Referendariat: Prozessrecht & Klausurtypen

Die ZVR-Klausur

Drittwiderspruchsklage, § 771 ZPO

Vertragliches Pfandrecht als „ein die Veräußerung hinderndes Recht“

Vertragliches Pfandrecht als „ein die Veräußerung hinderndes Recht“

12. April 2025

11 Kommentare

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

G hat gegen S einen titulierten Anspruch. S nimmt bei ihrem Mitbewohner D ein Darlehen auf und räumt ihm zur Sicherung des Rückzahlungsanspruchs ein Pfandrecht an ihrer goldenen Halskette ein. D legt die Kette in sein Zimmer. G lässt die Kette ohne Zustimmung des D pfänden.

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Einordnung des Falls

Vertragliches Pfandrecht als „ein die Veräußerung hinderndes Recht“

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. D kann gegen die Pfändung der Kette erfolgreich mit der Vollstreckungserinnerung (§ 766 ZPO) vorgehen.

Ja, in der Tat!

Die Vollstreckungserinnerung ist statthaft (§ 766 Abs. 1 S. 1 ZPO), wenn der Erinnerungsführer gegen Vollstreckungsmaßnahmen des Vollstreckungsorgans mit der Rüge der Verletzung formellen Rechts vorgeht. D kann - zu Recht - einwenden, dass Gegenstände, die sich in seinem Gewahrsam befinden, unabhängig von den Eigentumsverhältnissen nur mit seiner Zustimmung gepfändet werden dürfen (§ 809 ZPO). Gegen diese formelle Vorschrift hat der Gerichtsvollzieher bei der Pfändung verstoßen, sodass eine Erinnerung des D (§ 766 ZPO) Erfolg hätte.
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2. Die Vollstreckungserinnerung (§ 766 ZPO) und die Drittwiderspruchsklage (§ 771 ZPO) schließen sich gegenseitig aus.

Nein!

Die Vollstreckungserinnerung (§ 766 ZPO) richtet sich primär gegen das formelle Vollstreckungsverfahren und eine bestimmte Vollstreckungshandlung des Vollstreckungsorgans. Mit der Drittwiderspruchsklage (§ 771 ZPO) wird hingegen materielles Recht durchgesetzt. Die beiden Rechtsbehelfe können nebeneinander - aber nicht in demselben Verfahren - angebracht werden. Die Drittwiderspruchsklage (§ 771 ZPO) ist rechtsschutzintensiver: Ist die Klage erfolgreich, ist jede Vollstreckung in einen bestimmten Gegenstand unzulässig. Daher fällt auch das Rechtsschutzbedürfnis nicht weg, wenn D bereits mit einer Erinnerung (§ 766 ZPO) Erfolg hatte.

3. D kann mit der Drittwiderspruchsklage (§ 771 ZPO) gegen die Pfändung der Kette vorgehen, wenn die Drittwiderspruchsklage (§ 771 ZPO) statthaft ist.

Genau, so ist das!

Die Zulässigkeitsvoraussetzungen der Drittwiderspruchsklage (§ 771 ZPO) lauten: (1) Statthaftigkeit, (2) Zuständigkeit des Gerichts, (3) Rechtsschutzbedürfnis. Die Drittwiderspruchsklage (§ 771 ZPO) ist statthaft, wenn der Kläger als Dritter ein die Veräußerung hinderndes Recht (Interventionsrecht) geltend macht (§ 771 Abs. 1 ZPO). Ein Interventionsrecht liegt vor, wenn der Vollstreckungsschuldner aufgrund dieses Rechts den Gegenstand nicht veräußern dürfte, eine hypothetische Veräußerung durch den Vollstreckungsschuldner also rechtswidrig in den Rechtskreis des Dritten eingreifen würde. Ein solches Interventionsrecht könnte für D in seinem vertraglichen Pfandrecht an der Kette bestehen.

4. Das Pfandrecht an der Kette stellt ein Interventionsrecht771 ZPO) dar.

Ja, in der Tat!

Ein besitzendes Pfandrecht stellt ein Interventionsrecht771 ZPO) dar. Dies ergibt ein Umkehrschluss aus § 805 Abs. 1 ZPO. Das dem D von S eingeräumte Pfandrecht ist ein sogenanntes Faustpfandrecht (§ 1205 BGB). Es ist - weil S die Kette an D übergeben hat - ein besitzendes Pfandrecht. D kann dieses Pfandrecht daher im Rahmen der Drittwiderspruchsklage geltend machen. Die Klage ist begründet, wenn das behauptete Faustpfandrecht tatsächlich besteht.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

LEN

Leniii

5.7.2021, 17:17:28

Wo steht denn, dass Gegenstände im Gewahrsam des Dritten nicht ohne dessen Zustimmung gepfändet werden dürfen? Ja nicht direkt in para.

809 ZPO

- soll das auf para. 808 II S. 1 ZPO anspielen?

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

5.7.2021, 18:34:27

Das steht tatsächlich etwas versteckt in §

809 ZPO

. Der Dritte muss danach "zur Herausgabe bereit" sein. Dies setzt insofern eine Zustimmung mit der Pfändung voraus. Fehlt es an dieser, so liegt keine Heruasgabebereitschaft vor :) Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

Denislav Tersiski

Denislav Tersiski

13.9.2023, 07:38:28

In Thomas/Putzo § 805 Rn. 3 steht, dass dem b

esi

tzenden Pfandgläubiger zwar grundsätzlich 771 offenstehe (also Zulässigkeit (+), wie im Fall), dieser aber oft gar nicht begründet sein werde. Hingegen passe die Vorzugsklage nach

805 ZPO

immer (egal, ob b

esi

tzloses oder b

esi

tzendes Pfandrecht). Wir haben im Repetitorium gelernt, dass bei einem b

esi

tzenden Pfandrecht

771 ZPO

am

Rechtsschutzbedürfnis

scheitern soll (also bereits Zulässigkeit (-)), da

805 ZPO

der rechtsschutzintensivere Weg sei. Ich weiß nicht, ob ich da irgendwo einen Denkfehler habe.

ENU

ehemalige:r Nutzer:in

10.11.2023, 12:57:57

Das würde mich auch interessieren ..

JURA

juravulpes

9.4.2024, 12:36:44

Der b

esi

tzende Pfandgläubiger kann der Vollstreckung widersprechen, da ihm das Recht zusteht, den günstigsten Zeitpunkt für die Verwertung selbst zu bestimmen. Es fehlt daher nicht am

Rechtsschutzbedürfnis

.

HME

Hilfloser Melancholiker

3.12.2023, 15:07:25

In einer der Fragen wird gefragt, ob sich DWS und Erinnerung ausschließen. Das wird mit nein beantwortet. Stimmt auch, ist aber insofern ein bisschen irreführend, als DWS und Erinnerung nicht im Wege der objektiven Klagehäufung miteinander verknüpft werden können (meine ich). Das könnte man noch klarstellend ergänzen.

flari0n

flari0n

27.9.2024, 18:46:03

Das steht (zumindest mittlerweile) in der Aufgabe drin :)

Rechtsanwalt B. Trüger

Rechtsanwalt B. Trüger

3.10.2024, 12:29:06

Hier sollte/könnte der SV vielleicht etwas ergänzt werden. Es wird nicht ganz ersichtlich was D genau rügt. Einmal kommt die Art und Weise in Betracht —> dann §

766 ZPO

und einmal kommt das

Interventionsrecht

in Betracht —> dann §

771 ZPO

Ich bin davon ausgegangen, dass es hier jetzt nur um die Rüge des

Interventionsrecht

geht, weil die Aufgabe sich nunmal im Kapitel der DWK befindet. Für die Rüge der Art und Weise hab ich jetzt keine eindeutigen Anzeichen gesehen. Klar steht zwar im Sachverhalt, dass es ohne die Zustimmung des D erfolgt ist, aber daraus dann auch direkt herzuleiten, dass er die Art und Weise gerügt hat wäre mir etwas zu sehr Sachverhaltsquetsche. Ein weiterer Satz dahingehend würde bestimmt schon ausreichen

JURA

juravulpes

3.11.2024, 17:39:19

Hier wird der falsche Eindruck erweckt, dass nur bestimmte Pfandrechte ein

Interventionsrecht

darstellen. Sämtliche Pfandrechte begründen ein

Interventionsrecht

und berechtigen grundsätzlich den Pfandgläubiger dazu, einer Vollstreckung in den Gegenstand zu widersprechen. Die

Drittwiderspruch

sklage wird nur dann ausnahmsweise durch

§ 805 ZPO

gesperrt, wenn der Pfandgläubiger nicht im B

esi

tz der Sache ist. Das wird häufig - muss aber nicht immer - beim

Vermieterpfandrecht

der Fall sein. Auf der anderen Seite kann auch der Inhaber eines Faustpfandrechts nicht in jedem Fall der Vollstreckung widersprechen, sondern ist auf die Vorzugsklage angewiesen, wenn er keinen B

esi

tz an der Pfandsache hat.

PAUL

Paulina

3.12.2024, 19:46:15

Das

Vermieterpfandrecht

stellt aber doch zB kein

Interventionsrecht

dar.

SI

SimonH

13.3.2025, 18:23:23

Also im Putzo steht es genau so, wie es hier dargestellt wird. D.h. nur b

esi

tzende Pfandrechte stellen ein

Interventionsrecht

dar (vgl.

§ 805 ZPO

, Rn.3). In der von mir gefundenen Literatur (BeckOK, MüKo, Stein/Jonas) dagegen wird es so gesehen, dass §

771 ZPO

nur für solche Pfandrechte gilt, für die

§ 805 ZPO

nicht gilt. Besagte Kommentare nehmen dann an, dass

§ 805 ZPO

nur für b

esi

tzlose Pfandrechte gilt, wobei sich der MükO in der gleichen Fundstelle hier selbst widerspricht (§

771 ZPO

, Rn. 35). --> Praktisch macht das Ganze also nur einen Unterschied, wenn ein b

esi

tzender Pfandrechtinhaber sich mit

§ 805 ZPO

wehren möchte. Nach den Kommentaren scheint das nicht zu gehen bzw. ist wohl eher einfach misslich ausgedrückt (hier wurde vermutlich einfach im Kreis abgeschrieben); nach Putzo wäre das möglich. In der Klausur (des 2. Examens) hat man nur den Putzo, d.h. ich würde mich danach richten. Meines Erachtens ist diese Ansicht auch inhaltlich vorzugwürdig, weil wenn ich schon die Vollstreckung nach §

771 ZPO

für unzulässig erklären kann, muss ich doch Erst-Recht aus ihr vorzugsweise befriedigt werden können (so dann auch wieder der MüKo, in §

771 ZPO

, Rn.35)


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