Zivilrechtliche Nebengebiete

Erbrecht

Gewillkürte Erbfolge

Das eigenhändige Testament – Errichtung (Fall 2)

Das eigenhändige Testament – Errichtung (Fall 2)

leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

E hat sich während seiner Irlandreise aufgrund des Dauerregens stark erkältet. Er schreibt deshalb an seinen Vater P folgende Postkarte: „Lieber Paps, ich bin schwer krank. Sollte ich sterben, sollst du mein Erbe sein. Dein Sohn Ernst Edel“ Vor dem Absenden ergänzt E darunter noch: „P.S.: F soll meine Whiskey-Sammlung erhalten.“

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Einordnung des Falls

Das eigenhändige Testament – Errichtung (Fall 2)

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Es ist unerheblich, dass E das Testament auf der Postkarte verfasst hat.

Genau, so ist das!

Das Gesetz verlangt keine Verwendung bestimmter Schreibmaterialien. Dass E sein Testament auf einer Postkarte verfasst hat, ist daher unerheblich. Bei ausgefallenen Materialien ist jedoch zu prüfen, ob es sich lediglich um einen Scherz oder einen bloßen Entwurf handelt, sodass kein Testierwille vorliegt. Die Beweislast trägt jedoch derjenige, der Rechte aus dem Schreiben herleiten will.
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2. Die Erbeinsetzung des P genügt den Erfordernissen des eigenhändigen Testaments.

Ja, in der Tat!

Aus § 2247 Abs. 1 BGB ergibt sich, dass der Erblasser das Testament eigenhändig schreiben und unterschreiben muss. Da E die Erbeinsetzung des P eigenhändig verfasst und mit seinem vollständigen Namen unterschrieben hat, sind die Erfordernisse des eigenhändigen Testaments erfüllt.

3. Die Ergänzung, dass F die Whiskey-Sammlung erhalten soll, stellt ein wirksames Vermächtnis dar.

Nein!

Die Unterschrift dient beim eigenhändigen Testament einerseits der Feststellung der Urheberschaft (Identitätsfunktion) und andererseits der Klarstellung, dass es sich um eine abgeschlossene Erklärung handelt (Abschlussfunktion). Um der Abschlussfunktion gerecht zu werden, muss die Unterschrift am Schluss der letztwilligen Verfügung stehen. Eine Ergänzung unterhalb der Unterschrift ist daher ohne erneute Unterschrift formunwirksam. Die Unterschrift des F steht vor dem Zusatz, sodass das Vermächtnis formunwirksam ist. AbI = Abschluss- und Identifikationsfunktion

4. Die Nichtigkeit des Vermächtnisses wirkt sich nicht auf die Wirksamkeit der Erbeinsetzung aus.

Genau, so ist das!

Die Nichtigkeit einer von mehreren letztwilligen Verfügungen lässt nach § 2085 BGB im Regelfall die Gültigkeit der anderen Verfügungen unberührt. Etwas anderes ergibt sich nur, wenn anzunehmen ist, dass der Erblasser eine Verfügung nicht ohne die Wirksamkeit der anderen Anordnung getroffen hätte. Die Nichtigkeit des Vermächtnisses wirkt sich daher nicht auf die Wirksamkeit der Erbeinsetzung aus.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

ri

ri

9.1.2022, 15:05:26

AbI = Abschluss- und Identifikationsfunktion, lässt sich ganz gut merken, da das Abitur ja auch ein Abschluss ist und identifikationsstiftend ist

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

10.1.2022, 10:45:29

Sehr nice, danke Dir! Das haben wir direkt mit aufgenommen :-)


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