Öffentliches Recht

Verwaltungsrecht AT

Wirksamkeit von Verwaltungsakten

Standardfall: "Normale" Bekanntmachung, obwohl gesetzlich die förmliche Zustellung vorgeschrieben

Standardfall: "Normale" Bekanntmachung, obwohl gesetzlich die förmliche Zustellung vorgeschrieben

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Studentin S stellt bei der zuständigen Behörde einen BAföG-Antrag. Diesem Antrag wird jedoch nicht entsprochen. Daraufhin legt S Widerspruch ein. Die Behörde hilft dem Widerspruch nicht ab und schickt S den Widerspruchsbescheid per einfacher Post.

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Einordnung des Falls

Standardfall: "Normale" Bekanntmachung, obwohl gesetzlich die förmliche Zustellung vorgeschrieben

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. In bestimmten Fällen ist die Bekanntgabe durch förmliche Zustellung erforderlich.

Genau, so ist das!

In bestimmten Fällen ist eine förmliche Zustellung geboten. Dann gilt nicht mehr der § 41 VwVfG, sondern nur das jeweilige Verwaltungszustellungsrecht (vgl. § 41 Abs. 5 VwVfG). Für Bundesbehörden, bundesunmittelbare Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts und Landesfinanzbehörden gilt das Verwaltungszustellungsgesetz (VwZG) des Bundes (§ 1 Abs. 1 VwZG). Danach ist die förmliche Zustellung immer dann erforderlich, wenn ein Gesetz oder eine behördliche Anordnung dies vorsieht (§ 1 Abs. 2 VwZG). Verschiedene Zustellungsarten ergeben sich aus §§ 3, 4, 5, 5a, 9, 10 VwZG.
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2. Der Widerspruchsbescheid an S hätte förmlich zugestellt werden müssen.

Ja, in der Tat!

Die förmliche Zustellung immer dann erforderlich, wenn ein Gesetz oder eine behördliche Anordnung dies vorsieht (§ 1 Abs. 2 VwZG).Die VwGO bestimmt, dass jeder Widerspruchsbescheid förmlich im Sinne des VwZG zuzustellen ist (§ 73 Abs. 3 S. 1 und 2 VwGO). Das heißt, dass bei einem Widerspruchsbescheid auch dann nach dem VwZG zuzustellen ist, wenn eine Landesbehörde handelt. Hier genügt eine „einfache“ Bekanntmachung also nicht.Weitere Beispiele für Fälle, in denen die förmliche Zustellung gesetzlich vorgeschrieben ist, finden sich in § 50 Abs. 1 S. 2 OWiG, § 70 Abs. 1 BauGB, § 122 Abs. 5 AO und § 10 Abs. 7 BImSchG.

3. Die fehlerhafte Bekanntgabe ist hier jedenfalls durch die tatsächliche Kenntnis der S geheilt (§ 8 VwZG). Ist der Widerspruchsbescheid deswegen nach allen Ansichten wirksam?

Ja!

Ist eine förmliche Zustellung vorgesehen, muss für die Wirksamkeit des Verwaltungsakts die Zustellung wirksam sein (h.L.). Eine nicht ordnungsgemäße Zustellung ist grundsätzlich heilbar, wenn der Bescheid tatsächlich zugegangen ist (§ 8 VwZG). Dann ist der Verwaltungsakt bekanntgegeben und damit wirksam. Nach a.A. kommt es für die Wirksamkeit des Verwaltungsakts nur darauf an, ob die Voraussetzungen des § 41 Abs. 1 S. 1 VwVfG vorliegen.S hat tatsächlich Kenntnis vom Widerspruchsbescheid erlangt. Dieser ist also nach beiden Ansichten wirksam. Eine Heilung nach § 8 VwZG scheidet aus, wenn es an der Zustellung mangels Zustellungswillens gänzlich fehlt und damit die Zustellung unwirksam ist.

4. Hier wurde S der Widerspruchsbescheid nicht förmlich zugestellt. Besteht in der Lit. und Rspr. Einigkeit darüber, dass der Verwaltungsakt in diesen Fällen unwirksam ist?

Nein, das trifft nicht zu!

Damit ein Verwaltungsakt wirksam ist, muss er wirksam bekanntgegeben werden (§ 43 VwVfG). Sofern über § 41 Abs. 5 VwVfG eine förmliche Zustellung erforderlich ist, ist umstritten, ob sich eine fehlerhafte Zustellung auf die Wirksamkeit des Verwaltungsakts auswirken. Nach der h.M. in der Lit. führt eine fehlerhafte Zustellung dazu, dass der Verwaltungsakt nicht wirksam wird. Die Zustellung sei ein Aliud zur „einfachen“ Zustellung nach § 41 Abs. 1 S. 1 VwVfG. Nach der – hauptsächlich in der Rspr. – vertretenen Gegenansicht, wird ein Verwaltungsakt auch bei fehlerhafter Zustellung wirksam, sofern die Voraussetzungen des § 41 Abs. 1 S. 1 VwVfG vorliegen. Die Regeln über die förmliche Zustellung sei nur ein „Plus“ zur einfachen Bekanntgabe. Die förmliche Zustellung diene allein der Beweisbarkeit der Bekanntgabe.
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