Zivilrechtliche Nebengebiete

Handelsrecht

Allgemeine Regeln für Handelsgeschäfte (§§ 343-372 HGB)

Schweigen im Handelsverkehr, Schweigen auf ein kaufmännisches Bestätigungsschreiben (Vertreter ohne Vertretungsmacht)

Schweigen im Handelsverkehr, Schweigen auf ein kaufmännisches Bestätigungsschreiben (Vertreter ohne Vertretungsmacht)

leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

X wurde als Geschäftsführer der Speditions-GmbH abberufen. Er führt dennoch in ihrem Namen Verhandlungen mit der MB-AG über den Kauf von 10 Lkw. Die Parteien einigen sich. Am nächsten Tag geht der Speditions-GmbH ein Bestätigungsschreiben mit dem Inhalt dieser Einigung zu. Das Schreiben geht im Betrieb unter.

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Einordnung des Falls

Schweigen im Handelsverkehr, Schweigen auf ein kaufmännisches Bestätigungsschreiben (Vertreter ohne Vertretungsmacht)

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 8 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Zwischen der S-GmbH und MB-AG ist nach den Verhandlungen zwischen X und der MB-AG ein Kaufvertrag über 10 Lkw zustande gekommen (§ 433 BGB).

Nein, das ist nicht der Fall!

Ein Vertrag setzt inhaltlich übereinstimmende, mit Bezug aufeinander abgegebene Willenserklärungen voraus (Angebot und Annahme, §§ 145ff. BGB). Dies schließt eine Übereinstimmung der wesentlichen Vertragsbestandteile (essentialia negotii) ein. Die S-GmbH ist als juristische Person nicht in der Lage, selbst Willenserklärungen abzugeben. Sie könnte aber von X vertreten worden sein. Eine wirksame Stellvertretung setzt Vertretungsmacht voraus (§ 164 Abs. 1 S. 1 BGB). Die S-GmbH wird durch ihre Geschäftsführer vertreten (§ 35 Abs. 1 S. 1 GmbHG). Zum Zeitpunkt der Vertrags war X jedoch bereits abberufen (§ 38 Abs. 1 GmbHG) und daher weder Geschäftsführer noch sonst vertretungsbefugt. Anzeichen für eine Duldungs- oder Anscheinsvollmacht liegen nicht vor.
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2. Ein Vertrag zwischen der S-GmbH und der MB-AG über 10 Lkw (§ 433 BGB) könnte nach den Grundsätzen zum kaufmännischen Bestätigungsschreiben dadurch zustande gekommen sein, dass die S-GmbH auf das Schreiben der MB-AG nicht reagiert hat.

Ja, in der Tat!

Der Empfänger eines kaufmännischen Bestätigungsschreibens muss diesem widersprechen, wenn er mit dem Inhalt nicht einverstanden ist. Das Unterlassen einer Erklärung gilt aufgrund dieser gewohnheitsrechtlichen Pflicht als Zustimmung zum Inhalt des Schreibens. Voraussetzung ist, dass (1) Kaufleute oder sonstige Unternehmer (2) Vertragsverhandlungen geführt haben und der Empfänger eines (3) zeitlich darauffolgend zugegangenen Bestätigungsschreibens (4) nicht unverzüglich widersprochen hat. Der Absender muss (5) schutzwürdig sein. Schweigt der Empfänger auf ein kaufmännisches Bestätigungsschreiben, gilt der Inhalt des Schreibens als Vertragsinhalt.

3. Die S-GmbH und die MB-AG sind Kaufleute oder sonstige Unternehmer.

Ja!

Damit die Grundsätze zum kaufmännischen Bestätigungsschreiben Anwendung finden, müssen die Beteiligten Kaufleute (§ 1-6 HGB) oder sonstige Unternehmer (§ 14 BGB) sein. Die Kaufmannseigenschaft richtet sich nach §§ 1-6 HGB. Unternehmer (§ 14 BGB) ist, wer unternehmerisch am Wirtschaftsverkehr teilnimmt, und von wem erwartet werden kann, dass er die Gepflogenheiten des kaufmännischen Wirtschaftsverkehrs kennt und anwendet (Kleingewerbetreibende und Freiberufler). Die MB-AG gilt kraft gesetzlicher Bestimmung aufgrund ihrer Rechtsform als Handelsgesellschaft (§ 3 Abs. 1 AktG, § 6 Abs. 1 HGB) („Form-Kaufmann“). Dasselbe gilt für die S-GmbH (§ 13 Abs. 3 GmbHG, § 6 Abs. 1 HGB).

4. Die Grundsätze des kaufmännischen Bestätigungsschreibens gelten nach der Rspr. selbst dann, wenn ein Verhandlungsführer ohne jegliche Vertretungsmacht auftritt.

Genau, so ist das!

Vertragsverhandlungen sind Vorgänge, bei denen über die konkreten Konditionen eines zu schließenden Vertrages gesprochen wird. Nach Ansicht der Rspr. kann man diese Verhandlungen der S-GmbH im Rahmen eines kaufmännischen Bestätigungsschreibens grds. selbst dann zurechnen, wenn der Verhandlungsführer der S-GmbH keinerlei Vertretungsmacht (mehr) hatte. Gegenüber einem redlichen Absender kann es dem Empfänger zugemutet werden, auf ein entsprechendes Bestätigunsschreiben zu reagieren und Fehler aufzuklären. X als vollmachtloser Vertreter hat für die S-GmbH mit der MB-AG über den Kauf von 10 Lkw verhandelt (§ 433 BGB).

5. Der S-GmbH ist unmittelbar nach den Vertragsverhandlungen ein kaufmännisches Bestätigungsschreiben von der MB-AG zugegangen.

Ja, in der Tat!

Ein kaufmännisches Bestätigungsschreiben gibt den Inhalt eines aus Sicht des Absenders bereits geschlossenen Vertrages wieder. Erforderlich ist, dass der Absender nach dem Inhalt des Schreibens an den Abschluss eines Vertrages während der Vertragsverhandlungen glaubt. Dieses muss in unmittelbarem zeitlichem Zusammenhang zu den Vertragsverhandlungen zugehen (§ 130 Abs. 1 BGB). Der S-GmbH ist am Tag nach den Verhandlungen zwischen X und der MB-AG ein Schreiben der MB-AG zugegangen, in der sie den Inhalt der vermeintlich bei den Verhandlungen stattgefundenen Einigung wiedergibt. Aus dem Schreiben ergibt sich, dass die MB-AG von einem wirksamen Vertrag über den Kauf von 10 Lkw ausgeht und keine Kenntnis von der fehlenden Vertretungsmacht des X hat.

6. Die S-GmbH hat dem Inhalt des kaufmännischen Bestätigungsschreibens unverzüglich (§ 121 Abs. 1 S. 1 BGB) nach dessen Zugang widersprochen.

Nein!

Ein Widerspruch liegt in der Erklärung des Empfängers, dass kein Vertrag zu den im Bestätigungsschreiben genannten Bedingungen zustande gekommen ist. Er muss unverzüglich erfolgen, also ohne schuldhaftes Zögern (§ 121 Abs. 1 S. 1 BGB). Wann dies der Fall ist, bemisst sich nach den Umständen des Einzelfalls, insbesondere nach Art und Bedeutung des Geschäfts. Ein Widerspruch nach mehr als einer Woche gilt im Regelfall als verfristet. Die S-GmbH hat auf das kaufmännische Bestätigungsschreiben der MB-AG nicht reagiert.

7. Die MB-AG als Absenderin des kaufmännischen Bestätigungsschreibens ist schutzwürdig.

Genau, so ist das!

Der Absender eines Schreibens ist nicht schutzwürdig, wenn er im Bestätigungsschreiben von vorher Vereinbarten (1) bewusst abweicht oder (2) inhaltlich so weit davon abweicht, dass er vernünftigerweise nicht mit dem Einverständnis des Empfängers rechnen kann. Die Schutzwürdigkeit fehlt auch (3) bei sich kreuzenden Bestätigungsschreiben und (4) wenn der Empfänger den dort bestätigten vermeintlichen Vertragsschluss zuvor ausdrücklich verweigert hat. Keine dieser Fallgruppen ist einschlägig. Das kaufmännische Bestätigungsschreiben gibt genau den Inhalt des Vertrags wieder, den die MB-AG abgeschlossen zu haben glaubt. Sie hatte keine Kenntnis von der fehlenden Vertretungsmacht des X.

8. Zwischen der S-GmbH und der MB-AG ist ein Kaufvertrag über 10 Lkw zustande gekommen. Die MB-AG hat gegen die S-GmbH einen Anspruch auf Abnahme und Zahlung des Kaufpreises (§ 433 Abs. 2 BGB).

Ja, in der Tat!

Das Schweigen auf ein kaufmännisches Bestätigungsschreiben hat zur Folge, dass der Inhalt des Schreibens als Vertragsinhalt gilt. War der Vertrag vorher bereits mit einem anderen Inhalt geschlossen worden, wird das formlos Vereinbarte nachträglich ergänzt oder abgeändert. War eine rechtswirksame Einigung bisher gescheitert, kommt der Vertrag mit dem Inhalt des Schreibens erst zustande. Die Voraussetzungen liegen vor. Zwischen der S-GmbH und der MB-AG ist eine rechtswirksame Einigung aufgrund der fehlenden Vertretungsmacht des X gescheitert. Ein Vertrag kommt mit dem Inhalt des kaufmännischen Bestätigungsschreibens zustande.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

JO

jomolino

24.2.2022, 15:20:44

Wie kann e denn ohne vertretungsmacht wirksam verhandeln? Da brauchte es mehr Infos zum Rechtssachen.

JO

jomolino

9.3.2022, 16:03:05

Liebes Jurafuchs Team, könntet ihr dazu noch mehr erklären? Ich weiß, dass beim erlöschen der Prokura wenn diese nicht eingetragen wird noch wirksam vertreten werden kann, hier ist X ja aber nur Geschäftsführer und nicht Prokurist oder allein vertretungsberechtigter Gesellschafter. Wieso kann er dennoch wirksam Vertragsverhandlungen in Vertretung oder als Organ der GmbH führen? Eine Vertretungsmacht nach 35 GmbHG hat ja nach der Abberufung auch nicht mehr bestanden.

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

28.3.2022, 14:35:18

Hallo nomamo, vielen Dank für Deine Nachfrage. Der "Clou" beim kaufmännischen Bestätigungsschreiben ist gerade, dass es zuvor noch nicht zu einem festen Vertragsabschluss gekommen sein muss. Aus diesem Grund geht der BGH in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass es unerheblich sei, ob der verhandelnde Mitarbeiter über die entsprechende Vollmacht bei der Verhandlung verfüge (vgl. BGH NJW 1964, 1951; NJW 2007, 987). Dies sei lediglich dann relevant, wenn der Verhandlungspartner nicht damit rechnen kann, dass der Vertretene das Geschäft billigen würde. Wird infolge solcher Verhandlungen an den Vertretenen ein Bestätigungsschreiben adressiert und widerspricht er diesem nicht, so kommt deshalb ein Vertragsschluss zustande. Ist es jetzt etwas klarer? Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

DAN

Daniel

21.5.2022, 06:02:38

Ich finde diesen Aspekt auch problematisch. Ich hätte erwartet, dass das als Problem aufgerissen und diskutiert wird, unabhängig davon, welches Ergebnis am Ende den Vorzug erhält.

Orfeas

Orfeas

20.7.2022, 22:38:25

Ja, wenn der Verhandelnde Mitarbeiter ist. Hier ist der Ex-Geschäftsführer aber wohl nichts weiter als eine Dritte Person. Wäre er noch Mitarbeiter geblieben, hätte man in Bezug auf die Verhandlungen auch die Grundsätze der Anscheins- oder Duldungsvollmacht heranziehen können.

Johannes Nebe

Johannes Nebe

29.1.2023, 10:37:45

Die Antwort von Lukas ist klar und verständlich. Durch das kaufmännische Bestätigungsschreiben kann ein Vertrag zustande kommen (konstitutiv sagt man wohl), auch wenn die Verhandlungen vorher noch nicht zu einem Vertrag führten. Gegen das Ergebnis der Aufgabe ist daher nichts einzuwenden. Der Fehler besteht lediglich darin, dass die Aussage "Zwischen der S-GmbH und der MB-AG haben Vertragsverhandlungen stattgefunden." mit ja beantwortet werden soll. Verhandelt hat einstweilen nur X, nicht die S-GmbH.

SI

Simon

26.6.2023, 21:10:04

Was Johannes sagte hatte ich bei der Lösung des Falls auch angenommen. Könnte das Jurafuchs-Team da Licht ins Dunkel bringen?

David

David

22.8.2023, 12:59:20

@Lukas: vielleicht könnte man deine Erläuterungen zu den Vertragsverhandlungen auch in die Falllösung einbringen? Mich hat es auch gewundert, dass hier eine Vertragsverhandlung zwischen der MB-AG und der Speditions-GmbH bejaht wird, obwohl X zu diesem ZP (wie vorher festgestellt) ohne Vertretungsmacht handelte. Deine Antwort hat die Situation zwar aufgeklärt, dafür musste ich natürlich aber erst mal in den Kommentaren nachlesen. :)

MAT

Matteo10

7.10.2023, 11:27:50

Mich hat die Fragestellung an dieser Stelle ebenfalls etwas überrumpelt. Passender fände ich: Nach ständiger Rspr. Des BGH können die Grundsätze zum Bestätigungsschreiben auch dann Anwendung finden, wenn für den Empfänger des Schreibens bei den Vertragsverhandlungen ein *vollmachtloser* Vertreter aufgetreten ist. Ganz klar erscheint mir noch nicht, ob die Sache nicht einzuschränken wäre. Führte man den Fall ad absurdum könnte ich bspw. mich für jeden beliebigen Kaufmann ausgeben und Vertragsverhandlungen führen (mit der Bitte um Bestätigungsschreiben zum Beispiel), um demjenigen eins auszuwischen.

/Q

/qwas

5.1.2024, 12:00:59

Oder so was wie: Zwischen der S-GmbH und der MG-AG haben Vertragsverhandlungen stattgefunden. -> Nein. (X war kein Mitarbeiter) Aus Sicht der S-GmbH haben Vertragsverhandlungen stattgefunden. -> Ja. (Schützwürdigkeit.)

AlsObH

AlsObH

12.1.2024, 15:26:18

Die Abbestellung eines Geschäftsführers als Organ der Gesellschaft von der Anstellung als Mitarbeiter mit Anstellungsvertrag zu differenzieren ist. Denn wäre er kein Mitarbeiter, hätte er auch keine Verhandlungen für die GmbH (im Sinne der Grundsätze über das kaufmännische Bestätigungsschreiben führen können (sonst könnten das ja auch wild Fremde sein, die mit der Firma nichts am Hut haben und sich nur als diese ausgeben) Für Mitarbeiter ohne Vertretungsmacht ist die Rechtsprechung des BGH jedoch anwendbar

AlsObH

AlsObH

12.1.2024, 15:48:50

Da man Kommentare nicht bearbeiten/löschen kann: doch, auch Vollmachtlose Dritte, die keine Mitarbeiter sind können anscheinend Verhandlungen führen aus denen sich die Annahme durch Schweigen ergeben kann

FuschDaSlam

FuschDaSlam

2.3.2024, 17:33:17

Ist für mich leider nicht einleuchtend. Wenn der GF abberufen wurde und die Abberufung auch im HR eingetragen wurde (sonst 15 HGB), dann sehe ich nicht, wie zwischen den Parteien „Vertragsverhandlungen“ stattgefunden haben sollen, wenn der Vertretene davon überhaupt nichts weiss. Dies ist aber doch Voraussetzung für die Anwendung der Grundsätze über das KBS. Würden die Handlungen des ehemaligen GF als Vertragsverhandlungen des Vertretenen gelten, dann lägen anscheinend auch bei Handlungen von völlig fremden Dritten, von denen der Vertretene nichts weiß, Vertragsverhandlungen vor, sofern der angebliche Vertreter nur im Namen des Vertretenen handelt. Aus meiner Sicht würde dadurch der Verkehrsschutz in völlig übertriebenem Maße über die berechtigten Interessen des Vertretenen gestellt… Kann das bitte jemand erklären? Danke 🙏

Sebastian Schmitt

Sebastian Schmitt

19.9.2024, 11:28:12

Hallo zusammen, ich werde mal versuchen, das Ganze etwas aufzuklären: Die Antwort meines Kollegen @[Lukas_Mengestu](136780) von damals kann ich zunächst nur bestätigen: Es spielt nach wohl hM grds keine Rolle, ob die als Vertreter auftretende Person tatsächlich bevollmächtigt war oder nicht (zusätzlich zu den schon genannten Entscheidungen der Rspr BeckOGK/Beurskens, HGB, Stand 15.5.24, § 346 Rn 385; Ebenroth/Boujong/Fest, HGB, 5. Aufl 2024, § 346 Rn 250). Ebenso spielt es nach wohl hM grds keine Rolle, ob es sich überhaupt um einen Mitarbeiter einer der Parteien handelte (in diese Richtung wohl OLG Celle v 21.4.67 - 8 U 150/66, wobei ich darauf aktuell keinen Volltextzugriff habe). Die Rechtsfolgen des kfm Bestätigungsschreibens beruhen nämlich nicht (nur) auf der Zurechenbarkeit der vorhergehenden Verhandlungen, sondern (zumindest ebenso) auf dem Schweigen auf ein solches Schreiben (BeckOGK/Beurskens, HGB, Stand 15.5.24, § 346 Rn 385). Einige hier befürchten Missbrauch, indem jeder Beliebige Verhandlungen für ein Unternehmen führen und dadurch dieses Unternehmen zur Reaktion auf ein kaufmännisches Bestätigunsschreiben zwingen könnte. Wohl eine MM verlangt tatsächlich zumindest einen dem Empfänger des kfm Bestätigunsschreibens zurechenbaren Rechtsschein, ansonsten lägen schon gar keine Verhandlungen vor (so wohl MüKoHGB/Maultzsch, 5. Aufl 2021, § 346 Rn 163). Die wohl überwiegende Auffassung möchte das dagegen anscheinend höchstens auf der Vertrauensebene berücksichtigt wissen: Wer als Absender positiv wusste (nach abweichender Auffassung zumindest fahrlässig nicht wusste), dass auf der Gegenseite keine Vertretungsmacht des Verhandlers bestand, kann aus dem kfm Bestätigungsschreiben keine Rechtsfolgen herleiten (BeckOGK/Beurskens, HGB, Stand 15.5.24, § 346 Rn 414 f). ME ist letzteres durchaus plausibel: Kaufleute sind eben deutlich weniger schutzwürdig als zB Verbraucher und zumindest irgendeine Reaktion auf ein kfm Bestätigunsschreiben muss man erwarten dürfen, jedenfalls als redlicher Absender. Das Risiko des vollmachtlosen Auftretens Dritter in der Praxis dürfte zudem noch dadurch entschärft werden, dass für ein vollständiges kfm Bestätigunsschreiben auch die Tatsache der Verhandlung durch einen Vertreter (ggf dessen Name) sowie die Zeit der Verhandlungen aufzunehmen ist (Ebenroth/Boujong/Fest, HGB, 5. Aufl 2024, § 346 Rn 264). Das ermöglicht es dem Empfänger, die Verhandlungen und eine eventuelle Vertretungsmacht deutlich leichter und schneller nachzuvollziehen - reagieren muss er aber eben trotzdem. Ob wir nach der MM einen zurechenbaren Rechtsschein in unserem Fall hätten und/oder ob sonstige Aspekte für/gegen das Vorliegen von Verhandlungen sprechen, ist schwer zu sagen - die Sachverhaltsdarstellung ist hier wie immer der Einfachheit halber bewusst knapp gehalten. Über die Frage nach den Verhandlungen zwischen S und MB kann man daher durchaus diskutieren. Wir möchten diesen Fall allerdings ungern mit einer größeren Diskussion um die Zurechenbarkeit anfüttern. Die Frage zu den Vertragsverhandlungen haben wir daher sprachlich umstrukturiert und das Problem in der Antwort kurz umrissen. Viele Grüße, Sebastian - für das Jurafuchs-Team

timstöckler

timstöckler

22.12.2022, 11:39:59

Kann man die Schutzwürdigkeit der AG in einem solchen Fall nicht ablehnen, wenn die Abberufung des GmbH Geschäftsführers ordnungsgemäß ins Handelsregister eingetragen worden ist?

DAV

david1234

6.3.2024, 18:38:10

Mir ist an der Stelle der Gedanke zum 15 HGB bekommen, das abberufen ist eine eintragungspflichtige Tatsache, warum greift dann nicht 15 ?

Steinfan

Steinfan

27.4.2024, 14:30:26

Hey, § 15 HGB könnte in diesen Fällen theoretisch zum Tragen kommen, allerdings bräuchte es dafür Angaben im Sachverhalt. Sofern im Sachverhalt nichts zur (fehlenden) Eintragung steht, ist davon auszugehen, dass in dieser Hinsicht alles ordnungsgemäß verlaufen ist, also die Abberufung eingetragen wurde. LG


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