+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
T beantragt im Frühsommer 2020 sieben Mal Corona-Hilfen, indem sie fälschlich angibt mehrere Kleingewerbe zu betreiben. Am Ende des kurzen Antragsformulars steht der Hinweis, dass alle Angaben subventionserheblich sind. Es kommt in drei Fällen zur Auszahlung.
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Einordnung des Falls
Vorliegend betont der BGH eine breite Auslegung des Begriffs "subventionserhebliche Tatsachen" in Subventionsbetrugsfällen. Entscheidend sein auch klare und präzise Formulierungen in Subventionsanträgen. Der Angeklagte hatte trotz fehlender Voraussetzungen Corona-Soforthilfe beantragt. Hierbei verwendete er falsche Informationen und die persönlichen Daten anderer.
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 8 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Kommt vorliegend lediglich eine Strafbarkeit der T wegen Betruges in Betracht (§ 263 Abs. 1 StGB)?
Nein, das trifft nicht zu!
Bei den Corona-Soforthilfen könnte es sich um Subventionen im Sinne des § 264 Abs. 8 StGB handeln, sodass ein Subventionsbetrug in Betracht kommt (§ 264 StGB). Dieser geht dem Betrug als speziellere Regelung vor. Auf § 263 StGB kann nur dann zurückgegriffen werden, wenn die Tat von § 264 StGB nicht voll erfasst wird. Die Strafbarkeit des Subventionsbetrugs schützt wie auch der Betrug (§ 263 StGB) das Vermögen. Allerdings umfasst § 264 StGB, anders als der Betrug nach § 263 StGB, nur öffentliche Mittel in Form von Subventionen. Geschützt ist also lediglich der Staatshaushalt.
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2. Könnte T sich wegen Subventionsbetrug strafbar gemacht haben (§ 264 Abs. 1 Nr. 1 StGB)?
Ja!
Nach § 264 Abs. 1 Nr. 1 StGB ist der objektive Tatbestand des Subventionsbetruges verwirklicht, wenn der Täter gegenüber einem Subventionsgeber über subventionserhebliche Tatsachen für sich oder einen anderen unrichtige oder unvollständige Angaben macht, die für ihn oder den anderen vorteilhaft sind.
Bei den Corona- Soforthilfen müsste es sich um Subventionen handeln und die Angaben müssten subventionserheblich sein.
Bei § 264 StGB handelt es sich um eine eher exotische Norm, allerdings kann die Subsumtion sehr eng am Gesetz erfolgen. Die relevanten Tatbestandsmerkmale sind in § 264 Abs. 8, Abs. 9 StGB legaldefiniert.
3. Handelt es sich bei den beantragten Soforthilfen um Subventionen (§ 264 Abs. 8 Nr. 1 StGB)?
Genau, so ist das!
Der Begriff der Subvention ist in § 264 Abs. 8 Nr. 1 StGB legaldefiniert. Danach handelt es sich hierbei um Leistungen aus öffentlichen Mitteln nach Bundes- oder Landesrecht an Betriebe oder Unternehmen, die wenigstens zum Teil ohne marktmäßige Gegenleistung gewährt werden und der Förderung der Wirtschaft dienen sollen.
Bei den Corona Soforthilfen handelt es sich um sogenannte verlorene Zuschüsse ohne eine marktmäßige Gegenleistung. Das bedeutet, die Zuschüsse sind nicht rückzahlbar. Die Zuschüsse erfolgen aus staatlichen Mitteln und dienen der Unterstützung von Betrieben und Unternehmen in der wirtschaftlich schweren Zeit der Pandemie. Die Soforthilfe gilt jedenfalls auch der Förderung der Wirtschaft.
4. Stellt jede unrichtige oder unvollständige Angabe gegenüber dem Subventionsgebers einen strafbaren Subventionsbetrug dar?
Nein, das trifft nicht zu!
Nicht jede unrichtige oder unvollständige Angabe im Antragsformular erfüllt den Tatbestand des Subventionsbetrugs. § 264 Abs. 1 Nr. 1 StGB setzt vielmehr voraus, dass sich die falschen Angaben auf subventionserhebliche Tatsachen beziehen. Subventionserhebliche Tatsachen sind nach § 264 Abs. 9 StGB Tatsachen, die durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes von dem Subventionsgeber als subventionserheblich bezeichnet sind. Ebenso subventionserheblich sind Tatsachen, von denen die Bewilligung, Gewährung, Rückforderung, Weitergewährung oder das Belassenen einer Subvention oder eines Subventionsvorteils gesetzlich oder nach dem Subventionsvertrag abhängig sind.
Die Definition musst Du nicht auswendiglernen! Du kannst sie direkt aus § 264 Abs. 9 StGB übernehmen.
5. Ist die Existenz eines Kleinbetriebs subventionserheblich, wenn dies ausdrücklich aufgrund eines Gesetzes festgelegt wurde?
Ja!
Die Tatsache muss nach § 264 Abs. 9 Nr. 1 StGB durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes von dem Subventionsgeber als subventionserheblich bezeichnet werden. Bezüglich der Corona- Hilfen gibt es kein Gesetz, das die Subventionserheblichkeit explizit vorgibt. Die Bezeichnung als subventionserheblich erfolgt aufgrund eines Gesetzes, nämlich § 2 SubvG iVm den Subventionsgesetzen der Länder. Demnach können die Behörden bestimmte Tatsachen als subventionserheblich festlegen.
Diese Anforderungen sind beispielsweise erfüllt, wenn Angaben zum Antragsteller, zum Unternehmen und zum Förderbedarf als subventionserheblich bezeichnet werden.
Die Umsetzung der Hilfsprogramme erfolgt durch die Länder, sodass sich die Antragsformulare unterscheiden.
6. Bestimmt das von T verwendete Formular ausdrücklich, dass die Existenz eines Kleinbetriebs subventionserheblich ist?
Nein, das ist nicht der Fall!
In dem von T verwendeten Antragsformular steht, dass alle Angaben subventionserheblich sind. Die Subventionserheblichkeit der Existenz eines Kleinbetriebs wird nicht ausdrücklich hervorgehoben, vielmehr wird pauschal auf das gesamte Formular verwiesen.Ein solches Formular wurde zB in Niedersachsen verwendet.
7. Ist die Angabe, dass alle Angaben subventionserheblich sind, zu pauschal?
Nein, das trifft nicht zu!
Grundsätzlich reichen pauschale oder lediglich formelhafte Bezeichnungen nicht aus. Die Subventionserheblichkeit muss klar und unmissverständlich auf den konkreten Fall bezogen dargelegt werden (RdNr.7). Eine Ausnahme gilt dann, wenn es sich um kurze und übersichtliche Formulare handelt, in denen fast ausschließlich erhebliche Tatsachen abgefragt werden.
Die Formulare zur Corona-Soforthilfe sind bewusst knapp und übersichtlich gestaltet, um die Beantragung möglichst niedrigschwellig zu ermöglichen. BGH: Der pauschale Verweis auf die Subventionserheblichkeit sei klar und verständlich. Aufgrund der Kürze des Formulars werde dem Beantragenden die Bedeutung aller abgefragten Angaben klargemacht (RdNr. 11).
Dieses Ergebnis ist nicht unumstritten. Für eine genaue Bezeichnung der subventionserheblichen Tatsachen spricht der Bestimmtheitsgrundsatz.
8. In vier Fällen kam es nie zu einer Auszahlung. Hat sich T deshalb nur des dreifachen Subventionsbetrugs strafbar gemacht?
Nein!
Im Gegensatz zum Betrug (§ 263 StGB) erfordert der Subventionsbetrug nach § 264 Abs. 1 Nr. 1 StGB nicht, dass es zu einer Vermögensverfügung oder gar einem Vermögensschaden kommt. Es genügt bereits, dass die Täterin unrichtige oder unvollständige Angaben über subventionserhebliche vorteilhafte Tatsachen macht.
Die Tat der T war bereits mit dem Zugang der Angaben bei den zuständigen Behörden vollendet. Es kommt nicht darauf an, ob eine Auszahlung erfolgte.