Zivilrecht

BGB Allgemeiner Teil

Tatbestand der Willenserklärung

Unterschrift infolge Gewaltanwendung (Handlungswille)

Unterschrift infolge Gewaltanwendung (Handlungswille)

21. November 2024

4,7(184.112 mal geöffnet in Jurafuchs)

[...Wird geladen]

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

B will, dass A ihm sein Auto abkauft. Da sie sich über den Kaufpreis nicht einig werden, erteilt B dem A eine Tracht Prügel. Er droht weitere Schläge an, bis A den Wagen für €5.000 abkauft.

Diesen Fall lösen [...Wird geladen] der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.

...Wird geladen

Einordnung des Falls

Unterschrift infolge Gewaltanwendung (Handlungswille)

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 8 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Ein Kaufvertrag (§ 433 BGB) kommt durch zwei übereinstimmende Willenserklärungen zustande.

Genau, so ist das!

Die zeitlich früher abgegebene Willenserklärung heißt Antrag (§ 145 BGB) bzw. Angebot und die später darauffolgende Willenserklärung Annahme (§§ 146ff. BGB).
Jurafuchs 7 Tage kostenlos testen und tausende Fälle wie diesen selbst lösen.
Erhalte uneingeschränkten Zugriff alle Fälle und erziele Spitzennoten in
Jurastudium und Referendariat.

2. Indem B dem A den ausgefüllten Kaufvertrag vorgelegt hat, hat er ein Angebot zum Abschluss eines Kaufvertrags gemacht.

Ja, in der Tat!

Das Angebot ist eine empfangsbedürftige Willenserklärung, durch die einem anderen ein Vertragsschluss so angetragen wird, dass das Zustandekommen des Vertrages nur noch von dessen Einverständnis abhängt. Die Annahme ist eine grundsätzlich empfangsbedürftige Willenserklärung, durch die der Antragsempfänger dem Antragenden sein Einverständnis mit dem Vertragsschluss zu verstehen gibt. B hat somit ein Angebot gemacht. Fraglich ist noch, ob A dieses Angebot auch rechtswirksam angenommen hat, obwohl er zu dem Preis eigentlich nicht verkaufen wollte.

3. Beim inneren (subjektiven) Tatbestand der Willenserklärung unterscheidet man drei Kategorien: Handlungswille, Erklärungsbewusstsein und Geschäftswille.

Ja!

Es handelt sich dabei allerdings nicht um notwendige Entstehungsvoraussetzungen einer Willenserklärung. Unstreitig ist, dass der Handlungswille notwendige Voraussetzung einer Willenserklärung ist und ein Geschäftswille nicht erforderlich ist. Umstritten ist aber, ob das Erklärungsbewusstsein gegeben sein muss. Nach Rspr. und h.L. genügt ein potenzielles Erklärungsbewusstsein. Dieses liegt vor, wenn der Empfänger von einer wirksamen Willenserklärung ausgehen konnte und der Erklärende dies bei Anwendung der erforderlichen Sorgfalt hätte erkennen können.

4. A fehlte der Handlungswille. B übte körperlichen Zwang auf ihn aus und nahm ihm damit jeden Entscheidungsspielraum (vis absoluta).

Nein, das ist nicht der Fall!

Handlungswille meint, dass ein bewusster Willensakt vorliegt, der auf die Vornahme eines äußeren Verhaltens gerichtet ist. Er fehlt, wenn jemand eine Erklärung im Schlaf, in Hypnose oder Narkose oder unter einer unmittelbar auf ihn einwirkenden körperlichen Gewalt (willensbrechende Gewalt, sog. „vis absoluta“) vornimmt, wobei bildlich gesprochen sein Körper als bloßes Werkzeug benutzt wird.Hier erfolgte die Unterschrift nicht unmittelbar durch körperlichen Zwang (z.B. Führen der Hand), sondern durch die eigene Entscheidung des A. Dass die Entscheidung, zu unterschreiben, durch Gewaltanwendung/-drohung herbeigeführt wurde, ist unerheblich.

5. A hatte beim Unterschreiben des Vertrages das Bewusstsein, eine rechtserhebliche Erklärung abzugeben (Erklärungsbewusstsein).

Ja, in der Tat!

Das Erklärungsbewusstsein ist der Wille, überhaupt am rechtsgeschäftlichen Verkehr teilzunehmen und durch sein Handeln eine irgendwie rechtsgeschäftlich relevante Erklärung abzugeben.Hier wusste A, dass er durch das Unterschreiben des Kaufvertrags gegenüber B sein Einverständnis mit dem angetragenen Vertragsschluss erklärt und damit eine rechtlich bedeutsame Erklärung (Annahme) abgibt.

6. A hatte beim Unterschreiben den Willen und das Bewusstsein, mit B einen Kaufvertrag über das Auto zum Preis von €5.000 abzuschließen (Geschäftswille).

Ja!

Unter dem Geschäftswillen versteht man den Willen, eine ganz bestimmte Rechtsfolge herbeizuführen.A war beim Unterschreiben bewusst, dass er gegenüber B sein Einverständnis zum Abschluss des Kaufvertrags hinsichtlich des Autos zu einem Kaufpreis von €5.000 erklärt. Er hatte somit Geschäftswillen. Der innere Tatbestand der Willenserklärung des A liegt also vor.

7. Aus Sicht eines objektiven Betrachters stellt sich das Unterschreiben durch A als Äußerung eines auf eine Rechtsfolge gerichteten Willens dar (äußerer/objektiver Tatbestand der Willenserklärung).

Genau, so ist das!

Der äußere (objektive) Tatbestand der Willenserklärung besteht in einem Verhalten, das sich aus Sicht eines objektiven Betrachters als Äußerung eines auf die Herbeiführung einer bestimmten Rechtsfolge gerichteten Willens darstellt (sog. Erklärungstatbestand).Ein objektiver Betrachter konnte das von A gezeigte Verhalten nur so auffassen, dass A mit dem Abschluss des Kaufvertrags über das Auto zu einem Preis von €5.000 einverstanden ist. Damit liegt eine (zunächst) wirksame Willenserklärung des A vor.

8. A kann seine Willenserklärung nach § 123 Abs. 1 Fall 2 BGB wegen widerrechtlicher Drohung (mit weiteren Schlägen) anfechten und damit seine Haftung beseitigen.

Ja, in der Tat!

Eine „erzwungene“ Handlung durch Dritte ist nicht nur durch vis absoluta (willensbrechende Gewalt) möglich, sondern auch durch vis compulsiva (willensbeugende Gewalt). Vis compulsiva liegt vor, wenn der Handelnde mit Drohung zu einer Handlung gezwungen wird - eine Erklärung kommt zustande, kann aber nach § 123 Abs. 1 Fall 2 BGB innerhalb der Frist des § 124 Abs. 1 BGB angefochten werden.B hat A durch das Inaussichtstellen weiterer Schläge (künftiges Übel) und damit durch widerrechtliche Drohung zur Abgabe seiner Erklärung veranlasst.Würde A die Erklärung deshalb nach § 123 Abs. 1 Fall 2 BGB anfechten, dann wäre sie ex tunc nichtig (§ 142 Abs. 1 BGB).
Dein digitaler Tutor für Jura
Jetzt kostenlos testen
Jurafuchs
Eine Besprechung von:
Jurafuchs Brand
facebook
facebook
facebook
instagram

Jurafuchs ist eine Lern-Plattform für die Vorbereitung auf das 1. und 2. Juristische Staatsexamen. Mit 15.000 begeisterten Nutzern und 50.000+ interaktiven Aufgaben sind wir die #1 Lern-App für Juristische Bildung. Teste unsere App kostenlos für 7 Tage. Für Abonnements über unsere Website gilt eine 20-tägige Geld-Zurück-Garantie - no questions asked!


Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

MUT

Mutschekiepchen

17.10.2019, 20:38:34

Es wird sowohl in einer Frage als auch in einer Antwort von

vis absoluta

gesprochen. Bei

vis absoluta

hat der Erklärende jedoch kein

Handlungswille

n. Man sollte genauer feststellen, dass nach den Prügel (

vis absoluta

) beim unterzeichnen des Vertrages nur noch

vis compulsiva

vorlag und somit ein

Handlungswille

bejaht wird.

SAL

Salwa

21.11.2019, 16:35:15

Der erste Satz ist eine Feststellung und keine Frage. Festgestellt wird, dass im vorliegenden Fall keine

vis absoluta

vorliegt. Meiner Meinung nach ist die Erklärung eindeutig :)

Marilena

Marilena

30.11.2019, 17:33:29

Hallo Mutschekiepchen, irgendwie versteh ich nicht ganz, was du wie geändert haben möchtest. Würde mich freuen, wenn Du das nochmal näher erläuterst. Danke!

Christian Leupold-Wendling

Christian Leupold-Wendling

14.1.2020, 16:17:58

Mutschekiepchen, der Hinweistext ist unseres Erachtens eindeutig und bringt genau das zum Ausdruck, was Du vorgeschlagen hast: "... Hier wurde die Unterschrift aber nicht unmittelbar durch körperlichen Zwang, sondern durch die eigene Entscheidung des A hervorgebracht. B hat die Hand des A beim Unterschreiben nicht gewaltsam geführt. Dass die Entscheidung, zu unterschreiben, durch Gewaltanwendung/-

drohung

herbeigeführt wurde, ist unerheblich."

Vulpes

Vulpes

26.11.2019, 00:47:14

Also ich finde den Fall schlecht konstruiert. Bei einer

vis absoluta

liegt kein

Handlungswille

vor und damit ist die WE nichtig. Selbst wenn bei fraglicher Fragestellung kein

vis absoluta

vorliegt ist beim objektiven Tatbestand durch einen objektiven Dritten kein Rechtsbindungswille (vgl. §133, 157 BGB) bei A festzustellen. Der Mann wurde ja offensichtlich verprügelt und gezwungen. . Sorry, aber das ist hier schlicht weg falsch.

JUR

Jurios

29.11.2019, 20:58:06

Ich fand’s auch nicht ganz klar. Aber ich glaube

Geschäftswille

kann so oder so festgestellt werden. MM: nach subj. Willen -> schon gar keine WE (Willenstheorie), 118 analog hM: RBW nach obj Kriterien. Wenn objektiv jmd nen Vertrag unterschreibt, wo jmd daneben steht -> RBW (+). Anfechtung mgl. Ich finde den Fall aber wie gesagt auch nicht so eindeutig, es muss schon mehr drüber gesagt werden wie der Drohende daneben steht, ob es erkennbar ist, dass er droht oder eben nicht...

JUR

Jurios

29.11.2019, 20:59:32

Und vis absolute ist es wirklich nicht :)

Marilena

Marilena

30.11.2019, 16:43:01

Vielen Dank für Eure Kommentare! Der Fall hier ist angelehnt an das Beispiel Nr. 49 in Köhler, Prüfe Dein Wissen BGB AT, 28.A. 2018 und basiert auf der BGH-Entscheidung DB 1975, 2075 (BGH v. 26.06.1975, Az.: II ZR 35/74). In diesem Urteil steht u.a.: „Plötzlich habe er wie von Sinnen auf sie eingeschlagen und sie zu Boden geworfen. Unter An

drohung

weiterer Schläge habe sie dann alles unterschrieben, was H. verlangt habe. [...] Diesem Vortrag ist nicht zu entnehmen, daß die Annahmeerklärung durch unmittelbare körperliche Gewalt, die für eine eigene Willensbetätigung keinen Raum mehr ließ, zustande gekommen ist. Aus ihm ergibt sich vielmehr, daß die Beklagte, nachdem H. sie wegen ihrer vorangegangen Weigerung geschlagen hatte und unter An

drohung

weiterer Schläge erneut die gewünschten

Marilena

Marilena

30.11.2019, 16:50:26

Erklärungen forderte, sich aufgrund eigener Entscheidung zu ihrer Abgabe bereit fand, wenn auch nur aus dem Grunde, um der angedrohten, in Anbetracht der vorausgegangenen

Tätlichkeit

en besonders naheliegenden Gefahr weiterer Schläge zu entgehen. Die Annahmeerklärung ist nicht unmittelbar durch körperlichen Zwang, sondern durch eine unzulässige Beeinträchtigung der Freiheit der Willensentschließung zustande gekommen. Solchermaßen entstandene Willenserklärungen sind nicht von vornherein nichtig, sondern grundsätzlich nur anfechtbar gemäß § 123 BGB.“ Sowohl BGH als auch Köhler sehen den objektiven Tb. als erfüllt an. Ich wüsste nicht, wie eine WE durch widerrechtliche

Drohung

zustande kommen könnte, wenn man wegen der

Drohung

den obj. Tb. verneinen würde.

NIC

Nichtswisser

29.12.2019, 14:17:27

Falsch ist das eigentlich nicht. Rechtsbindungswille ist objektiv erkennbar, da eine

Drohung

nichts an der objektiven Wahrnehmung ändert, dass der Erklärende sich der rechtlichen Bedeutung seiner Handlung bewusst ist. Die

Drohung

lässt den Rückschluss zu, dass eine im Bewusstsein der rechtlichen Bedeutung abgegebene Erklärung dem Zwecke der Abwendung des mit der

Drohung

in Aussicht gestellten Übels dient, nicht jedoch zwingend, dass die Rechtsfolge nicht gewollt ist. Insofern lässt sich argumentieren, dass der Erklärende sich so selbst entscheiden kann, ob er das Geschäft gegen sich gelten lassen will oder nicht. Grenzen dürften allerdings im Fall der erkannten

Mentalreservation

nach 116 II liegen.

Positive Kenntnis

dürfte sich aus dem Umstand der

Drohung

allein aber noch nicht ergeben.

JURW

JURAssic World

21.6.2020, 18:06:32

Also

vis absoluta

m.E. nicht vor. Bei anderer Auffassung aber mit entsprechender Begründung vertretbar. Für mich stellt sich aber die Antwort bezüglich "aus Sicht eines objektiven Dritten" als sonderbar dar. Ein

objektiver Dritter

hätte die ganze Szenerie betrachtet und gesehen, dass der Unterzeichner unter Gewalt gelitten haben wird und der "Zwinger" mit Schlagring bewaffnet, entsprechend Einfluss auf ihn ausgeübt haben wird. So würde dieser annehmen dürfen, dass der Unterzeichner unter normalen Umständen die Unterschrift nicht geleistet hätte. Folglich herrscht m.E. aus Sicht eines objektiven Dritten kein Rechtsbindungswillen.

Ira

Ira

27.10.2020, 16:32:33

Ich glaube, es kommt tatsächlich darauf an, aus welchem Blickwinkel man draufschaut. Um die Wirksamkeit des Vertrages zu prüfen, ist objektiv darauf abzustellen, wie der fertig unterschriebene Vertrag zustande kam. Objektiv kann man zunächst nur bewerten, ob es sich um die „echten“ Unterschriften der Parteien handelt. Bei Bejahung würde ein objektiver Beobachter davon ausgehen, dass der Vertrag wirksam zustande gekommen ist, weil er um die genauen Umstände nicht weiß - er war ja bei Vertragsschluss nicht dabei gewesen sein. So ist es nämlich auch in der Realität. Der Richter, der die

Begründetheit

des Anspruches prüft, wird wohl kaum bei Vertragsschluss anwesend gewesen sein. Aus diesem Blickwinkel erübrigt sich meines Erachtens nach die obige Diskussion.

verLAWren

verLAWren

14.10.2024, 18:43:50

Angesichts dieser brisanten Diskussion, würde ich mir (nach 3 Jahren) auch eine Meinung von einem Moderator oder vom Team wünschen, die das Ganze hier abschließt. :)

eichhörnchen II

eichhörnchen II

19.5.2023, 23:47:49

Wieso wird hier der

Geschäftswille

im subjektiven Tatbestand bejaht? „A hatte beim Unterschreiben den Willen und das Bewusstsein, mit B einen Kaufvertrag über das Auto zum Preis von 5.000€ abzuschließen (

Geschäftswille

). Ich verstehe den Sachverhalt so, dass der A genau das nicht will. Wieso sollte er sonst durch die An

drohung

von Gewalt dazu gezwungen werden?

Carl Wagner

Carl Wagner

20.5.2023, 14:43:43

Vielen Dank für deine Frage eichhörnchen II! Sicherlich wollte A den Vertrag eigentlich nicht unterschreiben. A hat das nur wegen der

Drohung

getan. Hier liegt aber eine gesetzgeberische Wertung vor: Vertragsschlüsse unter dem Einfluss von

Drohung

en sind nicht automatisch unwirksam, sondern berechtigten nur zur Anfechtung, § 123 I BGB. Die

Drohung

schließt nicht die Willenserklärung als solche aus, sondern wird vom Drohenden leidglich in die gewünschte Richtung beeinflusst. (BeckOK BGB/Wendtland, 65. Ed. 1.2.2023, BGB § 123 Rn. 25). Anders wäre es zu beurteilen, wenn B die Hand des A gewaltsam geführt hätte. Dann würde A bereits der

Handlungswille

fehlen und es würde schon keine (anfechtbare) Willenserklärung vorliegen. Viele Grüße - Carl für das Jurafuchs-Team

eichhörnchen II

eichhörnchen II

20.5.2023, 14:48:25

Hey Carl! Vielen Dank für die schnelle Antwort. Ich verstehe allerdings noch immer nicht, warum gerade der

Geschäftswille

bejaht wird. Wie in dieser Lektion treffend vermittelt wird, ist eine Willenserklärung (und dankt der Vertrag) auch bei fehlenden

Geschäftswille

n wirksam, es kommt lediglich auf den

Handlungswille

n & das Erklärungsbewusstsein an.

Carl Wagner

Carl Wagner

20.5.2023, 15:20:41

Gerne! --- (1) Richtig! Auf die Bejahung des

Geschäftswille

ns kommt es nicht an. In einem Gutachten/Klausur bräuchtest du darauf nicht eingehen. Sie ist nur zur Übung enthalten, um einmal alle Punkte einer WE durchdacht zu haben. --- (2) Ich denke, ich verstehe jetzt was du meinst. Bei einer Anfechtung gem. §§ 119, 120 BGB fehlt es am

Geschäftswille

n (MüKoBGB, 9. Auflage 2021, BGB vor § 116 Rn. 28). Dort wird gerade nicht erklärt, was gewollt war (Erklärungsirrtum und Inhaltsirrtum). Gleiches gilt auch für den beachtlichen

Eigenschaftsirrtum

, § 119 II BGB (MüKoBGB, 9. Auflage 2021, BGB vor § 116 Rn. 28). Bei einer

Drohung

sieht es allerdings anders aus. Hier berechtigt nicht fehlender

Geschäftswille

, sondern mangelnde Entschließungsfreiheit zur Anfechtung (MüKoBGB, 9. Auflage 2021, BGB vor § 116 Rn. 29). A weiß ganz genau, was er hier erklärt (und mehr sagt der

Geschäftswille

auch nicht). Er weiß, dass er gerade sein Auto für 5.000 € verkauft. Eigentlich will er das nicht, aber er tut es trotzdem. Abwandlung: Stell dir vor, der A wird nicht körperlich gezwungen, sondern wegen steigender Kosten (Energiepreise, Lebensmittelpreise, etc.) wirtschaftlich dazu gezwungen, sein Auto zu verkaufen und das Deutschlandticket für 49 € zu beziehen. A will auch hier eigentlich nicht sein Auto verkaufen. Am liebsten würde er es behalten. Das ändert aber nichts daran, dass wenn er dann sein Auto verkauft, sich bewusst ist, dass er es verkauft. Eine wirtschaftliche Zwangslage berechtigt natürlich nicht zur Anfechtung. Ich will damit nur zeigen, dass der

Geschäftswille

nichts damit zu tun hat, ob das Geschäft als solches gewollt ist. Der

Geschäftswille

meint nur, ob eine bestimmte Rechtsfolge herbeigeführt werden soll oder nicht. A will den Kaufvertrag herbeiführen, um keine Schläge mehr einstecken zu müssen. Die mangelnde Entschließungsfreiheit berechtigt zur Anfechtung, § 123 BGB. Falls noch etwas unklar geblieben ist, bitte gib mir gerne Rückmeldung! - Viele Grüße Carl für das Jurafuchs-Team

eichhörnchen II

eichhörnchen II

20.5.2023, 15:35:47

Ah super vielen Dank! Jetzt habe ich es verstanden. :) sehr gutes Beispiel mit dem Deutschlandticket. Zugegebenermaßen finde ich die Aufgabenstellung („A hatte den Willen und das Bewusstsein“) hier leicht missverständlich formuliert - stellt der

Geschäftswille

auch im subjektiven Tatbestand doch vielmehr auf das Bewusstsein als den tatsächlichen Willen ab.

Shinin

Shinin

10.9.2023, 13:48:22

Meine Frage bezieht sich auf die Aussage, dass aus „Sicht eines objektiven Betrachters sich das Unterschreiben des A als Äußerung eines auf eine Rechtsfolge gerichteten Willen darstellt". Ich hätte nämlich gesagt, dass aus Sicht eines objektiven Dritten erkennbar ist, dass A lediglich unterschrieben hat um sich einen weiteren Prügel zu sparen. Auf welchen Zeitpunkt kommt es bei der objektiven Betrachtung jetzt an? Geht es um einen Dritter der die Situation mitverfolgt hat oder einen Dritten der den Unterschriebenen Kaufvertrag liest?

PK

P K

25.9.2023, 21:39:48

Halte die Aussage auch für schwierig, aber wegen § 123 BGB wird man das so sehen müssen, da die Norm sonst keinen Anwendungsbereich hätte.

BL

Blotgrim

3.3.2024, 12:33:42

Naja aus Sicht eines Dritten will er den Vertragsschluss. Zwar um die Schläge zu verhindern, aber er hat genug Freiraum um eine Entscheidung zu treffen. Anders wäre es bei

Vis absoluta

.Natürlich spielt in diese Auslegung der § 123 mit rein, da die

Drohung

svariante nahezu leerlaufen würde, wenn man hiernach nur objektiv nicht erkennbare

Drohung

en anfechten könnte.

LAW

Law_yal_life

18.9.2023, 13:44:07

Also bei

vis absoluta

- KEINE WE (Körper als Werkzeug) Bei

vis compulsiva

- WE etsteht, aber anfechtbar 123 StGB? Habe ich das richtig vertstanden?

PetersenFan21

PetersenFan21

28.9.2023, 12:10:01

Ja, aber § 123 I Var. 2 BGB

LELEE

Leo Lee

15.10.2023, 14:53:25

Hallo Prädikatkandidat, Wie PetersenFan21 richtig anmerkt, ist aufgrund § 123 I Var. 2 BGB davon auszugehen, dass bei

vis compulsiva

(weil immerhin der Erklärende Handlungs-, Erklärungs- und

Geschäftswille

hatte) eine WE vorliegt, die allerdings angefochten werden kann. Bei

vis absoluta

gibt es hingegen nicht mal einen

Handlungswille

n :). Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo

🦊²

🦊²

28.9.2023, 13:01:58

Huhu, in welchem Verhältnis steht § 123 I Alt.2 BGB (

Drohung

) zu § 116 S.2 BGB? Weil eigentlich "will" der erklärende ja gerade nicht das Erklärte. Wäre dann nicht im Fall von § 123 I Alt.2 BGB auch ein Fall von § 116 S.2 BGB gegeben und bereits hiernach die Erklärung nichtig? Der drohende ist ja regelmäßig nicht schutzwürdig. Oder liegt im Fall von § 116 S.2 BGB gar kein

Geschäftswille

vor, wohingegen bei § 123 I Alt.2 BGB ein Geschaftswille rechtlich vorliegt. Gleichwohl auch wenn man rein tatsächlich sagen würde, das der Bedrohte in der 'laiensphäre' zumindest das Ergebnis nicht will?! LG

Paulah

Paulah

28.9.2023, 13:33:29

Armbruster, MüKo BGB § 116 Rn. 14 sagt dazu, dass die Anwendungsbereiche sich durchaus überschneiden können. § 123 ist nicht Lex specialis zu § 116 S. 2. § 116 S. 2 findet aber nur Anwendung, wenn sich der Erklärende im Moment der Erklärung tatsächlich vorbehält, das Erklärte nicht zu wollen. In der konkreten Be

drohung

ssituation - so Armbruster weiter - wird der Bedrohte einen solchen Vorbehalt nicht haben, sondern nur der Be

drohung

ssituation entkommen wollen.

🦊²

🦊²

28.9.2023, 13:38:46

Vielen Dank für diesen Input! ☺️

Lawyerista

Lawyerista

7.2.2024, 18:57:16

Mir ist in diesem Fallbeispiel nicht klar, weshalb der objektive Tatbestand der Willenserklärung für einen Außenstehenden erkennbar vorliegen soll… Ein Außenstehender würde doch die Anzeichen der Gewalteinwirkung (so wie in der Zeichnung dargestellt) bemerken und entsprechend an dem Willen das Rechtsgeschäft durchführen zu wollen, seine Zweifel haben …

LEO

Leonie

8.2.2024, 23:36:45

mE ist nicht auf die Umstände abzustellen, unter denen die Willenserklärung abgegeben wurde, sondern allein auf die Handlung abzustellen (Unterschreiben) und ob aus der objektiven Sicht sich aus dieser ein Rechtsbindungswille und

Geschäftswille

erkennen lässt.

BL

Blotgrim

21.2.2024, 20:16:28

Von außen betrachtet will aber A das Rechtsgeschäft, zwar weil er erkennbar bedroht wird, aber er will es um eben weitere Gewalt zu verhindern. Würde die An

drohung

von Gewalt ausreichen um den objektiven Tatbestand der Willenserklärung zu verneinen, würde der § 123 stark an Bedeutung verlieren, da es selten Fälle gibt wo bei einer

Drohung

diese objektive nicht zu erkennen sein wird. Es bliebe also faktisch nur die

arglistige Täuschung

und das kann ja nicht das Ziel sein.

LUC1502

luc1502

6.11.2024, 17:58:45

Hi, also ich halte hier beides gut vertretbar, zum einen könnte man gut mit der Systematik und §123 BGB argumentieren, zum anderen könnte man auch sagen, dass ein objektiver Empfänger in der Situation des Drohenden nicht davon ausgehen darf, dass der Bedrohte eine WE abgeben will (§§133,157 BGB); Für die zweite Ansicht z.B. Gröschler BGB AT Rn.461 oder auch Süß in JURA 2011,735 (738f.). LG

Johan van Ludenberg

Johan van Ludenberg

9.2.2024, 08:57:00

Müsste es bei der Subsumtion nicht heißen: „B hat somit ein Angebot gemacht. Fraglich ist nur, ob A dieses Angebot auch rechtswirksam angenommen hat, obwohl er zu dem Preis eigentlich nicht KAUFEN wollte.“?

LELEE

Leo Lee

10.2.2024, 15:09:03

Hallo Johan von Ludenberg, vielen Dank für dein Feedback und die sehr gute Frage! In der Tat bezieht sich die von dir genannte Frage primär auf das Angebot durch den B, weshalb – ganz konsequent gedacht – „B hat somit ein Angebot gemacht“ ausreichen muss, ohne die Annahme des A anzusprechen. Wir haben jedoch aus Platzgründen (um nicht noch eine Frage dafür kreieren zu müssen) bereits das Problem der Annahme des A in der Subsumtion angesprochen, damit der Übergang zu der nächsten Aufgabe (vorliegen der WE-Tatbestände seitens As) „nahtlos“ ist und bitten dich insofern um Verständnis :). Wir möchten dir an dieser Stelle vielmals danken dafür, dass du uns mit deinen Feedbacks dabei hilfst, die App ggf. auszubessern und somit zu perfektionieren!! Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo


Jurafuchs 7 Tage kostenlos testen und mit 15.000+ Nutzer austauschen.
Kläre Deine Fragen zu dieser und 15.000+ anderen Aufgaben mit den 15.000+ Nutzern der Jurafuchs-Community
Dein digitaler Tutor für Jura
Jetzt kostenlos testen