Befreiungen (§ 31 Abs. 2 BauGB): Grundfall

24. November 2024

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Die Feuerbestattung-GmbH will ein Krematorium mit Abschiedsraum errichten. Der qualifizierte Bebauungsplan weist ein Gewerbegebiet aus.

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Einordnung des Falls

Befreiungen (§ 31 Abs. 2 BauGB): Grundfall

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 6 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Das Krematorium kann im Gewerbegebiet als „Anlage für kulturelle Zwecke“ ausnahmsweise zulässig sein (§ 31 Abs. 1 BauGB i.V.m. § 8 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO)

Ja!

Anlagen für kulturelle Zwecke sind alle Anlagen, die in einem weiten Sinne einen kulturellen Bezug aufweisen. Das Krematorium dient als säkulare Bestattungseinrichtung einem kulturellen Zweck und ist daher nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO ausnahmsweise zulässig. Nach § 31 Abs. 1 BauGB können Ausnahmen von den Festsetzungen des Bebauungsplans zugelassen werden, die in dem Bebauungsplan ausdrücklich vorgesehen sind. Ausdrücklich vorgesehen sind die Ausnahmen nach Absatz 3 des jeweiligen BauNVO-Baugebiets.
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2. Eine Ausnahme nach § 31 Abs. 1 BauGB ist ausgeschlossen, wenn das Vorhaben nicht gebietsverträglich ist. Ist das Krematorium mit Andachtsraum gebietsverträglich?

Nein, das ist nicht der Fall!

Die Gebietsverträglichkeit ist zu verneinen, wenn ein Vorhaben dieser Art generell geeignet ist, ein bodenrechtlich beachtliches Störpotenzial zu entfalten, das sich mit der Zweckbestimmung des Baugebiets nicht verträgt. Die Prüfung vollzieht sich in zwei Schritten: (1) Ermittlung des generellen Gebietscharakter des jeweiligen Baugebietes (Absatz 1 des für das jeweilige Baugebiet einschlägigen Paragraphen (§§ 2–9 BauNVO) und (2) Prüfung der Vereinbarkeit des Vorhabens mit dem dergestalt bestimmten Gebietscharakter des jeweiligen Baugebietes. (1) Gewerbegebiete dienen gem. § 8 Abs. 1 BauNVO vorwiegend der Unterbringung von nicht erheblich belästigenden Gewerbebetrieben. Sie zeichnen sich dadurch aus, dass in ihnen gearbeitet wird. Nach dem Leitbild der BauNVO ist ein Gewerbegebiet den produzierenden und artverwandten Nutzungen vorbehalten. (2) Ein Krematorium mit Abschiedsraum ist in besonderer Weise störempfindlich. Es stellt ähnlich wie ein Friedhof einen Ort der Ruhe, des Friedens und des Gedenkens an die Verstorbenen dar. Der übliche Umgebungslärm und die allgemeine Geschäftigkeit eines Gewerbegebiets stehen dazu im Widerspruch.

3. Die Errichtung des Krematoriums im Gewerbegebiet kann aufgrund einer Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB zulässig sein.

Ja, in der Tat!

Ist ein Vorhaben weder nach § 30 Abs. 1 BauGB noch nach § 31 Abs. 1 BauGB zulässig, besteht immer noch an die Möglichkeit einer Befreiung gemäß § 31 Abs. 2 BauGB. Da eine Befreiung zu einer Durchbrechung des bauplanerischen Konzepts führt, darf sie nur erteilt werden, wenn (1) die Grundzüge der Planung nicht berührt werden, (2) einer der in § 31 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 BauGB genannten Gründe vorliegt und die Abweichung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist. Eine Befreiung wird in einer Klausur nur selten vorkommen, in der mündlichen Prüfung wird aber gern danach gefragt.

4. Die Grundzüge der Planung sind unter anderem dann berührt, wenn das Vorhaben in seine Umgebung nur durch Planung zu bewältigende Spannungen hineinträgt oder erhöht.

Ja!

Wann Grundzüge der Planung berührt werden, lässt sich nicht allgemein für alle Fälle sagen. Die Grundzüge der Planung werden aber umso eher berührt, je stärker die Befreiung in das planerisch erfasste Interessengeflecht der Gemeinde eingreift. Dies lässt auf eine Änderung der Planungskonzeption schließen.

5. Berührt das geplante Krematorium die Grundzüge der Planung?

Genau, so ist das!

Nach § 31 Abs. 2 BauGB kommt eine Befreiung nur in Betracht, wenn die Grundzüge der Planung nicht berührt werden. Grundzüge der Planung werden unter anderem dann berührt, wenn das Vorhaben in seine Umgebung nur durch Planung zu bewältigende Spannungen hineinträgt oder erhöht.Ein Krematorium mit Abschiedsraum zeichnet sich durch die Gleichzeitigkeit von Störgrad (Immissionen durch Verbrennung) und Störempfindlichkeit (würdevolle Bestattung) aus. Dies führt zu bodenrechtlich relevanten Spannungen, die nur durch Planung unter Öffentlichkeitsbeteiligung zu lösen sind.

6. Dass ein Vorhaben Grundzüge der Planung berührt, kann überwunden werden, wenn einer der in § 31 Abs. 2 BauGB benannten Gründe vorliegt.

Nein, das trifft nicht zu!

Die Voraussetzung, dass Grundzüge der Planung nicht berührt werden, ist zwingende Voraussetzung für die Erteilung einer Befreiung. Berührt ein Vorhaben Grundzüge der Planung, scheidet eine Befreiung endgültig aus.
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