafwürdigkeit des Täterverhaltens. Der Täter hat das Opfer vorsätzlich getäuscht und damit eine Gefahr für dessen Vermögen begründet, welches durch § 263 StGB geschützt wird. Irrelevant ist, ob die Täuschung durchschaubar war, denn der Schutz des (nur) berechtigten Vertrauens des Opfers auf die Angaben des Täters, ist vom Betrugstatbestand nicht bezweckt. Es geht einzig und allein um Vermögensschutz. Auch zivilrechtlich würde man eine Schadensersatzpflicht, insb. aus
§ 826 BGB, aufgrund des Mitverschuldens des O nach § 254 I BGB nicht komplett entfallen lassen, da das Verhalten des T dennoch sittenwidrig bleibt. Dieser Restunwert rechtfertigt auch die Bestrafung aus § 263 StGB.
Simon
11.7.2024, 15:28:33
@[Rubinho](135006) Der Vermögensschaden liegt in der wirtschaftlichen Wertlosigkeit einer verjährten Forderung.