Zivilrechtliche Nebengebiete

Erbrecht

Gewillkürte Erbfolge

Das eigenhändige Testament – Errichtung (Fall 1)

Das eigenhändige Testament – Errichtung (Fall 1)

leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Nach zwei Gläsern Bier in einem irischen Pub entschließt sich E leicht angetrunken, dass der Freund und Reisegefährte F sein Erbe sein soll. Auf die Rückseite eines Bierdeckels schreibt er daher die folgenden Worte: „Ich, Ernst Edel, setze meinen Freund F als Erben ein.“

Diesen Fall lösen 84,5 % der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.

Einordnung des Falls

Das eigenhändige Testament – Errichtung (Fall 1)

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. E ist aufgrund des Alkohols nicht testierfähig.

Nein, das trifft nicht zu!

Ist der Erblasser wegen krankhafter Störung der Geistestätigkeit, Geistessschwäche oder Bewusstseinsstörung nicht in der Lage, die Bedeutung seiner abgegebenen Erklärung einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln, so kann er nach § 2229 Abs. 4 BGB kein Testament errichten. Entscheidend ist der Zustand des Erblassers im Zeitpunkt der Errichtung des Testaments. Nur weil E im Moment der Testamentserrichtung angetrunken war, kann nicht von seiner Testierunfähigkeit ausgegangen werden.
Jurafuchs 7 Tage kostenlos testen und tausende Fälle wie diesen selbst lösen.
Erhalte uneingeschränkten Zugriff alle Fälle und erziele Spitzennoten in
Jurastudium und Referendariat.

2. Es ist unerheblich, dass E das Testament auf der Rückseite eines Bierdeckels verfasst hat.

Ja!

Das Gesetz verlangt keine Verwendung bestimmter Schreibmaterialien. Dass E sein Testament auf der Rückseite des Bierdeckels verfasst hat, ist daher unerheblich. Bei ausgefallenen Materialien ist jedoch zu prüfen, ob es sich lediglich um einen Scherz oder einen bloßen Entwurf handelt, sodass kein Testierwille vorliegt. Die Beweislast trägt jedoch derjenige, der Rechte aus dem Schreiben herleiten will.

3. Da Zeit und Ort der Errichtung nicht angegeben sind, ist das Testament ungültig.

Nein, das ist nicht der Fall!

Nach § 2247 Abs. 2 BGB soll das eigenhändige Testament Zeit und Ort der Errichtung angeben. Es handelt sich jedoch nur um eine Soll-Vorschrift deren Nichteinhaltung die Gültigkeit des Testaments nicht beeinflusst. Das Testament ist nicht aufgrund der fehlenden Zeit- und Ortsangaben ungültig.

4. Da keine Unterschrift am Schluss steht, hat E kein gültiges Testament errichtet.

Ja, in der Tat!

Aus § 2247 Abs. 1 BGB ergibt sich, dass der Erblasser das Testament eigenhändig unterschreiben muss. Die Unterschrift dient dabei einerseits der Feststellung der Urheberschaft (Identitätsfunktion) und andererseits der Klarstellung, dass es sich um eine abgeschlossene Erklärung handelt (Abschlussfunktion). Um der Abschlussfunktion gerecht zu werden, muss die Unterschrift daher am Schluss der letztwilligen Verfügung stehen. Da der Name des E und damit die Unterschrift nicht am Schluss steht, hat E kein gültiges Testament errichtet.
Jurafuchs 7 Tage kostenlos testen und tausende Fälle wie diesen selbst lösen.
Erhalte uneingeschränkten Zugriff alle Fälle und erziele Spitzennoten in
Jurastudium und Referendariat.

Jurafuchs kostenlos testen


Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Juramaus

Juramaus

4.2.2022, 12:20:05

Ist es nicht egal wo die Unterschrift steht, solange es laut BGH in einem räumlichen Zusammenhang steht der nach außen auch erkennbar ist und das ganze vom Willen des Testierenden gedeckt ist? Ein Bierdeckel hat ja nur beschränkt Platz und dadurch sieht man auf einen Blick, dass die Unterschrift hier sich auf das Ganze beziehen soll.

VIC

Victor

4.2.2022, 13:28:05

Naja. Hier liegt gar keine Unterschrift vor wenn ich das richtig verstehe. Zudem dient die Unterschrift auch der Abschlussfunktion und ist von erheblicher Bedeutung. Daher ist die konkrete Ausführung auf dem Bierdeckel so gerade nicht ausreichend.

GEI

Geithombre

20.11.2023, 16:13:43

In der Tat fehlt hier die Unterschrift gänzlich, was man ggf. auch in der Aufgabenstellung präzisieren sollte, falls das nicht bewusst als "Falle" im sprachlichen Graubereich konzipiert wurde? @[Juramaus](29320) würde ich ergänzen, dass der Grundsatz stets lautet, dass die Unterschrift zur Wahrung der Abschlussfunktion am Ende stehen muss, was auch im Namen Unter-Schrift angelegt ist. Diesen Grundsatz betont auch der BGH: BGHZ 113, 48 (51) = NJW 1991, 487 („Oberschrift“ keine Unterschrift) und BGH NJW 1992, 829 („Nebenschrift“ keine Unterschrift). In Ausnahmefällen kann jedoch dieses Erfordernis auch dann als gegeben angesehen werden, wenn die Unterschrift sich in einem solchen räumlichen Verhältnis und Zusammenhang mit dem Text befindet, dass sie die Erklärung nach der Verkehrsauffassung als abgeschlossen deckt. Die gedankliche Kontrolle dürfte in derartigen Fällen wohl dahingehend erfolgen, ob trotz eventueller Lücken oder einem Anbringen der Unterschrift am Rand/Oben (bei ansonsten vollständig beschriebener Oberfläche) das Testament vor nachträglichen Änderungen durch Dritte ausreichend geschützt ist.

Dogu

Dogu

19.1.2024, 10:17:14

Entweder sollte in der Frage klar gefragt werden, dass er überhaupt nicht unterschrieben hat (und nicht einfach nur nicht am Ende) oder es sollte im SV klargestellt werden, dass er nicht unterschrieben hat.

Nora Mommsen

Nora Mommsen

19.1.2024, 12:20:34

Hallo Dogu, danke für deine Frage. Aus dem Sachverhalt geht hervor, welcher Text geschrieben wurde. Wir haben die Frage zur besseren Verständlichkeit nochmal umformuliert. Beste Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team

Dogu

Dogu

19.1.2024, 13:58:13

Danke :)


© Jurafuchs 2024