Art. 13 Abs. 2 GG: Richtervorbehalt bei der Durchsuchung
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Die Polizei kommt Drogenboss D auf die Schliche. Sie verschafft sich Zugang zu Ds Wohnung, sucht nach Rauschgift und findet 10 kg Kokain. D meint, mangels richterlicher Anordnung verletze dies sein Recht aus Art. 13 Abs. 1 GG.
Einordnung des Falls
Art. 13 Abs. 2 GG: Richtervorbehalt bei der Durchsuchung
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Der sachliche Schutzbereich des Art. 13 Abs. 1 GG ist eröffnet.
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Ja!
2. Das Eindringen der Polizei in die Wohnung des D stellt einen Eingriff in Art. 13. Abs. 1 GG dar.
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Genau, so ist das!
3. Es liegt eine Durchsuchung (Art. 13 Abs. 2 GG) vor.
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Ja, in der Tat!
4. Die Durchsuchung der Wohnung des D ist verfassungsrechtlich gerechtfertigt.
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Nein!
5. Der persönliche Schutzbereich des Art. 13 Abs. 1 GG ist eröffnet.
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Ja, in der Tat!
Fundstellen
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🦊LEXDEROGANS
7.6.2020, 00:33:09
Der Vortrag des S.V.‘s [„kommt auf die Schliche“] lässt die Annahme von Gefahr im Verzug grds. zu. Eine verfassungsrechtliche Rechtfertigung wäre also trotz mangelnder richterlicher Anordnung zunächst denkbar. Die verfassungsrechtliche Rechtfertigung sollte m. E. daher nicht einfach ohne nähere Prüfung sofort verneint werden!

Eigentum verpflichtet 🏔️
7.6.2020, 19:48:42
Gefahr im Verzug bezieht sich auf einen Zustand, bei dem nur durch ein sofortiges Eingreifen eine drohende Gefahr oder ein Schaden abgewendet werden kann. Wenn D bereits das Kokain (als Beweismittel) vernichten würde, könnte man das annehmen. Dazu fehlen aber Angaben im SV.
🦊LEXDEROGANS
8.6.2020, 22:47:20
@Eigentum verpflichtet, stimme Ihnen vollkommen zu! Angaben dazu fehlen im S.V. Es sollte led. auf das Überspringen dieses Prüfungspunktes aufmerksam gemacht werden...
jurafuchsles
10.9.2022, 17:40:12
(Wie)lassen sich solche rechtswidrig erlangten Beweise (hier das Kokain) in einen Strafprozess gegen D einbringen?

Lukas_Mengestu
23.5.2023, 11:16:34
Hi jurafuchsles, spannende Frage! Hier musst Du zwischen der Beweiserhebung im Ermittlungsverfahren und der Beweisverwertung im Prozess unterscheiden. Allein aus dem Umstand, dass bei der Beweiserhebung Fehler gemacht wurden, folgt nicht automatisch, dass die hierdurch erlangten Beweise im Prozess unverwertbar sind. Die StPO selbst kennt nur wenige explizit normierte Beweisverwertungsverbote. Aus Ermittlungsfehlern können aber sog. unselbstständige Beweisverwertungsverbote abgeleitet werden, wenn die Beweismittel rechtswidrig erlangt wurden. Nach dem BVerfG handelt es sich bei solchen Beweisverwertungsverboten allerdings um von Verfassungs wegen „begründungsbedürftige Ausnahmen“. Der BGH erkennt deshalb nur aus „übergeordneten wichtigen Gründen im Einzelfall“ ein unselbstständiges Beweisverwertungsverbot bei rechtswidriger Beweiserhebung an (sog. Abwägungslehre). Bei der Prüfung wird die Art des Verbots und das Gewicht des Verstoßes im konkreten Einzelfall dem staatlichen Verfolgunsinteresse gegenübergestellt. Die Annahme eines (unselbstständigen) Beweisverwertungsverbots bei Wohnungsdurchsuchungen kommt dabei insbesondere in Betracht, wenn der Richtervorbehalt bewusst missachtet oder seine Voraussetzungen in gleichgewichtig grober Weise verkannt wurden (https://openjur.de/u/2241358.html). Sofern diese Voraussetzungen erfüllt sind (mehr Angaben im SV nötig), wäre hier das Kokain als Beweismittel unverwertbar. Wurde der Richtervorbehalt nicht bewusst bzw. grob verkannt, so wäre bei der Abwägung zu prüfen, ob die Voraussetzungen für einen Durchsuchungsbeschluss vorgelegen hätten (sog. hypothetisch rechtmäßigen Ermittlungsverlaufs). Kann dies bejaht werden, so sind die aufgefundenen Beweismittel trotz rechtswidriger Erlangung im Prozess verwertbar :-) Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team