Unterschrift infolge Gewaltanwendung (Handlungswille)


+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

B will, dass A ihm sein Auto abkauft. Da sie sich über den Kaufpreis nicht einig werden, erteilt B dem A eine Tracht Prügel. Er droht weitere Schläge an, bis A den Wagen für €5.000 abkauft.

Einordnung des Falls

Unterschrift infolge Gewaltanwendung (Handlungswille)

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 8 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Ein Kaufvertrag (§ 433 BGB) kommt durch zwei übereinstimmende Willenserklärungen zustande.

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Genau, so ist das!

Die zeitlich früher abgegebene Willenserklärung heißt Antrag (§ 145 BGB) bzw. Angebot und die später darauffolgende Willenserklärung Annahme (§§ 146ff. BGB).

2. Indem B dem A den ausgefüllten Kaufvertrag vorgelegt hat, hat er ein Angebot zum Abschluss eines Kaufvertrags gemacht.

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Ja, in der Tat!

Das Angebot ist eine empfangsbedürftige Willenserklärung, durch die einem anderen ein Vertragsschluss so angetragen wird, dass das Zustandekommen des Vertrages nur noch von dessen Einverständnis abhängt. Die Annahme ist eine grundsätzlich empfangsbedürftige Willenserklärung, durch die der Antragsempfänger dem Antragenden sein Einverständnis mit dem Vertragsschluss zu verstehen gibt. B hat somit ein Angebot gemacht. Fraglich ist nur, ob A dieses Angebot auch rechtswirksam angenommen hat, obwohl er zu dem Preis eigentlich nicht verkaufen wollte.

3. Beim inneren (subjektiven) Tatbestand der Willenserklärung unterscheidet man drei Kategorien: Handlungswille, Erklärungsbewusstsein und Geschäftswille.

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Ja!

Es handelt sich dabei allerdings nicht um notwendige Entstehungsvoraussetzungen einer Willenserklärung. Unstreitig ist, dass der Handlungswille notwendige Voraussetzung einer Willenserklärung ist und dass ein Geschäftswille nicht erforderlich ist. Umstritten ist aber, ob das Erklärungsbewusstsein gegeben sein muss. Nach Rspr. und h.L. genügt ein potentielles Erklärungsbewusstsein. Dieses liegt vor, wenn der Empfänger von einer wirksamen Willenserklärung ausgehen konnte und der Erklärende dies bei Anwendung der erforderlichen Sorgfalt hätte erkennen können.

4. A fehlte der Handlungswille. B übte körperlichen Zwang auf ihn aus und nahm ihm damit jeden Entscheidungsspielraum (vis absoluta).

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Nein, das ist nicht der Fall!

Handlungswille meint, dass ein bewusster Willensakt vorliegt, der auf die Vornahme eines äußeren Verhaltens gerichtet ist. Er fehlt, wenn jemand eine Erklärung im Schlaf, in Hypnose oder Narkose oder unter einer unmittelbar auf ihn einwirkenden körperlichen Gewalt (willensbrechende Gewalt, sog. „vis absoluta“) vornimmt, wobei bildlich gesprochen sein Körper als bloßes Werkzeug benutzt wird.Hier erfolgte die Unterschrift nicht unmittelbar durch körperlichen Zwang (zB Führen der Hand), sondern durch die eigene Entscheidung des A. Dass die Entscheidung, zu unterschreiben, durch Gewaltanwendung/-drohung herbeigeführt wurde, ist unerheblich.

5. A hatte beim Unterschreiben des Vertrages das Bewusstsein, eine rechtserhebliche Erklärung abzugeben (Erklärungsbewusstsein).

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Ja, in der Tat!

Das Erklärungsbewusstsein ist der Wille, überhaupt am rechtsgeschäftlichen Verkehr teilzunehmen und durch sein Handeln eine irgendwie rechtsgeschäftlich relevante Erklärung abzugeben.Hier wusste A, dass er durch das Unterschreiben des Kaufvertrags gegenüber B sein Einverständnis mit dem angetragenen Vertragsschluss erklärt und damit eine rechtlich bedeutsame Erklärung (Annahme) abgibt.

6. A hatte beim Unterschreiben den Willen und das Bewusstsein, mit B einen Kaufvertrag über das Auto zum Preis von €5.000 abzuschließen (Geschäftswille).

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Ja!

Unter dem Geschäftswillen versteht man den Willen, eine ganz bestimmte Rechtsfolge herbeizuführen.A war beim Unterschreiben bewusst, dass er gegenüber B sein Einverständnis zum Abschluss des Kaufvertrags hinsichtlich des Autos zu einem Kaufpreis von 5.000€ erklärt. Er hatte somit Geschäftswillen. Der innere Tatbestand der Willenserklärung des A liegt also vor.

7. Aus Sicht eines objektiven Betrachters stellt sich das Unterschreiben durch A als Äußerung eines auf eine Rechtsfolge gerichteten Willens dar (äußerer/objektiver Tatbestand der Willenserklärung).

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Genau, so ist das!

Der äußere (objektive) Tatbestand der Willenserklärung besteht in einem Verhalten, das sich aus Sicht eines objektiven Betrachters als Äußerung eines auf die Herbeiführung einer bestimmten Rechtsfolge gerichteten Willens darstellt (sog. Erklärungstatbestand).Ein objektiver Betrachter konnte das von A gezeigte Verhalten nur so auffassen, dass A mit dem Abschluss des Kaufvertrags über das Auto zu einem Preis von 5.000€ einverstanden ist. Damit liegt eine (zunächst) wirksame Willenserklärung des A vor.

8. A kann seine Willenserklärung nach § 123 Abs. 1 Fall 2 BGB wegen widerrechtlicher Drohung (mit weiteren Schlägen) anfechten und damit seine Haftung beseitigen.

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Ja, in der Tat!

Eine „erzwungene“ Handlung durch Dritte ist nicht nur durch vis absoluta (willensbrechende Gewalt) möglich, sondern auch durch vis compulsiva (willensbeugende Gewalt). Vis compulsiva liegt vor, wenn der Handelnde mit Drohung zu einer Handlung gezwungen wird - eine Erklärung kommt zustande, kann aber nach § 123 Abs. 1 Fall 2 BGB innerhalb der Frist des § 124 Abs. 1 BGB angefochten werden.B hat A durch das Inaussichtstellen weiterer Schläge (künftiges Übel) und damit durch widerrechtliche Drohung zur Abgabe seiner Erklärung veranlasst.Würde A die Erklärung deshalb nach § 123 Abs. 1 Fall 2 BGB anfechten, dann wäre sie ex tunc nichtig (§ 142 Abs. 1 BGB).

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MU

Mutschekiepchen

17.10.2019, 20:38:34

Es wird sowohl in einer Frage als auch in einer Antwort von vis absoluta gesprochen. Bei vis absoluta hat der Erklärende jedoch kein Handlungswillen. Man sollte genauer feststellen, dass nach den Prügel (vis absoluta) beim unterzeichnen des Vertrages nur noch vis compulsiva vorlag und somit ein Handlungswille bejaht wird.

SA

Salwa

21.11.2019, 16:35:15

Der erste Satz ist eine Feststellung und keine Frage. Festgestellt wird, dass im vorliegenden Fall keine vis absoluta vorliegt. Meiner Meinung nach ist die Erklärung eindeutig :)

Marilena

Marilena

30.11.2019, 17:33:29

Hallo Mutschekiepchen, irgendwie versteh ich nicht ganz, was du wie geändert haben möchtest. Würde mich freuen, wenn Du das nochmal näher erläuterst. Danke!

Christian Leupold-Wendling

Christian Leupold-Wendling

14.1.2020, 16:17:58

Mutschekiepchen, der Hinweistext ist unseres Erachtens eindeutig und bringt genau das zum Ausdruck, was Du vorgeschlagen hast: "... Hier wurde die Unterschrift aber nicht unmittelbar durch körperlichen Zwang, sondern durch die eigene Entscheidung des A hervorgebracht. B hat die Hand des A beim Unterschreiben nicht gewaltsam geführt. Dass die Entscheidung, zu unterschreiben, durch Gewaltanwendung/-drohung herbeigeführt wurde, ist unerheblich."

Vulpes

Vulpes

26.11.2019, 00:47:14

Also ich finde den Fall schlecht konstruiert. Bei einer vis absoluta liegt kein Handlungswille vor und damit ist die WE nichtig. Selbst wenn bei fraglicher Fragestellung kein vis absoluta vorliegt ist beim objektiven Tatbestand durch einen objektiven Dritten kein Rechtsbindungswille (vgl. §133, 157 BGB) bei A festzustellen. Der Mann wurde ja offensichtlich verprügelt und gezwungen. . Sorry, aber das ist hier schlicht weg falsch.

JU

Jurios

29.11.2019, 20:58:06

Ich fand’s auch nicht ganz klar. Aber ich glaube Geschäftswille kann so oder so festgestellt werden. MM: nach subj. Willen -> schon gar keine WE (Willenstheorie), 118 analog hM: RBW nach obj Kriterien. Wenn objektiv jmd nen Vertrag unterschreibt, wo jmd daneben steht -> RBW (+). Anfechtung mgl. Ich finde den Fall aber wie gesagt auch nicht so eindeutig, es muss schon mehr drüber gesagt werden wie der Drohende daneben steht, ob es erkennbar ist, dass er droht oder eben nicht...

JU

Jurios

29.11.2019, 20:59:32

Und vis absolute ist es wirklich nicht :)

Marilena

Marilena

30.11.2019, 16:43:01

Vielen Dank für Eure Kommentare! Der Fall hier ist angelehnt an das Beispiel Nr. 49 in Köhler, Prüfe Dein Wissen BGB AT, 28.A. 2018 und basiert auf der BGH-Entscheidung DB 1975, 2075 (BGH v. 26.06.1975, Az.: II ZR 35/74). In diesem Urteil steht u.a.: „Plötzlich habe er wie von Sinnen auf sie eingeschlagen und sie zu Boden geworfen. Unter Androhung weiterer Schläge habe sie dann alles unterschrieben, was H. verlangt habe. [...] Diesem Vortrag ist nicht zu entnehmen, daß die Annahmeerklärung durch unmittelbare körperliche Gewalt, die für eine eigene Willensbetätigung keinen Raum mehr ließ, zustande gekommen ist. Aus ihm ergibt sich vielmehr, daß die Beklagte, nachdem H. sie wegen ihrer vorangegangen Weigerung geschlagen hatte und unter Androhung weiterer Schläge erneut die gewünschten

Marilena

Marilena

30.11.2019, 16:50:26

Erklärungen forderte, sich aufgrund eigener Entscheidung zu ihrer Abgabe bereit fand, wenn auch nur aus dem Grunde, um der angedrohten, in Anbetracht der vorausgegangenen Tätlichkeiten besonders naheliegenden Gefahr weiterer Schläge zu entgehen. Die Annahmeerklärung ist nicht unmittelbar durch körperlichen Zwang, sondern durch eine unzulässige Beeinträchtigung der Freiheit der Willensentschließung zustande gekommen. Solchermaßen entstandene Willenserklärungen sind nicht von vornherein nichtig, sondern grundsätzlich nur anfechtbar gemäß § 123 BGB.“ Sowohl BGH als auch Köhler sehen den objektiven Tb. als erfüllt an. Ich wüsste nicht, wie eine WE durch widerrechtliche Drohung zustande kommen könnte, wenn man wegen der Drohung den obj. Tb. verneinen würde.

NI

Nichtswisser

29.12.2019, 14:17:27

Falsch ist das eigentlich nicht. Rechtsbindungswille ist objektiv erkennbar, da eine Drohung nichts an der objektiven Wahrnehmung ändert, dass der Erklärende sich der rechtlichen Bedeutung seiner Handlung bewusst ist. Die Drohung lässt den Rückschluss zu, dass eine im Bewusstsein der rechtlichen Bedeutung abgegebene Erklärung dem Zwecke der Abwendung des mit der Drohung in Aussicht gestellten Übels dient, nicht jedoch zwingend, dass die Rechtsfolge nicht gewollt ist. Insofern lässt sich argumentieren, dass der Erklärende sich so selbst entscheiden kann, ob er das Geschäft gegen sich gelten lassen will oder nicht. Grenzen dürften allerdings im Fall der erkannten Mentalreservation nach 116 II liegen. Positive Kenntnis dürfte sich aus dem Umstand der Drohung allein aber noch nicht ergeben.

JW

JURAssic World

21.6.2020, 18:06:32

Also vis absoluta m.E. nicht vor. Bei anderer Auffassung aber mit entsprechender Begründung vertretbar. Für mich stellt sich aber die Antwort bezüglich "aus Sicht eines objektiven Dritten" als sonderbar dar. Ein objektiver Dritter hätte die ganze Szenerie betrachtet und gesehen, dass der Unterzeichner unter Gewalt gelitten haben wird und der "Zwinger" mit Schlagring bewaffnet, entsprechend Einfluss auf ihn ausgeübt haben wird. So würde dieser annehmen dürfen, dass der Unterzeichner unter normalen Umständen die Unterschrift nicht geleistet hätte. Folglich herrscht m.E. aus Sicht eines objektiven Dritten kein Rechtsbindungswillen.

Ira

Ira

27.10.2020, 16:32:33

Ich glaube, es kommt tatsächlich darauf an, aus welchem Blickwinkel man draufschaut. Um die Wirksamkeit des Vertrages zu prüfen, ist objektiv darauf abzustellen, wie der fertig unterschriebene Vertrag zustande kam. Objektiv kann man zunächst nur bewerten, ob es sich um die „echten“ Unterschriften der Parteien handelt. Bei Bejahung würde ein objektiver Beobachter davon ausgehen, dass der Vertrag wirksam zustande gekommen ist, weil er um die genauen Umstände nicht weiß - er war ja bei Vertragsschluss nicht dabei gewesen sein. So ist es nämlich auch in der Realität. Der Richter, der die Begründetheit des Anspruches prüft, wird wohl kaum bei Vertragsschluss anwesend gewesen sein. Aus diesem Blickwinkel erübrigt sich meines Erachtens nach die obige Diskussion.

eichhörnchen II

eichhörnchen II

19.5.2023, 23:47:49

Wieso wird hier der Geschäftswille im subjektiven Tatbestand bejaht? „A hatte beim Unterschreiben den Willen und das Bewusstsein, mit B einen Kaufvertrag über das Auto zum Preis von 5.000€ abzuschließen (Geschäftswille). Ich verstehe den Sachverhalt so, dass der A genau das nicht will. Wieso sollte er sonst durch die Androhung von Gewalt dazu gezwungen werden?

Carl Wagner

Carl Wagner

20.5.2023, 14:43:43

Vielen Dank für deine Frage eichhörnchen II! Sicherlich wollte A den Vertrag eigentlich nicht unterschreiben. A hat das nur wegen der Drohung getan. Hier liegt aber eine gesetzgeberische Wertung vor: Vertragsschlüsse unter dem Einfluss von Drohungen sind nicht automatisch unwirksam, sondern berechtigten nur zur Anfechtung, § 123 I BGB. Die Drohung schließt nicht die Willenserklärung als solche aus, sondern wird vom Drohenden leidglich in die gewünschte Richtung beeinflusst. (BeckOK BGB/Wendtland, 65. Ed. 1.2.2023, BGB § 123 Rn. 25). Anders wäre es zu beurteilen, wenn B die Hand des A gewaltsam geführt hätte. Dann würde A bereits der Handlungswille fehlen und es würde schon keine (anfechtbare) Willenserklärung vorliegen. Viele Grüße - Carl für das Jurafuchs-Team

eichhörnchen II

eichhörnchen II

20.5.2023, 14:48:25

Hey Carl! Vielen Dank für die schnelle Antwort. Ich verstehe allerdings noch immer nicht, warum gerade der Geschäftswille bejaht wird. Wie in dieser Lektion treffend vermittelt wird, ist eine Willenserklärung (und dankt der Vertrag) auch bei fehlenden Geschäftswillen wirksam, es kommt lediglich auf den Handlungswillen & das Erklärungsbewusstsein an.

Carl Wagner

Carl Wagner

20.5.2023, 15:20:41

Gerne! --- (1) Richtig! Auf die Bejahung des Geschäftswillens kommt es nicht an. In einem Gutachten/Klausur bräuchtest du darauf nicht eingehen. Sie ist nur zur Übung enthalten, um einmal alle Punkte einer WE durchdacht zu haben. --- (2) Ich denke, ich verstehe jetzt was du meinst. Bei einer Anfechtung gem. §§ 119, 120 BGB fehlt es am Geschäftswillen (MüKoBGB, 9. Auflage 2021, BGB vor § 116 Rn. 28). Dort wird gerade nicht erklärt, was gewollt war (Erklärungsirrtum und Inhaltsirrtum). Gleiches gilt auch für den beachtlichen Eigenschaftsirrtum, § 119 II BGB (MüKoBGB, 9. Auflage 2021, BGB vor § 116 Rn. 28). Bei einer Drohung sieht es allerdings anders aus. Hier berechtigt nicht fehlender Geschäftswille, sondern mangelnde Entschließungsfreiheit zur Anfechtung (MüKoBGB, 9. Auflage 2021, BGB vor § 116 Rn. 29). A weiß ganz genau, was er hier erklärt (und mehr sagt der Geschäftswille auch nicht). Er weiß, dass er gerade sein Auto für 5.000 € verkauft. Eigentlich will er das nicht, aber er tut es trotzdem. Abwandlung: Stell dir vor, der A wird nicht körperlich gezwungen, sondern wegen steigender Kosten (Energiepreise, Lebensmittelpreise, etc.) wirtschaftlich dazu gezwungen, sein Auto zu verkaufen und das Deutschlandticket für 49 € zu beziehen. A will auch hier eigentlich nicht sein Auto verkaufen. Am liebsten würde er es behalten. Das ändert aber nichts daran, dass wenn er dann sein Auto verkauft, sich bewusst ist, dass er es verkauft. Eine wirtschaftliche Zwangslage berechtigt natürlich nicht zur Anfechtung. Ich will damit nur zeigen, dass der Geschäftswille nichts damit zu tun hat, ob das Geschäft als solches gewollt ist. Der Geschäftswille meint nur, ob eine bestimmte Rechtsfolge herbeigeführt werden soll oder nicht. A will den Kaufvertrag herbeiführen, um keine Schläge mehr einstecken zu müssen. Die mangelnde Entschließungsfreiheit berechtigt zur Anfechtung, § 123 BGB. Falls noch etwas unklar geblieben ist, bitte gib mir gerne Rückmeldung! - Viele Grüße Carl für das Jurafuchs-Team

eichhörnchen II

eichhörnchen II

20.5.2023, 15:35:47

Ah super vielen Dank! Jetzt habe ich es verstanden. :) sehr gutes Beispiel mit dem Deutschlandticket. Zugegebenermaßen finde ich die Aufgabenstellung („A hatte den Willen und das Bewusstsein“) hier leicht missverständlich formuliert - stellt der Geschäftswille auch im subjektiven Tatbestand doch vielmehr auf das Bewusstsein als den tatsächlichen Willen ab.

Shinin

Shinin

10.9.2023, 13:48:22

Meine Frage bezieht sich auf die Aussage, dass aus „Sicht eines objektiven Betrachters sich das Unterschreiben des A als Äußerung eines auf eine Rechtsfolge gerichteten Willen darstellt". Ich hätte nämlich gesagt, dass aus Sicht eines objektiven Dritten erkennbar ist, dass A lediglich unterschrieben hat um sich einen weiteren Prügel zu sparen. Auf welchen Zeitpunkt kommt es bei der objektiven Betrachtung jetzt an? Geht es um einen Dritter der die Situation mitverfolgt hat oder einen Dritten der den Unterschriebenen Kaufvertrag liest?

PK

P K

25.9.2023, 21:39:48

Halte die Aussage auch für schwierig, aber wegen § 123 BGB wird man das so sehen müssen, da die Norm sonst keinen Anwendungsbereich hätte.

PR

PrädikatKandidat

18.9.2023, 13:44:07

Also bei vis absoluta - KEINE WE (Körper als Werkzeug) Bei vis compulsiva - WE etsteht, aber anfechtbar 123 StGB? Habe ich das richtig vertstanden?

PetersenFan21

PetersenFan21

28.9.2023, 12:10:01

Ja, aber § 123 I Var. 2 BGB

LL

Leo Lee

15.10.2023, 14:53:25

Hallo Prädikatkandidat, Wie PetersenFan21 richtig anmerkt, ist aufgrund § 123 I Var. 2 BGB davon auszugehen, dass bei vis compulsiva (weil immerhin der Erklärende Handlungs-, Erklärungs- und Geschäftswille hatte) eine WE vorliegt, die allerdings angefochten werden kann. Bei vis absoluta gibt es hingegen nicht mal einen Handlungswillen :). Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo

🦊²

🦊²

28.9.2023, 13:01:58

Huhu, in welchem Verhältnis steht § 123 I Alt.2 BGB (Drohung) zu § 116 S.2 BGB? Weil eigentlich "will" der erklärende ja gerade nicht das Erklärte. Wäre dann nicht im Fall von § 123 I Alt.2 BGB auch ein Fall von § 116 S.2 BGB gegeben und bereits hiernach die Erklärung nichtig? Der drohende ist ja regelmäßig nicht schutzwürdig. Oder liegt im Fall von § 116 S.2 BGB gar kein Geschäftswille vor, wohingegen bei § 123 I Alt.2 BGB ein Geschaftswille rechtlich vorliegt. Gleichwohl auch wenn man rein tatsächlich sagen würde, das der Bedrohte in der 'laiensphäre' zumindest das Ergebnis nicht will?! LG

PA

Paulah

28.9.2023, 13:33:29

Armbruster, MüKo BGB § 116 Rn. 14 sagt dazu, dass die Anwendungsbereiche sich durchaus überschneiden können. § 123 ist nicht Lex specialis zu § 116 S. 2. § 116 S. 2 findet aber nur Anwendung, wenn sich der Erklärende im Moment der Erklärung tatsächlich vorbehält, das Erklärte nicht zu wollen. In der konkreten Bedrohungssituation - so Armbruster weiter - wird der Bedrohte einen solchen Vorbehalt nicht haben, sondern nur der Bedrohungssituation entkommen wollen.

🦊²

🦊²

28.9.2023, 13:38:46

Vielen Dank für diesen Input! ☺️


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