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Einführung IPR

Verordnungsautonome Auslegung der Kollisionsverordnungen

Verordnungsautonome Auslegung der Kollisionsverordnungen

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

2023 gibt der französische Händler F in Deutschland der deutschen Bauunternehmerin B den Auftrag einen Laden zu bauen. Dafür zahlt F €500.000. Als F während des Baus Risse am Haus auffallen, fragt er sich, nach welchem Recht das Vorliegen eines Mangels zu beurteilen ist.

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Einordnung des Falls

Verordnungsautonome Auslegung der Kollisionsverordnungen

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Auf vertragliche Schuldverhältnisse ist die Rom I-Verordnung sachlich anwendbar (Art. 1 Abs. 1 Rom I-VO).

Ja!

Der sachliche Anwendungsbereich der Rom I-VO umfasst Zivil- und Handelssachen, wobei sie nur auf vertragliche Schuldverhältnisse Anwendung findet. Bereichsausnahmen finden sich in Art. 1 Abs. 2 Rom I-VO. F und B haben einen Vertrag über den Bau eines Hauses abgeschlossen. Dieser fällt unter den sachlichen Anwendungsbereich der Rom I-VO.
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2. Um zu prüfen, ob die Rom I-VO anwendbar ist, genügt es die Eröffnung des sachlichen Anwendungsbereichs festzustellen.

Nein, das ist nicht der Fall!

Eine Verordnung ist nur anzuwenden, wenn ihr Anwendungsbereich insgesamt eröffnet ist. Hierzu gehört neben dem sachlichen auch der räumlich-persönliche und zeitliche Anwendungsbereich. Die Rom I-VO gilt bei grenzüberschreitenden Sachverhalten in allen Mitgliedsstaaten unabhängig davon, woher die Parteien stammen (räumlich-persönlicher Anwendungsbereich). Die VO gilt ab dem 17.12.2009 (zeitlicher Anwendungsbereich, Art. 28 Rom I-VO). Hier handelt es sich um einen grenzüberschreitenden Sachverhalt in einem Mitgliedsstaat (Deutschland). Der Vertragsschluss erfolgte nach dem 17.12.2009, sodass auch der zeitliche Anwendungsbereich eröffnet ist. Der Anwendungsbereich der Rom I-VO ist somit eröffnet.

3. Liegt hier ein Dienstleistungsvertrag i.S.d. Art. 4 Abs. 1 lit. b) Rom I-VO vor?

Ja, in der Tat!

Die europäischen Verordnungen sind durchweg verordnungsautonom, also aus sich heraus und einheitlich, auszulegen. Es wäre also falsch, die deutsche Definition eines Begriffs anzubringen. Nach Art. 4 Nr. 1 Dienstleistungs-RL ist eine „Dienstleistung“ jede selbständige Tätigkeit, die i.d.R. gegen Entgelt erbracht wird. Nach deutschem Recht liegt hier ein Bauvertrag vor (§§ 650a ff. BGB). Nach verordnungsautonomer Auslegung fällt der Bauvertrag allerdings unter den Dienstleistungsvertrag. Art. 4 Abs. 1 lit. b) Rom I-VO ist also anwendbar.

4. Auf den Vertrag zwischen F und B ist französisches Recht anzuwenden (Art. 4 Abs. 1 lit. b) Rom I-VO).

Nein!

Nach verordnungsautonomer Auslegung fällt der Bauvertrag unter den Dienstleistungsvertrag. Gemäß Art. 4 Abs. 1 lit. b) Rom I-VO unterliegen Dienstleistungsverträge dem gewöhnlichen Aufenthalt des Dienstleisters. B als Dienstleisterin hat ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland. Der Vertrag richtet sich also nach deutschem Recht. Die Rom I-VO spricht eine Sachnormverweisung aus (Art. 20 Rom I-VO). Der Mangelbegriff richtet sich also nach §§ 650a, 633 BGB.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

kaan00

kaan00

11.1.2024, 12:20:55

Entspricht ein Bauvertrag aber nicht ehr einem Werkvertrag? Das würde sich mMn zumindest so aus dem Wortlaut des § 650a ergeben "Herstellung, die Wiederherstellung, …"

kaan00

kaan00

11.1.2024, 12:22:55

nvm ich denke mal da geht es gerade um die Verordnungsautonome Auslegung =D


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