Zivilrecht

Sonstige vertragliche Schuldverhältnisse

Bürgschaft, §§ 765ff. BGB

Sittenwidrigkeit der Bürgschaft durch nahe Angehörige des Hauptschuldners

Sittenwidrigkeit der Bürgschaft durch nahe Angehörige des Hauptschuldners

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Ehefrau F möchte sich mit einer Gärtnerei selbstständig machen. Hierzu möchte sie bei der D-Bank ein Darlehen in Höhe von €100.000 zu einem jährlichen Zins von 3% aufnehmen. D verlangt jedoch eine Sicherheit in Form einer Bürgschaft. Ehemann M verbürgt sich für F. M ist Hausmann und verfügt über eigenes Vermögen in Höhe von €2000.

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Einordnung des Falls

Sittenwidrigkeit der Bürgschaft durch nahe Angehörige des Hauptschuldners

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Dem Bürgschaftsvertrag kann die Nichtigkeit aufgrund von Wucher entgegenstehen (§ 138 Abs. 2 BGB).

Nein!

Eine Nichtigkeit aufgrund Wucher setzt objektiv ein auffälliges Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung voraus. Der Bürgschaftsvertrag ist jedoch ein einseitig verpflichtender Vertrag. Allein der Bürge verpflichtetet sich für eine fremde Verbindlichkeit einzustehen (§ 765 Abs. 1 BGB). Es fehlt an einer Gegenleistung. Ein Missverhältnis kann nicht vorliegen. Allein der M verpflichtet sich für die Verbindlichkeit der F in Höhe von €100.000 einzustehen. Die D-Bank erbringt keine Leistung an den M. Die Auskehrung der Darlehensvaluta basiert auf dem Darlehensvertrag mit F (§ 488 BGB).
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2. Dem Bürgschaftsvertrag kann die Sittenwidrigkeit entgegenstehen (§ 138 Abs. 1 BGB).

Genau, so ist das!

Sittenwidrigkeit ist gegeben, wenn das Rechtsgeschäft nach einer Gesamtwürdigung unvereinbar mit den Wertungen der Rechts- und Sittenordnung ist. Häufig werden Bürgschaften aufgrund persönlicher Beziehungen übernommen und sind durch Unerfahrenheit geprägt. Oftmals geht dies für den Bürgen mit einer finanziellen Überforderung einher. Nutzt der Gläubiger diese Situation in unsittlicher Weise aus, kommt eine Sittenwidrigkeit in Betracht (§ 138 Abs. 1 BGB). Nach dem BGH wird dieses Ausnutzungsbewusstsein widerleglich vermutet, wenn objektiv eine krasse finanzielle Überforderung des Bürgen vorliegt und ein besonderes persönliches Näheverhältnis zum Hauptschuldner besteht. Darüber hinaus gelten die allgemeinen Grundsätze der Sittenwidrigkeit.

3. M ist krass finanziell überfordert.

Ja, in der Tat!

Eine krasse finanzielle Überforderung ist anzunehmen, wenn zwischen dem Umfang der übernommenen Verpflichtung des Bürgen und seiner Leistungsfähigkeit ein grobes Missverhältnis besteht. Ein grobes Missverhältnis ist anzunehmen, wenn der Bürge voraussichtlich nicht in der Lage sein wird, die laufenden Zinsen der Hauptschuld aus dem pfändbaren Vermögen und Einkommen zu tilgen. Maßgebend ist eine wirtschaftliche Prognose im Zeitpunkt der Abgabe der Bürgschaftserklärung. M übernimmt die Bürgschaft für eine Verbindlichkeit in Höhe von €100.000. Das Vermögen des M beläuft sich auf €2000. Er verfügt über keine Einnahmequelle. Demnach kann voraussichtlich nichtmal die Zinsen in Höhe von 3.000€ zahlen. Der Umfang der Verpflichtung steht damit in einem groben Missverhältnis zur Leistungsfähigkeit.

4. M übernahm die Bürgschaft aus emotionaler Abhängigkeit.

Ja!

Eine emotionale Verbundenheit zwischen Bürge und Hauptschuldner setzt ein besonderes Näheverhältnis voraus. Ein besonderes Näheverhältnis ist im Verhältnis zwischen Eltern und Kindern, in der Ehe und Lebenspartnerschaften zunehmen. M übernimmt die Bürgschaft seiner Ehefrau F. Zwischen ihnen besteht damit ein besonderes Näheverhältnis in Form der Ehe.

5. Die D-Bank verfügt über ein Ausnutzungsbewusstsein.

Genau, so ist das!

Ein Ausnutzungsbewusstsein wird bei finanziellen überfordernden Bürgschaften nahestehender Personen widerleglich vermutet (Beweislastumkehr). Der Gläubiger kann das Ausnutzungsbewusstsein widerlegen. Hierzu muss der Gläubiger ein berechtigtes besonderes Eigeninteresse an der Bürgschaft darlegen und beweisen.. Die D-Bank trägt nichts zur Widerlegung der Vermutung vor, sodass die Beweislastumkehr greift.
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