Gefährdung durch AKWs

23. November 2024

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

A ist empört. Sie hat gerade die Nachricht erhalten, dass in ihrer Nähe ein Atomkraftwerk gebaut werden soll. Sie dachte, das wäre verboten. Das ist doch viel zu gefährlich für die Gesundheit! So viele Schutzmaßnahmen kann der Staat doch gar nicht vornehmen.

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Einordnung des Falls

Gefährdung durch AKWs

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Der sachliche Schutzbereich des Rechts auf körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 S. 1 Alt. 2 GG) ist eröffnet.

Ja!

Der sachliche Schutzbereich des Grundrechts auf körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 S. 1 Alt. 2 GG) schützt die körperliche Integrität im biologisch-physiologischen Sinn. Ein Kernkraftwerk bringt viele Gefahren mit sich, die die körperliche Integrität (schwer) beeinträchtigen können. Dies sieht man z.B. an den schrecklichen Atomunfällen in Tschernobyl und Fukushima. Der sachliche Schutzbereich des Rechts auf körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 S. 1 Alt. 2 GG) ist eröffnet. Der persönliche Schutzbereich des Rechts auf körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 S. 1 Alt. 2 GG) ist bei natürlichen Personen stets eröffnet, sodass du diesen Punkt kurzhalten kannst.
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2. Bei einer solchen Gefahr ist eine Rechtfertigung ausgeschlossen. Der Staat darf das Atomkraftwerk also nicht bauen.

Nein, das ist nicht der Fall!

Grundsätzlich besitzt der Staat einen weiten Wertungs-, Gestaltungs- und Einschätzungsspielraum. In bestimmten Fällen kann man jedoch eine Gestaltungsreduzierung auf Null annehmen, wenn die Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung droht und nur eine bestimmte Abwehr sachgerecht ist. Bei dem Bau von Atomkraftwerken muss der Gesetzgeber also abwägen, ob die einzig wirksame Abwehrmaßnahme das Nichterbauen ist.

3. Es liegt ein Eingriff in die körperliche Unversehrtheit der A vor. Ausreichend ist die Gefährdung durch denkbare Schädigungen.

Ja, in der Tat!

Obwohl eine Gefährdung im Allgemeinen im Vorfeld verfassungsrechtlich erheblicher Grundrechtsbeeinträchtigungen liegt, ist sie unter bestimmten Voraussetzungen einer „echten Grundrechtsverletzung“ gleichzustellen. Laut BVerfG müssen dazu verlässliche Anhaltspunkte für das Bestehen einer (abstrakten) Gefährdung und die Zurechnung der Gefahrenlage vorliegen. Anhand der schon vorgefallenen Unfälle erkennt man, dass eine deutliche Gefährdung der körperlichen Unversehrtheit und sogar des Rechts auf Leben vorliegt. Damit ist der Staat zum Schutz verpflichtet.

4. Die Abwägung des Gesetzgebers darf auch ergeben, dass das Kraftwerk gebaut werden darf.

Ja!

Wichtig bei der Abwägung sind das Gewicht und Ausmaß denkbarer Schädigungen. Bedeutsam ist aber auch, dass die Gefahr einer Grundrechtsbeeinträchtigung bei einem Atomunfall unbeherrschbar ist. Deshalb sind erhöhte Anforderungen an die Schutzverpflichtung zu stellen. So soll die vorrangige Aufgabe des Verfahrens zur Zulassung eines AKW sein, Leben und Gesundheit vor den Gefahren der Kernenergie zu schützen. Durch eine solche Regelung erfüllt der Gesetzgeber seine Schutzpflicht. Die Behörden/Gerichte müssen dann die Bewertung vornehmen, ob ein AKW letztendlich genehmigt wird.
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