+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
H überwacht von Italien aus Patente von Inhabern gewerblicher Rechte aus anderen Mitgliedstaaten mit Hilfe eines elektronischen Systems und benachrichtigt sie, wenn Gebühren zur Aufrechterhaltung anfallen. Rechtsanwältin R sieht darin einen Verstoß gegen das Rechtsanwaltsgesetz.
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Einordnung des Falls
Dienstleistungsfreiheit, Art. 56 AEUV: unterschiedslose Beschränkung („Sänger")
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Der Anwendungsbereich der Dienstleistungsfreiheit ist vorliegend eröffnet.
Ja!
Der sachliche Anwendungsbereich setzt eine Dienstleistung voraus. Die Dienstleistung lässt sich in Abgrenzung zu den anderen Grundfreiheiten als selbstständige, vorübergehende Leistungen definieren, die einen entgeltlichen Charakter haben muss. Begünstigte sind Unionsbürger und gem. Art. 62 i.V.m. Art. 54 AEUV Gesellschaften mit Unionsbezug. Ferner ist ein grenzüberschreitender Bezug erforderlich. H bietet die Patentüberwachung selbstständig und gegen die Zahlung eines Entgelts an. Außerdem ist er in Italien ansässig und führt die Tätigkeit von dort aus rein digital für Kunden in anderen Mitgliedstaaten durch. Somit ist auch ein grenzüberschreitender Bezug in Form einer Korrespondenzdienstleistung gegeben.
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2. Das Erfordernis einer Erlaubnis für die Tätigkeit des H würde eine offene Diskriminierung darstellen.
Nein, das ist nicht der Fall!
Eine Diskriminierung besteht darin, dass rechtlich gleiche Sachverhalte unterschiedlich bzw. rechtlich unterschiedliche Sachverhalte gleich behandelt werden. Eine offene Diskriminierung ist dann gegeben, wenn die Ungleichbehandlung auf dem Differenzierungskriterium der Staatsangehörigkeit beruht. Offene Diskriminierungen führen also zu einer Ungleichbehandlung von Inländern und Ausländern, indem sie Personen aufgrund der Staatsangehörigkeit an dem Zugang zum Markt hindern.
Wäre die Tätigkeit des H erlaubnispflichtig, so würde der Erlaubnisvorbehalt für alle gelten, die dieser Tätigkeit nachgehen, unabhängig von der Staatsangehörigkeit. Eine offene Diskriminierung würde daher nicht vorliegen.
3. Das Erfordernis einer Erlaubnis für die Tätigkeit des H würde eine versteckte Diskriminierung darstellen.
Nein, das trifft nicht zu!
Eine versteckte Diskriminierung liegt vor, wenn die Ungleichbehandlung an ein anderes Differenzierungskriterium als die Staatsangehörigkeit geknüpft wird. Formal liegt bei der versteckten Diskriminierung eine gleiche (unterschiedslose) Behandlung von Inländern und Ausländern vor. Durch die versteckt diskriminierende Maßnahme werden ausländische Unionsbürger, die sich im betroffenen Mitgliedstaat niederlassen, jedoch typischerweise stärker und häufiger betroffen als Inländer.
Die Einführung eines Erlaubnisvorbehalts für die Tätigkeit der Patentüberprüfung benachteiligt ausländische Staatsbürger nicht faktisch häufiger als inländische. Die Erlangung einer entsprechenden Erlaubnis wäre vielmehr für Staatsbürger aus allen Mitgliedstaaten gleichermaßen verpflichtend. Eine versteckte Diskriminierung liegt daher nicht vor.
4. Es würde sich vorliegend um eine unterschiedslose Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit handeln.
Ja!
Art. 56 AEUV verlangt nicht nur die Beseitigung sämtlicher Diskriminierungen des Dienstleistungserbringers aufgrund seiner Staatsangehörigkeit, sondern auch die Aufhebung aller unterschiedslosen Beschränkungen. Vom Wortlaut her ist der Art. 56 AEUV insoweit offen formuliert, als er von "Beschränkungen" spricht. In dieser Entscheidung in Sachen "Säger" hat der EuGH die Dienstleistungsfreiheit somit nach der herrschenden Meinung als ein Beschränkungsverbotausgelegt.Das Erfordernis einer Erlaubnis für die Tätigkeit der Patentüberwachung würde unterschiedslos für alle Personen gelten, die dieser Tätigkeit nachgehen, unabhängig von Staatsangehörigkeit, Wohnort oder Sprachkenntnissen. Eine Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit wäre deshalb gegeben, weil die H die Tätigkeit nicht mehr ohne weiteres über mitgliedstaatliche Grenzen hinweg ausüben könnte. Eine unterschiedslose Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit ist damit gegeben. 5. Mitgliedstaaten dürfen die Erbringung von Dienstleistungen aber von der Einhaltung aller Vorschriften abhängig machen, die für die Niederlassung gelten.
Nein, das ist nicht der Fall!
Mitgliedstaaten dürfen die Erbringung von Dienstleistungen in ihrem Hoheitsgebiet nicht von der Einhaltung aller Vorschriften abhängig machen, die für eine Niederlassen gelten. Hindernisse, die sich aus einzelstaatlichen Vorgaben für den freien Markt ergeben, müssen nach Ansicht des EuGH vielmehr beseitigt werden, da die Mitgliedstaaten sonst weitestgehend über den Markt der Dienstleistungsfreiheit disponieren könnten.
Dies gilt erst recht, wenn - wie vorliegend- die Dienstleistung erbracht wird, ohne, dass sich der Dienstleistende in das Gebiet des Mitgliedstaates begibt.
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