Zivilrechtliche Nebengebiete
Handelsrecht
Allgemeine Regeln für Handelsgeschäfte (§§ 343-372 HGB)
Schweigen im Handelsverkehr, Schweigen auf ein kaufmännisches Bestätigungsschreiben (Formerfordernis, bewusstes Abweichen)
Schweigen im Handelsverkehr, Schweigen auf ein kaufmännisches Bestätigungsschreiben (Formerfordernis, bewusstes Abweichen)
2. Juli 2025
6 Kommentare
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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Die X-OHG schließt mit H e.K. einen Hausmeisterservice-Vertrag zu einem monatlichen Preis von €600. Am Tag darauf erhält die X-OHG von H eine E-Mail: „Bestätigung: Hausmeisterservice zu einem monatlichen Preis von €6.000 ab Januar 2022“. H hoffte, bei der X-OHG würde der falsche Betrag nicht auffallen. Die X-OHG reagiert nicht.
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Einordnung des Falls
Schweigen im Handelsverkehr, Schweigen auf ein kaufmännisches Bestätigungsschreiben (Formerfordernis, bewusstes Abweichen)
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 10 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Die X-OHG und H haben einen Dienstvertrag geschlossen (§ 611 BGB).
Nein!
2. Die X-OHG und H haben einen Werkvertrag geschlossen (§ 631 BGB).
Genau, so ist das!
3. Der Vertrag zwischen der X-OHG und H könnte nach den Grundsätzen zum kaufmännischen Bestätigungsschreiben dahingehend geändert worden sein, dass die geschuldete Gegenleistung nun €6.000 statt €600 beträgt.
Ja, in der Tat!
4. H und die X-OHG sind Kaufleute oder sonstige Unternehmer.
Ja!
5. Zwischen H und der X-OHG haben Vertragsverhandlungen stattgefunden.
Genau, so ist das!
6. Ein kaufmännisches Bestätigungsschreiben bedarf der Schriftform (§ 126 BGB).
Nein, das trifft nicht zu!
7. Der X-OHG ist unmittelbar nach den Vertragsverhandlungen ein Bestätigungsschreiben von H zugegangen.
Ja!
8. Die Gesellschafter der X-OHG haben dem Inhalt des kaufmännischen Bestätigungsschreibens unverzüglich (§ 121 Abs. 1 S. 1 BGB) nach dessen Zugang widersprochen.
Nein, das ist nicht der Fall!
9. H als Absender des kaufmännischen Bestätigungsschreibens ist schutzwürdig.
Nein, das trifft nicht zu!
10. Zwischen der X-OHG und H ist ein Vertrag über die Durchführung eines Hausmeisterservices zum Preis von €600 zustande gekommen.
Ja!
Fundstellen
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Moltisanti
16.4.2024, 02:28:27
ist das eine Art geltungserhaltende Reduktion ? Zumindest eine außerachtlassung der nicht schutzwürdigen Modifikation und Vertragserhaltung….

der unerkannt geisteskranke E
10.7.2024, 15:12:02
Nein, es gibt keine Einigung bezüglich des Inhalts des kaufmännischen Bestätigungsschreibens. In diesem Fall wurde aber vorher bereits ein wirksamer Vertrag geschlossen, der durch das Bestätigungsschreiben in seiner Wirksamkeit unberührt blieb. ´
Lindasey
13.6.2025, 16:57:07
Liebes Jurafuchs-Team, Bei bereits geschlossenem Vertrag kann das kaufmännische Bestätigungsschreiben nicht vertragsändernd oder ergänzend wirken (- was dann ja eine konstitutive Wirkung bedeuten würde), sondern ist lediglich
deklaratorisch. vgl. auch MüKoHGB/Maultzsch HGB § 346 Rn. 159 Auch an anderen Stellen in den folgenden Fällen ist derselbe Fehler.

Sebastian Schmitt
16.6.2025, 13:14:11
Hallo @[Lindasey](292087), das ist keineswegs ein Fehler. Auch bei einem bereits geschlossenen Vertrag kann ein kfm Bestätigungsschreiben sehr wohl vertragsändernde oder -ergänzende Wirkung und damit (teilweise) konstitutive Wirkung haben. Das ist zB dann der Fall, wenn wir zwar einen Vertragsschluss über die wesentlichen Punkte haben, den der Absender bestätigt, er aber gleichzeitig zB versucht, ergänzende nebensächliche Vertragsinhalte aufzunehmen oder (seine eigenen) AGB einzuführen, über die vorher definitiv keine Einigung erzielt worden ist. So steht es auch in dem von Dir zitierten MüKoBGB/Maultzsch, 6. Aufl 2025, dort § 346 Rn 164 ff. Die von Dir zitierte Stelle stützt Deine Ausführungen mE auch nicht, weil der dort genannte Fall hier nicht vorliegt. So heißt es in Rn 159: "Den – auch in der Praxis häufigsten – Grundfall bildet die Konstellation, in der der Vertrag zwischen den Beteiligten bereits zuvor wirksam MIT DEM INHALT zustande gekommen ist, DEN AUCH DAS BESTÄTIGUNGSSCHREIBEN WIEDERGIBT [Hervorhebung von mir]." Das ist hinsichtlich des Kaufpreises gerade nicht so, insoweit weicht H ja bewusst und in einem wesentlichen Punkt von den vorhergehenden Verhandlungen ab. Abschließend noch ein terminologischer Hinweis: Es dürfte grammatisch völlig OK sein, von einem "deklarativen Bestätigungsschreiben" zu sprechen. Nach meiner kurzen Recherche aus eigenem Interesse scheint mir der Begriff "deklarativ" aber vor allem in Österreich genutzt zu werden, während für das deutsche Recht das "
deklaratorische" Bestätigungsschreiben gebräuchlicher ist. Viele Grüße, Sebastian - für das Jurafuchs-Team