Öffentliches Recht

Grundrechte

Unverletzlichkeit der Wohnung (Art. 13 GG)

Art. 13 Abs. 2 GG: Richtervorbehalt bei der Durchsuchung

Art. 13 Abs. 2 GG: Richtervorbehalt bei der Durchsuchung

16. April 2025

8 Kommentare

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Die Polizei kommt Drogenboss D auf die Schliche. Sie verschafft sich Zugang zu Ds Wohnung, sucht nach Rauschgift und findet 10 kg Kokain. D meint, mangels richterlicher Anordnung verletze dies sein Recht aus Art. 13 Abs. 1 GG.

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Einordnung des Falls

Art. 13 Abs. 2 GG: Richtervorbehalt bei der Durchsuchung

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Der sachliche Schutzbereich des Art. 13 Abs. 1 GG ist eröffnet.

Ja!

Unter Wohnung versteht man solche Räume, die der allgemeinen Zugänglichkeit durch eine räumliche Abschottung entzogen und zur Stätte privaten Lebens und Wirkens gemacht sind. Die Wohnung des D ist eine Stätte seines privaten Lebens, die auch räumlich der allgemeinen Zugänglichkeit entzogen ist und stellt somit eine Wohnung im Sinne des Art. 13 Abs. 1 GG dar. Der sachliche Schutzbereich des Art. 13 Abs. 1 GG ist eröffnet.
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2. Das Eindringen der Polizei in die Wohnung des D stellt einen Eingriff in Art. 13. Abs. 1 GG dar.

Genau, so ist das!

Ein Eingriff liegt vor, wenn eine staatliche Stelle die räumliche Privatsphäre beeinträchtigt, die die Wohnung für den Grundrechtsträger bietet. Das körperliche Eindringen in eine Wohnung ist der Paradefall des Eingriffs in Art. 13 Abs. 1 GG. Die Polizisten, die sich zu Ds Wohnung Zugang verschaffen, dringen in seine räumliche Privatsphäre ein. Die Wohnung kann ihm so nicht als Rückzugsort dienen. Ein Eingriff in Art. 13 Abs. 1 GG liegt vor. Wegen der regelmäßig hohen Intensität von Eingriffen in Art. 13 Abs. 1 GG sieht Art. 13 Abs. 2-7 GG für typische Gefährdungslagen spezielle Rechtfertigungsanforderungen vor.

3. Es liegt eine Durchsuchung (Art. 13 Abs. 2 GG) vor.

Ja, in der Tat!

Eine Durchsuchung ist das ziel- und zweckgerichtete Suchen staatlicher Organe nach Personen oder Sachen oder zur Ermittlung eines Sachverhaltes, um etwas aufzuspüren, was der Inhaber der Wohnung von sich aus nicht offenlegen oder hergeben will. Sie ist ein besonders intensiver, qualifizierter Eingriff in Art. 13 Abs. 1 GG. Die Polizei sucht hier in Ds Wohnung nach Rauschgift. Die Suche ist also ziel- und zweckgerichtet. Eine Durchsuchung (Art. 13 Abs. 2 GG) liegt vor. Wegen deren Eingriffsintensität verlangt Art. 13 Abs. 2 GG eine richterliche Anordnung der Durchsuchung.

4. Die Durchsuchung der Wohnung des D ist verfassungsrechtlich gerechtfertigt.

Nein!

Die Durchsuchung als besonderer Eingriff in Art. 13 Abs. 1 GG ist nur unter der besonderen formellen Voraussetzung der richterlichen Anordnung gerechtfertigt (Art. 13 Abs. 2 GG). Die richterliche Anordnung der Durchsuchung soll deren vorbeugende Kontrolle durch die unabhängige und neutrale Justiz gewährleisten und sicherstellen, dass der intensive Eingriff verhältnismäßig ist. Die Vorschrift dient damit dem effektiven Grundrechtsschutz. Sie wird durch einfachgesetzliche Anforderungen an Durchsuchungen ausgestaltet (vgl. § 102 StPO). Mangels richterlicher Anordnung ist der Eingriff in das Recht des D aus Art. 13 Abs. 1 GG nicht gerechtfertigt und mithin rechtswidrig.

5. Der persönliche Schutzbereich des Art. 13 Abs. 1 GG ist eröffnet.

Ja, in der Tat!

Träger des Grundrechts aus Art. 13 Abs. 1 GG ist, wer unmittelbarer Besitzer der durch Art. 13 Abs. 1 GG sachlich geschützten Räume ist. D ist unmittelbarer Besitzer als in der Wohnung lebende Person. Der persönliche Schutzbereich des Art. 13 Abs. 1 GG ist eröffnet.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

🦊LEXD

🦊LEXDEROGANS

7.6.2020, 00:33:09

Der Vortrag des S.V.‘s [„kommt auf die Schliche“] lässt die Annahme von Gefahr im Verzug grds. zu. Eine verfassungsrechtliche Rechtfertigung wäre also trotz mangelnder richterlicher Anordnung zunächst denkbar. Die verfassungsrechtliche Rechtfertigung sollte m. E. daher nicht einfach ohne nähere Prüfung sofort verneint werden!

Eigentum verpflichtet 🏔️

Eigentum verpflichtet 🏔️

7.6.2020, 19:48:42

Gefahr im Verzug bezieht sich auf einen Zustand, bei dem nur durch ein sofortiges Eingreifen eine

drohende Gefahr

oder ein Schaden abgewendet werden kann. Wenn D bereits das Kokain (als Beweismittel) vernichten würde, könnte man das annehmen. Dazu fehlen aber Angaben im SV.

🦊LEXD

🦊LEXDEROGANS

8.6.2020, 22:47:20

@Eigentum verpflichtet, stimme Ihnen vollkommen zu! Angaben dazu fehlen im S.V. Es sollte led. auf das Überspringen dieses Prüfungspunktes aufmerksam gemacht werden...

JURAFU

jurafuchsles

10.9.2022, 17:40:12

(Wie)lassen sich solche

rechtswidrig

erlangten Beweise (hier das Kokain) in einen Strafprozess gegen D einbringen?

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

23.5.2023, 11:16:34

Hi jurafuchsles, spannende Frage! Hier musst Du zwischen der Beweiserhebung im Ermittlungsverfahren und der Beweisverwertung im Prozess unterscheiden. Allein aus dem Umstand, dass bei der Beweiserhebung Fehler gemacht wurden, folgt nicht automatisch, dass die hierdurch erlangten Beweise im Prozess unverwertbar sind. Die StPO selbst kennt nur wenige explizit normierte

Beweisverwertungsverbote

. Aus Ermittlungsfehlern können aber sog.

unselbstständige Beweisverwertungsverbote

abgeleitet werden, wenn die Beweismittel

rechtswidrig

erlangt wurden. Nach dem BVerfG handelt es sich bei solchen

Beweisverwertungsverbote

n allerdings um von Verfassungs wegen „begründungsbedürftige Ausnahmen“. Der BGH erkennt deshalb nur aus „übergeordneten wichtigen Gründen im Einzelfall“ ein

unselbstständiges Beweisverwertungsverbot

bei

rechtswidrig

er Beweiserhebung an (sog.

Abwägungslehre

). Bei der Prüfung wird die Art des Verbots und das Gewicht des Verstoßes im konkreten Einzelfall dem staatlichen Verfolgunsinteresse gegenübergestellt. Die Annahme eines (unselbstständigen) Beweisverwertungsverbots bei Wohnungsdurchsuchungen kommt dabei insbesondere in Betracht, wenn der Richtervorbehalt bewusst missachtet oder seine Voraussetzungen in gleichgewichtig grober Weise verkannt wurden (https://

openjur

.de/u/2241358.html). Sofern diese Voraussetzungen erfüllt sind (mehr Angaben im SV nötig), wäre hier das Kokain als Beweismittel unverwertbar. Wurde der Richtervorbehalt nicht bewusst bzw. grob verkannt, so wäre bei der Abwägung zu prüfen, ob die Voraussetzungen für einen Durchsuchungsbeschluss vorgelegen hätten (sog. hypothetisch rechtmäßigen Ermittlungsverlaufs). Kann dies bejaht werden, so sind die aufgefundenen Beweismittel trotz

rechtswidrig

er Erlangung im Prozess verwertbar :-) Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

VIDA

Vidalinz

26.1.2024, 12:59:11

Hi, ich hab gerade noch Probleme mit dem systematischen Verständnis. In der vorherigen Aufgabe hieß es, dass bei einer gesetzlichen Grundlage zum Betreten der Wohnung schon kein Eingriff vorliege (bspw. § 22 II GastG). Vorliegend gibt es § 102 StPO, der zum Betreten ermächtigt, hier sagen wir aber, ein Eingriff liege vor und prüfen dann die Rechtfertigung. Mir ist insofern nicht klar, wie dabei differenziert wird...?

LELEE

Leo Lee

27.1.2024, 12:08:43

Hallo Vidalinz, vielen Dank für diese sehr gute und wichtige Frage! In der Tat ist die Entscheidung des BVerGs zu § 22 II GastG dogmatisch etwas schwammig gewesen, weshalb sie auch in der Literatur (und teilweise vom eigenen Senat) kritisiert wurde. Der Gedanke dahinter ist jedoch: Wenn jemand sein Geschäfts von vornherein der Öffentlichkeit preisgibt und die Gaststättenbehörde eben wegen eines „betrieblichen“ Grundes (also eines Grundes, weshalb ein Geschäft überhaupt geführt wird), die Betriebsräume (auch § 13 I GG) betritt, liegt bereits kein Eingriff vor aufgrund der geringen Intensität. Hier wiederum geht es nicht um einen

Geschäftsraum

, sondern um die Privatwohnung des Drogenbosses, weshalb hier nicht schon auf der Ebene des Eingriffs differenziert wird nach den Maßstäben des BVerfGs. Summa summarum: Bei Betriebsstätten macht das BVerfG bereits auf Eingriffsebene eine Abstufung. Hierzu kann ich i.Ü. die Lektüre von Jarass/Pieroth GG 17. Auflage, Jarass Art. 13 Rn. 10a sehr empfehlen :). Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo

VIDA

Vidalinz

31.1.2024, 15:31:03

Vielen Dank!


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