Öffentliches Recht

Völkerrecht

Umweltvölkerrecht

Prinzip der gemeinsamen, aber differenzierten Verantwortlichkeit 1

Prinzip der gemeinsamen, aber differenzierten Verantwortlichkeit 1

leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Das aufstrebende Entwicklungsland S steckt in einem Dilemma: eine Reduzierung des CO2-Ausstoßes würde seine florierende Wirtschaft jäh ausbremsen. Den nördlichen Nachbar N tangiert das nicht. Er pocht auf die Gleichheit aller Staaten und fordert einen Stopp der nicht nachhaltigen Produktionsmuster in S.

Diesen Fall lösen 74,0 % der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.

Einordnung des Falls

Prinzip der gemeinsamen, aber differenzierten Verantwortlichkeit 1

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Grundsätzlich gebietet die souveräne Gleichheit die Ausstattung aller Staaten mit gleichen Rechten und Pflichten.

Ja, in der Tat!

Die souveräne Gleichheit der Staaten ist ein Grundprinzip des Völkerrechts. Sie befähigt damit jeden Staat gleichermaßen, als völkerrechtliches Subjekt zu agieren. So steht Staaten in internationalen Organisationen im Regelfall das gleiche Stimmgewicht („one state, one vote“) zu (so etwa nach Art. 18 Abs. 1 UN-Charta in der UN-Generalversammlung). Die souveräne Gleichheit der Staaten zielt auf die formelle Gleichheit. Demgegenüber besteht zwischen den Staaten dieser Welt - etwa in politischer, wirtschaftlicher oder militärischer Hinsicht - keine materielle Gleichheit. Diese Ausgangslage akzeptiert auch das Völkerrecht.
Jurafuchs 7 Tage kostenlos testen und tausende Fälle wie diesen selbst lösen.
Erhalte uneingeschränkten Zugriff alle Fälle und erziele Spitzennoten in
Jurastudium und Referendariat.

2. Die souveräne Gleichheit aller Staaten gilt absolut und ist nicht verfügbar.

Nein!

Staaten bleibt es frei, über ihre Rechte und Pflichten zu disponieren - auch im Verhältnis zu anderen Staaten. Der Grundsatz der souveränen Gleichheit ist etwa berührt, wenn Staaten mit unterschiedlichen Rechten und Pflichten ausgestattet werden, um etwa auf politische oder wirtschaftliche Ungleichheiten zu reagieren. Paradebeispiele für Durchbrechenden der souveränen Gleichheit aller Staaten sind die in der UN-Charta vorgesehene Zusammensetzung und die Befugnissen des UN-Sicherheitsrats sowie das Welthandelsrecht, das ein Präferenzsystem für Entwicklungsländer in Teil IV des GATT vorsieht.

3. Das Prinzip der gemeinsamen, aber differenzierten Verantwortlichkeit nuanciert die umweltvölkerrechtlichen Pflichten zugunsten der Entwicklungsländer.

Genau, so ist das!

Das Prinzip der gemeinsamen, aber differenzierten Verantwortlichkeit unterscheidet im Umweltvölkerrecht die rechtlichen Verpflichtungen der Industrieländer und der Entwicklungsländer hinsichtlich ihrer Verpflichtungen zum Klimaschutz. Es reagiert damit auf das Spannungsverhältnis zwischen Umweltschutz und Entwicklung und legt zugrunde, dass die Industrieländer bislang deutlich mehr zum Ausstoß antropogener Treibhausgase beigetragen haben als Entwicklungsländer. Damit erkennt das Prinzip die materielle Ungleichheit der Staaten an und macht eine Ausnahme vom Prinzip der souveränen Gleichheit der Staaten, indem es den Staaten unterschiedliche Verpflichtungen zum Klimaschutz zuschreibt. Das Prinzip wurde erstmal in Prinzip 7 Rio-Deklaration erstmals ausdrücklich in einem internationalen Dokument verankert und wird seitdem von zahlreichen Verträgen aufgegriffen (z.B. Klimarahmenkonvention, Kyoto-Protokoll oder Biodiversitätskonvention). Völkergewohnheitsrechtliche Geltung hat es nach h.M. noch nicht erlangt.

4. Das Prinzip der gemeinsamen, aber differenzierten Verantwortlichkeit ist ein Kernbestandteil des Pariser Abkommens.

Nein, das trifft nicht zu!

Noch im Kyoto-Protokoll fand das Prinzip der gemeinsamen, aber differenzierten Verantwortlichkeit für den Klimaschutz markanten Ausdruck: Denn es legte nur Industriestaaten (sog. Annex-I-Staaten), nicht aber Schwellen- oder Entwicklungsländern verbindliche Verpflichtungen zur Reduktion der Emission von Treibhausgasen auf. Dem Pariser Abkommen liegt eine Neuauslegung des Prinzips zugrunde: Höchstindividuelle Pflichten jedes einzelnen Staates lösen die Normendualität zwischen Verpflichtungen der Industrieländer auf der einen Seiten und den Verpflichtungen der Entwicklungsländer ab. Allerdings sind Industrieländer nach wie vor angehalten, eine Vorreiterrolle einzunehmen, vgl. Art. 4 Abs. 1 Pariser Abkommen.
Jurafuchs 7 Tage kostenlos testen und tausende Fälle wie diesen selbst lösen.
Erhalte uneingeschränkten Zugriff alle Fälle und erziele Spitzennoten in
Jurastudium und Referendariat.

Jurafuchs kostenlos testen


Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

© Jurafuchs 2024