Öffentliches Recht

Verwaltungsrecht AT

Besondere öffentlich-rechtliche Anspruchsgrundlagen

Öffentlich-rechtlicher allgemeiner Folgenbeseitigungsanspruch

Öffentlich-rechtlicher allgemeiner Folgenbeseitigungsanspruch

31. Mai 2025

14 Kommentare

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Behörde B ist für den ordnungsgemäßen Zustand des Deiches in Sturmbüttel verantwortlich. Weil B diese Pflicht nicht erfüllt, hält der Deich dem Hochwasser nicht mehr stand. Dadurch wird das Grundstück von Hansi (H) überschwemmt. Dieser verlangt, dass B sein Grundstück wieder in Ordnung bringt.

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Einordnung des Falls

Öffentlich-rechtlicher allgemeiner Folgenbeseitigungsanspruch

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. H begehrt, dass B ihn für die Überschwemmung seines Grundstücks in Geld entschädigt.

Nein!

Entscheidend dafür, welcher materiell-rechtliche Anspruch in Betracht kommt, ist das Begehren des Anspruchsstellers. Die ungeschriebenen öffentlich-rechtlichen Ansprüche haben verschiedene Zielrichtungen. H möchte, dass B „sein Grundstück wieder in Ordnung bringt“. Sein Anspruchsziel besteht damit gerade nicht darin, für die Überschwemmung in Geld entschädigt zu werden. Vielmehr möchte er, dass B sein Grundstück wieder in den Zustand vor der Überschwemmung bringt.
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2. In Betracht kommt der öffentlich-rechtliche Folgenbeseitigungsanspruch.

Genau, so ist das!

Der öffentlich-rechtliche Folgenbeseitigungsanspruch ist auf die Beseitigung der unmittelbaren rechtswidrigen Folgen öffentlich-rechtlichen Handelns gerichtet und damit auf die Wiederherstellung des ursprünglichen oder eines vergleichbaren Zustands. Der Anspruchsteller kann mit dem Anspruch also ein Tätigwerden der Behörde gerichtet auf die begehrte Wiederherstellung durchsetzen. H möchte, dass die Folgen des (rechtswidrigen) Unterlassen der Deichinstandhaltung durch B beseitigt werden. Er will, dass sein Grundstück wieder in den ursprünglichen Zustand gebracht wird.

3. Ist § 113 Abs. 1 S. 2 VwGO die (materielle) Rechtsgrundlage des öffentlich-rechtlichen Folgenbeseitigungsanspruchs?

Nein, das trifft nicht zu!

Die Rechtsgrundlage des Folgenbeseitigungsanspruchs ist umstritten. Unstreitig ist aber, dass § 113 Abs. 1 S. 2 VwGO nur eine prozessuale Regelung zur Durchsetzung des Anspruchs ist und damit gerade keine Rechtsgrundlage. Materiell wird der Folgenbeseitigungsanspruch teilweise direkt aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. Art. 20 Abs. 3 GG) hergeleitet. Nach einer anderen Ansicht ist er Ausfluss aus den Grundrechten. Wieder andere führen eine analoge Anwendung von §§ 12, 862, 1004 BGB an. Das BVerwG verweist inzwischen auf „durch Richterrecht geprägte, gewohnheitsrechtliche Gesichtspunkte“. Aufgrund der allgemeinen Anerkennung des Anspruchs darf die Herleitung in der Klausur nicht (mehr) ausgebreitet werden. Eine kurze Aufzählung der Herleitungsmöglichkeiten genügt.

4. Es wird zwischen dem allgemeinen Folgenbeseitigungsanspruch und dem Vollzugsfolgenbeseitigungsanspruch unterschieden.

Ja!

Der öffentlich-rechtliche Folgenbeseitigungsanspruch ist auf die Beseitigung der unmittelbaren rechtswidrigen Folgen öffentlich-rechtlichen Handelns gerichtet und damit auf die Wiederherstellung des ursprünglichen oder eines vergleichbaren Zustands. Der Vollzugsfolgenbeseitigungsanspruch ist einschlägig, wenn es um die Beseitigung der Folgen des Vollzugs eines Verwaltungsakts geht. Der allgemeine Folgenbeseitigungsanspruch richtet sich auf die Beseitigung der Folgen von öffentlich-rechtlichem Handeln, das nicht in einem Verwaltungsakt besteht. Die Beschädigung von Hs Eigentum folgte nicht aus einem Vollzug eines Verwaltungsakts. Einschlägig ist der allgemeine Folgenbeseitigunsanspruch.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Peter K.

Peter K.

1.5.2022, 09:44:47

Danke, dass ihr dieses Thema so umfassend aufgenommen habt! Großes Lob an die Redaktion

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

2.5.2022, 10:27:16

Vielen Dank, Peter. Das gebe ich sehr gerne weiter :-) Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

Pilea

Pilea

12.8.2023, 15:53:46

Als Norddeutsche liebe ich den Stadtnamen Sturmbüttel 😊 ihr bewirkt echt immer wieder, dass Jura mehr Spaß macht.

FL

Flohm

25.8.2023, 09:24:02

Zur Beseitigung der Folgen des Vollzugs eines VA: muss der Vollzug durch die

Behörde

geschehen? Oder kann man auch selber als Adressat die Handlung des VA umsetzen in dem man z.B. das Haus abreißt.

LR

LR

16.4.2024, 14:47:23

Der Vollzug muss nicht durch die

Behörde

passieren. Mit dem Erlass eines VAs will die

Behörde

ja gerade, dass der Adressat sich selbst an das Gebot hält und entsprechende Handlungen vornimmt.

Lönneberga

Lönneberga

13.2.2024, 14:57:08

Liebes JF-Team, Bei dem Normzitat zur Herleitung des Anspruchs zitiert ihr den §812 BGB als §12 BGB. Liebe Grüße!

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

14.2.2024, 12:12:27

Hallo Lönneberga, hier ist tatsächlich die etwas abseitige Norm aus dem Namensrecht gemeint und nicht der Herausgabeanspruch aus § 812 BGB. § 12 BGB enthält wie die §§ 862,

1004 BGB

den Rechtsgedanken, dass bei einer Verletzung des Berechtigten, der Berechtigte die Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen kann. Es geht also nicht um die Herausgabe eines Vorteils, sondern die Beseitigung einer Störung. Beste Grüße, Lukas- für das Jurafuchs-Team

Lönneberga

Lönneberga

14.2.2024, 12:23:08

Vielen Dank für die Klarstellung! 🙏 Da habe ich wohl vor lauter Wald die Bäume nicht mehr gesehen. Die Inhalte sind auf jeden Fall sehr hilfreich beim Lernen. :)

FABIA

Fabian

6.7.2024, 15:58:10

Ist der "allgemeine

Folgenbeseitigungsanspruch

" ein Synonym für "öffentlich-rechtlicher

Folgenbeseitigungsanspruch

"?

AN

Anonym

6.7.2024, 16:30:18

Es ist eine Variante des ör FBA, frag jedoch nicht als eigenständiger Anspruch gewertet werden

LELEE

Leo Lee

7.7.2024, 11:02:05

Hallo Fabian, vielen Dank für die sehr gute und wichtige Frage! Der ÖR-Folge

beseitigungsanspruch

ist der „Ober-Ober-Begriff“, weil wir uns zunächst im öffentlichen Recht befinden. Der „allgemeine“ FBA wird benutzt, um klarzustellen, dass es auch einen „speziellen“ FBA gibt: Nämlich den FBA, der zur Geltung kommt, wenn die Folgen eines vollzogenen Verwaltungsakts rückgängig gemacht werden sollen (sog. VOLLZUGS-FAB, 113 I 2 VwGO). D.h., der allg. FBA ist Teil des ÖR-FBAs. Siehe hierzu nochmal den Maßstabstext von Frage Nr. 4 („Es wird zw. dem allgemeinen FAB und dem…) :)! Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo

PR

PrüfungsProfi

14.8.2024, 11:47:52

Was genau kann ich unter "Ausfluss der Grundrechte" verstehen?

AN

annsophie.mzkw

26.8.2024, 16:56:12

Dass der FBA aus den Grundrechten dogmatisch hergeleitet wird. Insbesondere garantiert Art. 14 I 1 GG schließlich Eigentumsfreiheit und damit einhergehend auch dessen grundsätzliche Unversehrtheit, sodass den Staat im Falle eines

rechtswidrig

en Eingriffs in dein Eigentum eben die Pflicht trifft, den ursprünglichen Zustand wiederherzustellen. So verstehe ich es jedenfalls. :)

_Andor_

_Andor_

16.10.2024, 16:51:43

Vielleicht noch ergänzend: Mit "Ausfluss der Grundrechte" wird typischer auf die Urfunktion der Grundrechte als Abwehrrechte gegen den Staat Bezug genommen (Jellineks "Status negativus"). Effektive Abwehr kann zwar Entschädigung heißen, aber in seiner natürlicheren Form vor allem auch Wiederherstellung wie beim FBA.


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